Früher war alles besser. Eigentlich höre ich diesen Satz nicht gerne, weil ich es absolut nicht aushalte, wenn jemand andauernd über die heutige Zeit jammert. Leider trifft dieser Satz beim Thema Wolf doch zu. Wie schön waren doch die Zeiten, als man noch ohne Angst und ungute Gefühle nach den Schafen auf der Weide sehen konnte. Als man noch zu hören bekam, Wölfe seien sehr scheu und würden nur Wildtiere reissen. Schöne Märchen waren das.
Tierhalter können jederzeit böse Überraschungen entdecken
Wie wir nun feststellen müssen, hat sich aus diesen Märchen in der Realität eine gravierende Situation entwickelt. In den Berggebieten ist der Wolf mittlerweile ein immenses Problem, aber auch in den Voralpen und im Mittelland muss jederzeit mit Wolfspräsenz und damit einhergehenden Nutztierrissen gerechnet werden.
Von Wolfsbefürwortern hört man manchmal das Argument, das sei eben die Natur – die Bauern würden ihre Tiere ja ohnehin auch schlachten, da komme es ja nicht drauf an, ob das Tier nun vorher von einem Wolf ge-rissen wird. Ich würde jenen Personen empfehlen, sich einmal intensiv mit Nutztieren und der Landwirtschaft auseinanderzusetzen, und zwar nicht am Bürotisch, sondern auf einem Betrieb. Landwirtinnen sind keine Tierquäler. Verstehen Sie mich nicht falsch, Ausnahmen gibt es immer und auch ich denke manchmal, einige Landwirte sollten besser nicht mehr bauern. Aber genau beim Stichwort Tierquälerei sollte uns ein Licht aufgehen.
Eigentlich ein Fall von Tierquälerei
Bei einem Angriff tötet der Wolf häufig nicht nur ein Tier, sondern lässt oftmals Tiere verletzt und quasi halbtot zurück – man stelle sich diese Qualen vor. Wenn es gut läuft, wird das Tier rasch gefunden und kann erlöst werden. Falls nicht, leidet das Opfer unter Umständen noch lange. Für mich ist das ein Fall von Tierquälerei und genau deshalb ist ein Wolfsriss nicht mit einer sachgerechten Schlachtung zu vergleichen. Als Landwirtin baut man eine Beziehung zu seinen Nutztieren auf. Man hegt und pflegt sie, sorgt für ihr Wohlergehen – sie liegen einem einfach am Herzen. Wie sollte man dann einfach so hinnehmen können, wenn die eigenen Tiere auf brutalste Art und Weise getötet, zerfetzt und gequält werden? Das sollte man dann als Nutztierhalterin unter dem Vorwand der «Natur» einfach akzeptieren können. Dazu kommt der wirtschaftliche Schaden, der durch die schreckliche «Wir bezahlen euch die Risse ja»-Mentalität abgegolten werden soll. Mit einer Zahlung – egal in welcher Höhe – ist das Thema aber nicht gegessen, auch wenn sich das die Geldgeber wünschen würden.
Was den Entscheidungsträgern in der Wolfsdiskussion bisher wohl zu wenig bewusst war: Die Herden, ganz egal ob Kleinwiederkäuer, Rindvieh oder Equiden, können nach einem Wolfsangriff extrem verstört sein. Wer mit solchen Herden arbeitet, weiss, dass es viel Zeit, Geduld und Feingefühl braucht, um das Vertrauen der Tiere wieder zu gewinnen. Gerade Grossviehherden können durch die Wolfspräsenz zur Gefahr für Menschen und Hunde werden. Die Wölfe sind leider längst nicht mehr so scheu, wie es ihnen vor einigen Jahren noch nachgesagt wurde. Beim Gedanken, einem Wolf dabei zusehen zu müssen, wie er um den eigenen Stall schleicht, schaudert es mich.
Wo bleiben die pragmatischen Lösungen?
Wieso kommen wir bei der Wolfsdiskussion nicht auf einen grünen Zweig? Einige Personen haben bereits vor sechs oder sieben Jahren davor gewarnt, dass der Wolf in der Schweiz zu einem Problem werden könnte. Trotz dieser Warnungen haben wir nun den Salat. Spätestens jetzt müssen pragmatische Lösungen her. Vor allem aber muss endlich ernsthaft jenen Personen zugehört werden, die vom Wolf betroffen sind. Wichtig ist, dass die Betroffenen nicht das Gefühl haben, an eine Wand zu reden. Wut, Angst und das Gefühl von Machtlosigkeit zusammen sind ein gefährlich brodelndes Gemisch. Ich hoffe, die Entscheidungsträger in dieser Diskussion nehmen die Stimmung der Bäuerinnen und Bauern wirklich ernst. Die kürzlich genehmigten Abschüsse von Jungwölfen sind ein Schritt in die richtige Richtung.
Ich bezweifle, dass wir mit einer «entweder-oder-Entscheidung» den richtigen Weg finden werden. Dafür spielen zu viele kontroverse Interessen hinein. Könnte man den Wolfsbestand so regulieren, dass ein Miteinander möglich ist, wäre schon vielen Leuten geholfen. Dieses Zusammenleben setzt aber voraus, dass der Wolf scheu bleibt und weiterhin Herdenschutz betrieben wird. Es ist alles eine Frage des Masses.