Obwohl erst vor einigen Jahren initiiert, gehören die Hofgespräche, organisiert von den Zentralschweizer Milchproduzenten, dem Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband und dem Berufsbildungszentrum Natur und Ernährung Luzern, schon fest ins Programm vieler professioneller Milchbauern. In den kommenden Tagen geben drei Produzentenfamilien wiederum Einblick in die betriebliche Milchproduktion und beleuchten insbesondere Wirtschaftlichkeit, Fütterung und Fruchtbarkeit.
Weitere Referate gibt es von Remo Petermann und Raphael Albisser (BBZN) und Tierärztin Ursi Dommann, Beginn jeweils 19.30 Uhr.
- Montag, 27. Juni, Thomas und Nadja Brunner, Rain LU.
- Mittwoch, 29. Juni, BG Kretz-Muff-Rosenberg, Schongau LU.
- Freitag, 1. Juli, BG Heller-Meier, Willisau LU.
Immer besser werden
Thema ist auch die Arbeitsbelastung. Diese hatten Thomas und Nadja Brunner vom Betrieb Underbürgle in Rain eigentlich recht gut im Griff. Bis zum Unfall von Thomas jedenfalls (siehe unten). Der Betrieb von Brunners kann als klassischer Luzerner Betrieb bezeichnet werden. Milchproduktion und Schweinemast sind die Betriebszweige. Die Futtergrundlage ist auf 535 m ü. M ausgezeichnet.
Die silofreie Milch der rund 40 Holsteinkühe wird in der Dorfkäserei verarbeitet. Diese gehört zur Handvoll der Greyerzer-Satelliten-Käsereien. Die Milch darf also ausserhalb des AOC-Gebietes zum wertschöpfungsstarken Sortenkäse verarbeitet werden. Seit 2000 liefern Brunners in diese Käserei und als sie 2009 «auf den neuesten Stand gebracht wurde», war dies für ihn auch ein Signal, um auf seinem Betrieb zu investieren. Ein neuer Milchviehstall wurde gebaut.
Betrieb Brunner, Rain LU
Thomas und Nadja Brunner, Kinder Ronja (14), Soraya (12), Lars (9) und Pflegesohn Kim (14)
40 Milchkühe produzieren rund 380 000 kg silofreie Milch, 425 Schweinemastplätze IPS
24,5 ha LN, Wintergerste, Futterweizen, Körnermais, Grünmais, Kunstwiese
Mit der Zeit gehen
Passend zu seinem beruflichen Motto auf dem Flyer der Hofgespräche 2022: «Geh mit der Zeit, sonst geht die Zeit mit dir». Brunner versucht, es auf seinem Betrieb laufend «besser zu machen» und nicht zu schnell zufrieden zu sein. Offenheit für Neues sei zentral.
«Geh mit der Zeit, sonst geht die Zeit mit dir.»
Wobei man natürlich nicht alle Parameter beeinflussen könne. Als Beispiel nennt er den nassen Sommer 2021. Plötzlich war es vorbei mit der guten Fruchtbarkeit der Milchvieh-Herde. Die Umwelt habe halt schon einen gewaltigen Einfluss auf den Betriebserfolg, sagt er.
Auf die Milch gesetzt
Den Betrieb hat der 49-Jährige vor rund 20 Jahren übernommen. Die Milchmenge war damals mit 124 000 Kilo dreimal tiefer im Vergleich zu heute. Während seiner Ausbildung zum Meisterlandwirt habe er verschiedene Strategien gerechnet und sich für einen Ausbau der Milchproduktion mit Auslagerung der Jungviehaufzucht entschieden. «Die Milchproduktion liegt mir und ich mache es gerne», begründet Thomas Brunner seinen Entscheid heute.
Weiter sollte der Futterbau verbessert werden. Auch hier probiert er gerne Neues aus, etwa mit der Saat einer Luzerne-Mischung 2021. Da habe er aber wohl den falschen Sommer ausgewählt, beschreibt er den Erfolg lakonisch. Um möglichst viel Futter für seine Kühe (10 000 Kilo Stalldurchschnitt bei 4 % Fett und 3,35 % Eiweiss) auf der Betriebsfläche zu produzieren, setzt er auch auf selbst produzierte Häckselballen. Fett-/Eiweiss-Verhältnis und Harnstoffwerte sind für ihn wichtige Kennzahlen, um die Fütterung zu korrigieren. Vormittags sind die Kühe auf der Weide, nachmittags im Stall.
Klauen als Schwachpunkt
Im Laufstall wird im Melkstand gemolken. Ein Melkroboter ist bekanntlich bei Gruyère-Milchproduzenten (noch) nicht erwünscht. Nebst betriebswirtschaftlichen Kennzahlen und der Fütterung hat die Tiergesundheit traditionell ihren Platz an den Hofgesprächen. «Guter Stoffwechsel» sei dort die Stärke seiner Herde, sagt Brunner spontan. Schwächen sieht er bei der Klauengesundheit, konkret Mortellaro. Vor einigen Jahren in den Betrieb eingeschleppt, sind heute rund 20 Prozent der Kühe betroffen. Klauen waschen, behandeln und einbinden ist seine Strategie dagegen.
Bei den Galtkühen sei der Boden nicht optimal. Die feuchten und weichen Gummimatten seien der Gesundheit in diesem Bereich des Stalles nicht zuträglich und die Verletzungsgefahr durch Ausrutschen hoch. Ab und zu Coli gäbe es bei der Eutergesundheit. Wiederholungstäterinnen werden ausgemerzt. Ziel sei eine Zellzahl von unter 100 000. «Den Qualitätszuschlag von 1,1 Rappen nehme ich gerne», so Thomas Brunner.
Lernende und ein Angestellter
Seit 2006 bildet Thomas Brunner Lernende aus. Seit 2017 und mit dem Ausbau der Schweinemast kam noch ein Lehrling aus dem 3. Lehrjahr – meist ein Zweitausbildner – dazu. Dies mache das Ganze aber unflexibel, weil gemäss Bildungsverordnung bei zwei Lernenden auf einem Betrieb jeweils einer im 1. und einer im 3. Jahr sein müsse.
In Zukunft wird deswegen Brunner eher auf einen Angestellten setzen und noch einen Lernenden. Aber ob er diesen Mitarbeiter überhaupt findet auf dem ausgetrockneten Arbeitsmarkt?
Schwierige Suche nach Hilfe
Vergangenen Winter verletzte sich Thomas Brunner bei einem abendlichen Kontrollgang schwer an der Schulter. Eine Eisfläche vor dem Schweinestall brachte ihn zu Fall. Operiert wurde er erst im Mai, noch einige Monate wird er nicht mitarbeiten können. Es brauchte Ersatz und somit kennt der Meisterlandwirt den Arbeitsmarkt in der Landwirtschaft. Eine Arbeitskraft innert nützlicher Frist zu rekrutieren, war schier unmöglich. Selbst in Deutschland habe er inseriert. Er brauche jemanden, der auch mit den Maschinen umgehen könne und ihn im Alltag auf dem Betrieb ersetze. Gemeldet haben sich zwar einige Frauen. Aber alle wollten «nur» mit Tieren arbeiten und melken.
«Uns ist es das wert»
Fündig wurde er dann doch noch über die Sozialen Medien. Und vieles macht aktuell auch seine Frau Nadja und wieder der 80-jährige Vater von Thomas, Gody Brunner. Als Arbeitgeber müsse die Landwirtschaft konkurrenzfähiger werden, findet Brunner. Aber ein Wochenenddienst gehörte halt auch dazu. Eine Gratwanderung. Junge Landwirte würden vor der Betriebsübernahme lieber als Chauffeur oder auf dem Bau arbeiten. Um eben am Feierabend oder Wochenende flexibler auf dem Heimbetrieb zu sein.
«Ich arbeite gerne, aber alles hat seine Grenzen», sagt Thomas Brunner zur Arbeitsbelastung. Im Herbst verreist er mit der Familie jeweils zwei Wochen in die Ferien und auch eine Woche Skiferien liegen drin. Nebst der Erholung sei dies auch dem Familienleben zuträglich. Berufskollegen sagten ihm manchmal, dass dieses Geld nicht in den Betrieb investiert werden könne. «Aber uns ist es das wert.»