Maximiliane Lotz und Lisa Käser sind davon überzeugt, dass der Tierschutz allen am Herzen liegt. Die beiden Juristinnen betonen aber auch, dass Landwirte dem Vollzug nicht schutzlos ausgeliefert sind.

Welche Probleme treten beim Vollzug häufig auf?

Maximiliane Lotz: Bei vielen Kantonen funktioniert der Vollzug recht gut. Uns fällt aber auf, dass einzelne Kantone mit einer Misstrauenshaltung an den Tierhalter herantreten. Sie sehen ihn als Teil des Problems statt als Teil der Lösung. Ausserdem sehen wir, dass Behörden beim Vollzug kaum Rücksicht auf die Betriebsabläufe nehmen.

Spielt das eine so grosse Rolle?

Lotz: Ja. Es kann vorkommen, dass gerade bei unangemeldeten Kontrollen das Veterinäramt dann kommt, wenn der Landwirt in betriebliche Abläufe eingebunden ist. Das Amt hat darauf Rücksicht zu nehmen und muss warten, bis der Landwirt die Arbeiten sinnvoll abschliessen kann. Er hat das Recht, von Anfang an bei der Kontrolle mitzuwirken.

Lisa Käser: Hat das Veterinäramt konkrete Hinweise darauf, dass Tiere in unmittelbarer Lebensgefahr schweben, muss selbstverständlich sofort gehandelt werden. Das sind aber Ausnahmesituationen. Das Veterinäramt muss in solchen Fällen die Notfallsituation dokumentieren, damit sie später rekonstruiert werden kann. Anders ist das bei den anderen Kontrollen, sei es eine Grundkontrolle, eine Routinekontrolle oder eine Nachkontrolle. Diese sind der Normalfall und dort treten am meisten Streitigkeiten auf. Der Notfall stellt in der Regel kein Problem dar.

 

Verschiedene Lebensbereiche verbunden

Maximiliane Lotz ist Juristin und arbeitet bei Niklaus Rechtsanwälte, wo sie das Praxisjahr auf dem Weg zur Rechtsanwältin absolviert. Das Tierschutzrecht fasziniert sie, weil es verschiedene Lebensbereiche wie die Betriebsführung, gesellschaftliche Wertvorstellungen, das Bauwesen und die Rechtswissenschaft miteinander verbindet.

 

Wie läuft eine korrekte Kontrolle ab?

Käser: Korrekte Kontrollen sind entweder angemeldet oder unangemeldet. Letzteres ist zulässig, denn nur so kann sich das Veterinäramt ein unverfälschtes Bild machen. Wenn das Amt auf dem Betrieb eintrifft, muss als erstes der Tierhalter aufgeboten werden. Bei der Kontrolle muss dann die Person anwesend sein, die für die Tierhaltung verantwortlich ist. Tierschutzkontrollen sind aufgrund der möglichen Konsequenzen Chefsache.

Und während der Kontrolle?

Käser: Während der Kontrolle ist darauf zu achten, dass das Protokoll sorgfältig geführt und die Situation sauber dokumentiert wird. In der Praxis sehen wir häufig, dass die Situation mit einem kurzen Satz beschrieben wird, statt dass Bilder und Videos aufgenommen werden. Das ist problematisch, denn dieser Satz bleibt das einzige Beweismittel. Die Veterinärämter müssen den Sachverhalt umfassend und objektiv darstellen.

 

Für Respekt und Wohlergehen der Tiere

Lisa Käser ist Juristin und arbeitet bei Niklaus Rechtsanwälte, wo sie das Praxisjahr auf dem Weg zur Rechtsanwältin absolviert. Am Tierschutzrecht fasziniert sie die Möglichkeit, zusammen mit verschiedenen Menschen daran mitzuwirken, dass dem Tier mit Respekt begegnet und sein Wohlergehen sichergestellt wird.

 

Was passiert, wenn der Tierhalter nicht zu Hause ist?

Käser: Wenn keine konkreten Hinweise auf eine unmittelbare Lebensgefahr für die Tiere bestehen, dann müssen die Veterinärbehörden abwarten, bis der Tierhalter wieder anwesend ist oder ein anderes Mal wieder kommen. In der Praxis kommt es sehr oft vor, dass die Behörden trotzdem mit den Kontrollen beginnen. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass sie das aufgrund des Zutrittsrechts dürfen. Das ist sehr problematisch!

Welche Pflichten haben Tierhalter?

Käser: Der Tierhalter ist verpflichtet, sich an die tierschutzrechtlichen Vorgaben zu halten. Bei Kontrollen sind Tierhalter zur Mitwirkung verpflichtet. Sie müssen dem Amt den Zutritt zu den Tieren gewähren. Das können sie nur, wenn sie anwesend sind. Auf der anderen Seite haben die Tierhalter auch ihre Rechte.

Und welche Rechte sind das?

Käser: Jeder Tierhalter hat das Recht auf ein faires Verfahren. Das gilt gerade in Bezug auf die Tierschutzkontrolle. Dem Veterinäramt steht das Zutrittsrecht zu, gleichzeitig hat der Tierhalter das Recht, bei den Kontrollen dabei zu sein und daran mitzuwirken.

Was ist unter dem Mit-wirkungsrecht zu verstehen?

Lotz: In Bezug auf Tierschutzkontrollen bedeutet das Mitwirkungsrecht unter anderem, dass der Tierhalter bei der Kontrolle selber mitwirken und Beweise einbringen kann. Er kann z. B. eigene Fotos machen und diese zu den Akten geben, Messungen während der Kontrolle über-prüfen und Anmerkungen ins Protokoll schreiben. Der Kontrollbericht ist ein Beweismittel, die Kontrollergebnisse werden jeweils vor Ort festgehalten. Die Tierhalter müssen sich darüber im Klaren sein, dass gerade dieses Kontrollergebnis für andere Verfahren wie z. B. für Strafverfahren oder Verfahren über die Kürzung der Direktzahlungen die wichtigste Beweisgrundlage bildet. Weil die Konsequenzen so weitreichend sein können, ist es zentral, dass Tierhalter bei jeder Tierschutzkontrolle, also bei der Sachverhaltsfeststellung, von Anfang an mitwirken können und dies auch tun.

Was können Landwirte tun, wenn sie mit dem Kontrollergebnis nicht einverstanden sind?

Lotz: Der Kontrollbericht ist ein vorgefertigtes Formular, das von den Ämtern ausgefüllt wird. Für den Tierhalter und das Amt gibt es je ein Exemplar. Die Tierhalter sollen den Bericht aufmerksam lesen und sich die dafür notwendige Zeit nehmen. Eile ist hier fehl am Platz! Sie sollen auf dem Kontrollbericht festhalten, womit und warum sie nicht einverstanden sind. Wichtig ist, dass man das nicht nur sagt, sondern es auch aufschreibt. Sind die Mitwirkungsrechte bei der Amtshandlung verletzt worden, so ist diese anfechtbar. Jeder Tierhalter muss die Möglichkeit haben, mitzuwirken. Er kann übrigens auch eine Nachkontrolle beantragen.