Gesund hinauf, krank herunter: Wer seine Milchkühe auf Gemeinschaftsalpen gibt, muss mit Euterentzündungen rechnen. Verantwortlich für die entzündeten Viertel und schmerzhaften Euter ist oftmals der Erreger Staphylococcus aureus vom Genotyp B (GTB).

Hochgradig ansteckend

Dieses Bakterium ist hochgradig ansteckend und wird via kontaminierten Zitzengummi von Kuh zu Kuh übertragen. Eine Kuh kann so die ganze Herde anstecken. Das Bakterium wandert vom Euter auch in die Milch und von der Milch in den Käse. Wenn es genug davon im Rohmilchkäse hat, bilden sich Enterotoxine, welche den Käse vergiften, so dass er schlussendlich verbrannt werden muss.

Nebst Tierleid entsteht so grosser wirtschaftlicher Schaden. Eine Studie zeigte auf, dass allein dieses Bakterium die Milchbauern jährlich rund 80 Millionen Franken kostet. Schweizweit kämpft etwa jeder zehnte Milchviehbetrieb mit Staphylococcus aureus GTB. In Regionen, in denen traditionell gemeinsam gealpt wird, sind es bis zu 40 Prozent. Abhilfe ist rar, Impfung gibt es keine und die klassische Antibiotika-Behandlung ist in zwei von drei Fällen nicht besonders erfolgreich.

190 Betriebe saniert

Inzwischen hat die landwirtschaftliche Forschungsanstalt Agroscope ein Verfahren entwickelt, mit dem man das Bakterium eindeutig nachweisen, einfach in Schach halten und nachhaltig eliminieren kann. Mit diesem Verfahren gelang es, 190 Betriebe im Tessin innerhalb von sieben Monaten zu sanieren. Von rund 3500 Kühen waren anfänglich 343 infiziert, nach sieben Monaten waren es noch 24 (0,8 %), nach 19 Monaten lag die Zahl der infizierten Tiere bei Null.

«Gerade für die Alpen wäre es ein Gewinn, aber die Kosten sind hoch.»

Reto Burkhardt, Schweizer Milchproduzenten

Weltweit einzigartig

Die Zellzahl in der Tankmilch der sanierten Betriebe sank deutlich. Da von Anfang an klar war, dass das Projekt nur erfolgreich sein kann, wenn es gelingt auch die Alpen GTB-frei zu halten (schliesslich verbringen jedes Jahr an die tausend Kühe der sanierten Betriebe den Sommer auf der Alp), wurde eine obligatorische GTB-Kontrolle vorder Alpauffahrt eingeführt. Nur noch GTB-freie Kühe dürfen auf die Alp.

Die Sanierung war möglich dank eines Tests, der nicht den Erreger, sondern eine bestimmte Gensequenz aufspürt. (mehr zum neuen Test von Agroscope lesen Sie hier) Dieser Test ist dreimal günstiger als die bisherigen und wesentlich zuverlässiger. Die Probenahme kann zudem von jedem Melker, jeder Melkerin selbst durchgeführt werden, während die bisherigen Tests auf tierärztlich geschultes Personal angewiesen waren. Auch die restlichen Schritte des 5-stufigen Sanierungsprogramms sind praxistauglich:

  • Der erste Schritt besteht im Testen der Tankmilch auf Staphylococcus aureus GTB mit dem oben erwähnten Test. Ist die Probe GTB-positiv, werden alle Kühe untersucht und in eine von drei Gruppen eingeteilt: GTB-frei, GTB-Status noch unklar, GTB-infiziert.
  • Die GT-freien Kühe werden immer zuerst und die GTB-infizierten zum Schluss gemolken. Zudem muss die Melkanlage zweimal täglich vollständig nach Angaben des Herstellers (!) gereinigt werden.
  • Die Melkreihenfolge wird jeden Monat angepasst, nachdem die infizierten und behandelten Kühe, sowie jene mit unklarem Status, erneut getestet wurden.
  • Für die Therapie der GTB-positiven Kühe wird Antibiotika auf der Basis von Vollgenomanalysen verwendet.
  • Therapieresistente Tiere werden ausgemerzt. Die Sanierung ist abgeschlossen, wenn jede Kuh zweimal hintereinander GTB-frei ist.

«Die Laborkosten betrugen Fr. 1100.– pro Betrieb im ersten, später Fr. 47.– pro Jahr.»

Hans-Ulrich Graber,Agroscope

Verkannte Sensation

Mastitis ist die häufigste Ursache für den Antibiotikaeinsatz in der Milchviehhaltung und einer der Hauptgründe für die Schlachtung von Kühen im laktationsfähigen Alter. Was Agroscope-Mitarbeiter Hans-Ulrich Graber und seine Doktorandin Carlotta Sartori entwickelt haben, ist im Grunde genommen eine Sensation. Trotzdem las man in den Landwirtschaftsmedien bisher kaum etwas darüber, schon gar nicht auf der Website der Schweizer Milchproduzenten (SMP).

Diskussion über Kosten

Bei den SMP zweifelt man zwar nicht am Nutzen einer Sanierung, sagt Mediensprecher Reto Burkhardt auf Anfrage. «Darum hat die SMP das Projekt auch von Anfang an unterstützt, mitfinanziert und die Resultate an ihre Mitglieder verbreitet. Gerade auch für die Alpen und deren Milchverarbeitung wäre es ein Gewinn.» Er weist aber darauf hin, dass die Kosten der Sanierung hoch seien.

Hans-Ulrich Graber kontert: «Im Tessin lagen die Laborkosten pro Betrieb und Jahr erst bei 1100 Franken, die nachfolgende Herdenüberwachung mit drei bis vier Tankmilchuntersuchungen pro Jahr fällt mit gegenwärtig 47 Franken pro Betrieb und Untersuchung kaum mehr ins Gewicht.» Im Preis inbegriffen ist eine massiv verbesserte Eutergesundheit und dass das Problem von Staphylococcus-aureus-bedingten Lebensmittelvergiftungen durch Rohmilchprodukte gelöst ist.

Alle müssten mitmachen

Den SMP gehts aber nicht nur um Geld, sondern dass sich die Bauern nicht über den Weg trauen. Burkhardt: «Wenn einzelne Produzenten nicht mitmachen, würden einmal sanierte Herden beim Auftrieb wieder neu infiziert.» Das würde neues Testen erfordern und erneut Kosten verursachen. Umgehen könnte man das Burkhardts Meinung nach nur «mit einer gesetzlichen Verpflichtung, jede Kuh zu testen und bei positivem Befund konsequent zu sanieren».

Wer Hilfe für eine Alpsanierung sucht, kann sich an Hans-Ulrich Graber wenden: hansulrich.graber(at)agroscope.admin.ch