Das Glarnerland gehört nicht zum Hauptverbreitungsgebiet des Wolfes in der Schweiz. Aber das Calanda-Rudel ist nahe. Auf Alpen im Glarnerland kam es in den letzten Jahren in zwei Fällen zu Schafsrissen durch männliche Jungwölfe, die das Rudel im Grenzgebiet zwischen Graubünden und St. Gallen verlassen mussten. Etwa zehn Schafe wurden dabei getötet. Seit einigen Wochen ist zudem in Meldungen immer wieder von einer Jungwölfin die Rede, die sich auf Gemeindegebiet von Glarus Nord niedergelassen hat – das Thema Wolf ­beschäftigt die Glarner Schafsbesitzer und Älpler definitiv. Zumal auf den 13 Glarner Schafalpen Jahr für Jahr rund 4200 Schafe gesömmert werden.

Das grosse Interesse am Thema Wolf zeigte sich auch am Herdenschutznachmittag vom 28. April, zu dem die Abteilung Landwirtschaft des Kantons Glarus eingeladen hatte. Trotz unwirtlich kühlem, wechselhaftem und regnerischem Wetter waren es Dutzende von Personen, die sich am Dorfrand von Mollis einfanden, um sich über die Möglichkeiten des Herdenschutzes zu informieren. Viele von ihnen waren Schafhalter oder Älpler. Sie nutzten den Nachmittag auch zum Gedankenaustausch unter sich und mit den Vertreterinnen und Vertretern des Landwirtschaftsamts sowie der Wildhut.

Die Skepsis ist gross

Aus den vielen Gesprächen wird deutlich: Die meisten Schafhalter sind über die Präsenz des Wolfes und über den Umgang der Politik mit dem Grossraubtier alles andere als glücklich. Sie ärgern sich darüber, dass sie zu namhaften Investitionen gezwungen werden, um ihre Herde vor Wolfsrissen zu schützen. Vielen wäre es lieber, der Wolfbestand würde radikal dezimiert. Es dauere viel zu lange, bis ein Wolf geschossen werden dürfe, lautet der Tenor. "Man sollte sie alle abschiessen. Es sind ja doch nur Hybride." So formulierte etwa ein gestandener Schafhalter seine Meinung und seine Erwartungen an die Politik.

Hilfestellungen zeigen

"Wir wollen mit diesem Nachmittag die Schafhalter für den Herdenschutz sensibilisieren und ihnen unsere Hilfestellungen dazu aufzeigen", sagt Marco Baltensweiler, Leiter der Abteilung Landwirtschaft des Kantons Glarus.

Zu den Hilfestellungen des Kantons gehören zwei Herdenschutzbeauftragte in der Person von Lisbeth Luchsinger und Gerd Loher. Sie stehen für Auskünfte und Beratungen zur Verfügung und sind per Handynummer und E-Mail erreichbar. Schafhalter können ihre Handynummer hinterlassen. Sie werden über einen SMS-Alarm informiert, wenn ein Wolf gesichtet wird und können entsprechende Vorsichtsmassnahmen einleiten.

Am Informationsnachmittag konnten sich die Schafhalter ein Bild über das Angebot an vier verschiedenen Netzsystemen verschaffen, welche Schafe vor Angriffen durch Wölfe schützen sollen.

Der Einsatz von Herdenschutzhunden scheint sich zu etablieren. Die beiden Herdenschutzhunde, die eine kleine Schafherde bewachten, weckten nur wenig Aufmerksamkeit. Scheinbar unbeteiligt lagen sie im Gehege, gaben aber jeweils an, wenn sich jemand allzu sehr der Umzäunung näherte. Im Kanton Glarus sind auf vier Schafalpen Herdenschutzhunde im Einsatz.

Lama weckt Neugierde

Viel Diskussionsstoff gaben die beiden Lamas ab, die am Herdenschutznachmittag präsentiert wurden. Lamas sind aufmerksame und neugierige Tiere. Wenn sie sich bedroht fühlen, stampfen, schreien und spucken sie. Zum Schutz ihrer Schafe setzt die Glarner Herdenschutzbeauftragte Lisbeth Luchsinger auf ihre beiden Lamas. Wie bei Schutzhunden müssen aber auch bei Lamas verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein, um die Tiere für den Herdenschutz einzusetzen. So bedarf es zur Haltung von Lamas einen Sachkundenachweis. Auch unterscheiden sich die Haltevorschriften für Lamas von jenen für Schafe. Damit Lamas eine Schafherde beschützen, müssen sie mit den Tieren vertraut sein. Ausserdem verhält es sich laut Agridea-Merkblatt so, dass mehrere Lamas, die zusammengehalten werden, unter sich eine eigene Gruppe bilden. Um eine solche Gruppenbildung zu verhindern und den Herdenschutz zu gewährleisten, sollten zum Herdenschutz maximal zwei Lamas gehalten werden. Deshalb eignen sich Lamas am ehesten zum Schutz einer kleinen Herde in einem kompakten Gebiet.

Alptracker im Test

Als erster Kanton in der Ostschweiz erprobt der Kanton Glarus das System "Alptracker". Dieses erfasst den Standort der gealpten Tiere und übermittelt diesen auf das Handy des Alphirten. Es ist vor allem als Hilfsmittel zum Weidemanagement auf weitläufigen Alpen entwickelt worden. Wie Marco Baltensweiler erläutert, kann das System "Alptracker" zwar herkömmliche Herdenschutzmassnahmen wie zum Beispiel Schutzhunde oder Zäune nicht ersetzen. Es kann aber als Ergänzung dazu dienen – vor allem auf abgelegenen Alpen, auf denen nicht ständig ein Hirte anwesend ist. Es erlaubt dem Hirten, sich über das Handy zu informieren, wo sich die Herde befindet. Wenn sich etwas Ungewöhnliches in der Herde ereignet, diese etwa versucht, zu fliehen, wird eine SMS abgesetzt. Damit ist es für die Betreuer möglich, sich nach einem ungewöhnlichen Vorfall rasch ein Bild über die Situation auf der Alp zu machen.

Das Alptrackersystem wird dieses Jahr laut Baltensweiler im dritten Pilotjahr auf drei Alpen im Glarnerland erprobt. Nächstes Jahr soll das System auf einer breiteren Basis kommuniziert werden. Dieser Versuch wird von der Agridea begleitet. Neu beteiligen sich auch – wie vorgesehen – die Kantone Graubünden, St. Gallen und die beiden Appenzell daran. Laut Baltensweiler besteht gegenwärtig die grösste Herausforderung darin, die Daten, die über dieses System erfasst werden, so auf das Handy zu übermitteln, dass der genaue Standort der Tiere ersichtlich wird. Ausserdem müssen die aufgezeichneten Bewegungsmeldungen richtig interpretiert werden.

Zusammenarbeit etabliert

Aus diesem Grund wurde eine Zusammenarbeit zwischen den beiden Firmen Alptracker und Alplora etabliert. Die eine ist spezialisiert auf die Sendegeräte, mit welchen die zu überwachenden Tiere ausgerüstet werden und auf die Übertragung der gesendeten Signale über eine mobile Antenne mit einem Radius von zehn bis 20 Kilometern auf das Handy. Die andere Firma hat sich auf die Auswertung der übermittelten Daten spezialisiert, so dass zuverlässig das (Schwarm-)Verhalten der Schafe bei einem ungestörten Alpbetrieb und bei einer Störung durch einen allfälligen Wolfsangriff aus den Daten gelesen werden kann.

Das System Alptracker ist vergleichbar mit den Systemen, die zunehmend in Rindviehställen installiert werden, um das Verhalten und die Bewegungen der Tiere systematisch aufzuzeichnen und zu interpretieren. Die Zahl der aufgezeichneten Signale ist beim Alptracker allerdings wesentlich kleiner. Nur schon, weil die Batterie über die gesamte Zeit der Alpung funktionieren muss. Ausserdem ist es wenig sinnvoll und viel zu teuer, sämtliche Tiere eine Schafherde mit einem Sender auszurüsten. Deshalb ist es auch wichtig herauszufinden, wie viele Tiere einer Herde sinnvollerweise mit einem Sender ausgerüstet werden müssen und welche Tiere dies sein sollten.