Die morgendliche Kulisse ist herrlich: Auf der «Swiss Paso Fino Farm» im thurgauischen Schocherswil fressen, spielen und bewegen sich 25 junge Paso-Fino-Hengste und -Wallache auf einer grossen Koppel mit Blick auf den Säntis und den Alpstein. «Paso Fino», so nennt sich eine der ältesten Pferderassen der Welt. Die eleganten und starken Pferde haben eine besondere Lateralgangart, Paso genannt (siehe Kasten). Die Rasse stammt ursprünglich aus Kolumbien. In der Schweiz ist die Rasse mit dem «feinen Gang» selten. Die Swiss Paso Fino Farm in Schocherswil ist europaweit einer der grössten Zuchtbetriebe dieser Rasse.

 

Reiten, beinahe erschütterungslos

Das Spezielle der Rasse Paso Fino ist der Tölt als angeborene Hauptgangart. Im Gegensatz zu Trab und Galopp hat Tölt keine Schwebephase, sondern ist eine gelaufene Gangart. Der Reiter sitzt fast erschütterungslos auf einem locker schwingenden Rücken.  Der Paso wird in drei Geschwindigkeiten unterteilt:

  • Classic Fino: So wenig Raumgriff wie möglich, extrem kurze und schnelle Fussfolge. Showgang mit höchstem Versammlungsgrad.
  • Paso Corto: Moderate Vorwärtsbewegung bei gutem Raumgriff, aber ohne eilig zu werden.
  • Paso Largo: Das schnellste der drei Tempi. Vermehrte Schrittlänge und Raumgriff.
  • Zusätzlich zum rassetypischen Paso zeigt der Paso Fino folgende Gangarten: Schritt, Trocha (ein vom Trab in Richtung Paso leicht gebrochener Zweitakt) und Galopp.

Die ein- bis vierjährigen Jungtiere auf der Koppel verbringen hier einen wichtigen Abschnitt in der Aufzucht. Auf dem grossen, weiten Gelände erlangen sie die notwendige Trittsicherheit, Ausdauer und Abhärtung. Für das Training und die Schulung steht eine gedeckte Trainingshalle, ein sogenannter Round Pen, zur Verfügung. Bei der freien Arbeit im Round Pen mit einem Durchmesser von 16 Metern wird in einer runden eingezäunten Holzarena gearbeitet. Mensch und Pferd befinden sich zusammen in einer Art «Klassenzimmer»: Sie üben sich darin, immer besser zu kommunizieren und sich gegenseitig zu verstehen.

Paso Fino ist eine der ältesten Pferderassen der Welt. Entstanden ist sie aus drei europäischen Rassen: Andalusier, Berber und der ausgestorbene spanischen Rasse Genet. Die Vorfahren der heutigen Paso Fino gelangten nach Kolumbien, nachdem die europäischen Seefahrer Ende des 15. Jahrhunderts die Karibikküste Kolumbiens erreicht hatten. Der Paso Fino ist die Nationalpferderasse Kolumbiens. Hauptzuchtgebiete sind heute neben Kolumbien vor allem die USA. In Europa gibt es etwa 900 Paso Finos, davon rund 170 in der Schweiz.

Druckfehler mit Folgen

Das Paso-Fino-Gestüt in Schocherswil sieht seine Aufgabe darin, diese alte Kulturpferderasse zu erhalten. Die 45-jährige Claudia Greb-Schorta ist Mitbesitzerin des Gestüts. Sie hatte als Teenager Reitferien auf Islandpferden gewonnen. Diese haben mit dem Tölt eine ähnliche Gangart wie die Paso Fino. Nach diesen Reitfeien hat Greb in einer Pferdezeitschrift nach einer Reitmöglichkeit gesucht und geschrieben, sie habe Erfahrung mit den Gangarten «Tölt» und «Pass» der Isländer Pferde. Die Zeitschrift produzierte jedoch einen Druckfehler und machte aus «Pass» das Wort «Paso» – eben die Gangart der Paso Finos.

Obwohl vor 30 Jahren diese Pferderasse in der Schweiz noch weitestgehend unbekannt war, meldete sich eine Person bei Greb. Der Irrtum klärte sich natürlich rasch auf. Trotzdem kam es bereits im Jahr 1990 zur ersten Begegnung Claudia Grebs mit Paso Finos. Die Begeisterung für die einmalige Rasse war schnell geweckt.

Als sich ein paar Jahre später die Gelegenheit ergab, reiste Greb in die USA, dem grössten Paso-Fino-Zuchtland ausserhalb Kolumbiens. Im Bundesstadt South Carolina liess sie sich zur Paso-Fino-Trainerin ausbilden. Ihren Mann Daniel lernte Cornelia im zürcherischen Freienstein kennen. Dort führten die beiden bald einmal einen Paso-Fino-Hof.

Erfolgreiche Quereinsteiger

Die 15 Pferde, die den Grundstock für ihre erfolgreiche Zucht bildeten, hatten Daniel und Claudia Greb mehrheitlich aus den USA gekauft. Die Tiere waren auf drei verschiedenen Höfen eingemietet. 2001 wurden die Grebs von der sozialtherapeutischen Wohnstätte Revita in Hosenruck TG angefragt, ob sie interessiert an einer Pacht ihres zehn Hektaren grossen landwirtschaftlichen Betriebes seien. Die beiden Quereinsteiger ohne bäuerlichen Hintergrund wagten die Gründung der Pferdezucht Swiss Paso Fino Farm. Claudia Greb ist Medizinische Praxisassistentin, Daniel Greb Wirtschaftsinformatiker. 2015 konnten sie das Land mit Wohnhaus und Stall kaufen.

Das Herz der Zucht im Thurgau sind die Mutterstuten: Sie sichern den Nachwuchs, ihnen gilt eine besondere Aufmerksamkeit. Die ersten zwölf Monate verbringen die Fohlen mit ihrer Mutter, dann finden sie – je nachdem ob Hengst oder Stute – ihr neues Zuhause in einer von zwei Herden. Die meisten Hengste werden im Alter von etwa zwei bis spätestens drei Jahren kastriert. Ab drei Jahren dürfen sie auch geritten werden. Gegenwärtig werden jährlich rund sechs Fohlen in Schocherswil geboren – in einem schwarzen, blonden, beigen, roten oder braunen Haarkleid. Im Paso-Fino-Gestüt in Schocherswil ist das über 500-jährige Wissen zur Aufzucht dieser Pferde vorhanden. Die Grebs garantieren eine artgerechte Haltung unter besten Aufzuchtbedingungen. «Wir haben sehr viel Erfahrungswerte und das Know-how bei der Ausbildung dieser Rasse», sagt der 48-jährige Daniel Greb. Das Gestüt brachte schon 112 Nachkommen hervor.

Gelehrig und genügsam

«Paso-Fino-Pferde sind Experten der menschlichen Körpersprache. Man muss ihre Sprache verstehen», sagt Daniel Greb. Die Reitenden führen die Pferde mit dem Nasenzaum und Zügel, später mit der Trense, einem Mundstück im Gebiss. Die Impulse werden aber vor allem mit Bewegungen von Schenkeln und Gesäss gegeben. Balance, Takt und Geschwindigkeit müssen dabei stimmen. Die Paso Fino stehen zu 60 Prozent auf den Vorderbeinen, zu 40 Prozent auf den Hinterbeinen. Durch das geeignete Training verschiebt sich die Gewichtsverteilung auf je 50 Prozent.

Wie Daniel Greb erläutert, sind die Paso Finos sehr gelehrige, genügsame, leistungsfähige und eifrige Tiere. Sie sind menschenbezogen, fein zu kontrollieren und haben einen Sinn für die Arbeit. In Kolumbien werden sie in der Landwirtschaft eingesetzt, zum Teil für den Transport von Zuckerrohr oder Mais auf Packsättel. Die sehr trittsicheren Tiere sind deshalb auch für Bergtrekkings geeignet.

 

«Ich mag den feinen Gang»

«Die bequeme Rittweise dieses eleganten Pferdes begeistert mich seit 16 Jahren», sagt Oskar Saxer aus Hefenhofen TG. Der Siebzigjährige ist fast täglich mit seinem braunen Wallach «Oro Fuego de la Suiza» unterwegs. Dieser wurde im Jahr 2014 geboren und stammt aus dem Gestüt in Schocherswil. Saxer führt das Pferd vor allem mit einer Nasen-Zäumung. Der frühere erfolgreiche Militaryreiter schätzt Pferde mit Mut und Ausdauer. Er sagt: «Ich mag den feinen Gang. Heute macht mir das Töltreiten einfach sehr viel Spass.» Dazu passe auch der alte Spruch: «Das Glück dieser Erde, liegt auf dem Rücken der Pferde.» 


 

Für anspruchsvolle Reiter

Paso Finos sind Reitpferde für anspruchsvolle Freizeitreiter, die es lieben, auf einem temperamentvollen, feinfühligen und willigen Pferd zu reiten, auf dem es sich bequem sitzt. «Es hat Power und ist ein Freizeit-Ross für Ambitionierte, die mit ihrem Pferd primär im Gelände herumreiten», sagen Grebs. Die Reiterinnen und Reiter sind bereit, für ein fertig ausgebildetes Paso Fino, das bis zu 30 Jahre alt werden kann, 20 000 Franken zu bezahlen. Die Kosten für Pferdepension, Tierarzt, Hufschmied, Transport und weiteres können sich auf rund 900 Franken im Monat belaufen. Rund 80 Prozent der Pferde aus dem Gestüt Greb kaufen und reiten Frauen aus der ganzen Schweiz. Der Schwerpunkt des Verkaufs liege aber in der Ostschweiz. Einige Pferde konnten die beiden dank ihres guten Rufs schon bis nach England verkaufen.

26 Pferde in Pension

Die Farm hat momentan 26 Pferde in Pension. In den vielen Fressständen haben diese die nötige Ruhe. Ein Pferd frisst rund acht Kilo Heu pro Tag, das mehrheitlich von den eigenen Wiesen stammt. Mineralstoffe wie Salz oder Magnesium werden als Nahrungsergänzung eingesetzt. Der Pferdemist wird als Dünger auf den Wiesen der Farm verteilt.

Die Zuchtpferde sind als Nutztiere registriert und dürfen bei Bedarf auch geschlachtet werden, im Gegensatz zu sogenannten Heimtieren, die nach dem Tod nicht mehr als Lebensmittel verwendbar sind und verbrannt werden. Bis zu zehn Pferdefachleute, fast alle weiblich, kümmern sich in 500 Stellenprozenten um die Tiere. Grebs bieten insgesamt zwei Ausbildungsplätze an.