Als die Revision des Jagdgesetzes vor einem knappen Jahr an der Urne mit 48 Prozent Ja-Stimmen scheiterte, war ich sehr enttäuscht. Die Vorlage wurde zwar in 15 von 26 Kantonen angenommen, in meinem Kanton Appenzell Innerrhoden mit 70,8 Prozent sogar am deutlichsten. Doch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in grösseren Städten und mit grösserer Distanz zum Alpenraum setzten sich durch. Das ist Demokratie und zu akzeptieren.
Jagdgesetz bachab
Was mich jedoch noch heute ärgert, ist die damalige Abstimmungskampagne, vor allem der grossen Naturverbände. Diese polemisierten mit dem Begriff «Abschussgesetz» und setzten dabei nicht auf den Wolf, sondern auf «sympathische» Tiere wie Feldhase, Waldschnepfe, Birkhahn und Schneehuhn. Was weitgehend unterschlagen wurde: Für diese Tierarten hätte sich mit dem revidierten Jagdgesetz gar nichts geändert. Und als damaliger Berichterstatter der vorberatenden Kommission weiss ich: Dagegen hatten die Naturverbände auch nicht viel einzuwenden.
Bedrohte Kulturlandschaft
Dass ich fast ein Jahr später darauf zurückkomme, hat mit meinen Sommerferien zu tun. Vor einem Jahr absolvierte ich mit einem Freund einen Teil des bündnerischen Walserweges, der uns von San Bernardino über den Rheinwald, das Valser- und das Safiental nach Thusis führte. Diesen Sommer wanderten wir von Thusis über Obermutten in das Val Schons, dann weiter durch das Val Ferrera nach Juf und von dort über die Fallerfurgga nach Mulegns. Auf diesen Wegstrecken waren wir meistens allein unterwegs, in eindrücklichen Berglandschaften, die man auf den ersten Blick als unberührt wahrnehmen könnte.
Doch was diese Täler, Passübergänge und Höhenzüge so besonders macht, sind die Menschen. Menschen, die sich vor Jahrhunderten in diesen Naturlandschaften angesiedelt haben und sie zu dem machten, was sie heute sind: wunderschöne Kulturlandschaften. Diese sind zum Teil bedroht, denn steile, abgelegene Berghänge lassen sich meistens nur manuell bewirtschaften. Abwanderung ist eine Folge davon. Umso eindrücklicher ist es zu sehen, wie die Bergbauern noch heute mit grossem Einsatz im unwegsamen Gelände heuen, um für ihre Nutztiere Wintervorräte anzulegen.
Höher gelegene Alpen werden jedoch immer weniger bestossen. Ein Grund dafür ist die stark wachsende Wolfspopulation. Wenn ich mich an die Verbitterung des Hirten auf der Alp Tomül erinnere, der im letzten Jahr trotz Herdenschutzhunden über 30 gerissene Schafe hinnehmen musste, kann ich dies nachvollziehen. Der wiederkehrende Spruch, «wir Menschen müssen lernen, mit dem Wolf zu leben», erscheint vor diesem Hintergrund wie ein Hohn.
Auch den Vorwurf, man müsse die Tiere auf den Alpen halt besser schützen, mag ich nicht mehr hören. Denn auf weitläufigen Alpen ist es schlicht unmöglich, die Tiere mit Elektrozäunen genügend zu schützen oder sie jede Nacht bei den Alpgebäuden zu sammeln. Auch der Einsatz von Herdenschutzhunden ist nicht überall möglich. Kommt hinzu, dass diese das gefahrlose Durchqueren von Alpen erschweren oder sogar verunmöglichen. Wegsperrungen werden künftig zunehmen.
Schutz der Alpwirtschaft
Bei aller Liebe zur Natur meine ich, dass es so nicht weitergehen kann. Wenn wir die Kulturlandschaften im Berggebiet erhalten wollen, müssen wir nicht den Wolf, sondern die Berglandwirtschaft und die Alpwirtschaft schützen. Dies setzt eine konsequente Regulierung der Wolfspopulation voraus, und zwar mindestens so, wie dies im abgelehnten Jagdgesetz vorgesehen war. Ansonsten werden die Wolfsrudel weiter exponentiell zunehmen und die Menschen und deren Tiere im Berggebiet zurückdrängen. Wollen wir dies wirklich?