Auf vielen Alpbetrieben geben die Kühe gegen Ende des Alpsommers weniger Milch, weil sie bald galt gehen. Dort sind oft auch die Weidewege zum Stall lang und steil. Das dachten sich auch einige Bündner Bauern wie Andreas Melchior aus Andeer, die ihre Kühe zusammen auf die Genossenschaftssalp Albin bringen. Insgesamt sind dort 80 Kühe und der längste Weideweg ist 1,5 km lang.
Ein neuer Ansatz
So erklärten sie sich einverstanden, beim Projekt der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) mitzumachen, in dem es darum ging, die Kühe Ende Sommer nur noch einmal täglich zu melken (kurz ETM). Das Projekt dauerte vier Jahre und die Älplerinnen, welche von den Genossenschaftern angestellt werden, sind vom Projekmitarbeiter und Beratern des Plantahofs eng begleitet worden.
Andreas Melchior sagt, diese Erfahrung mit ETM sei interessant gewesen. «Klar ist, dass die Kühe dadurch etwas weniger Milch geben, aber weniger Käse gab es dadurch nicht dementsprechend», sagt der Bauer. Der Gehalt in der Milch ist also gestiegen. Zudem mussten die Kühe nur noch einmal am Tag zum Stall fürs Melken zurückgehen. Dies schont die Kühe und die Älpler, die in dieser Zeit etwas anderes machen können. In einem Merkblatt fasste die HAFL alle Vor- und Nachteile sowie weitere Erkenntnisse aus dem Projekt fürs ETM zusammen (hier gehts zum ganzen Merkblatt).
System war bis 2020 verboten
Das Abliefern von Milch von Kühen, die nur einmal am Tag gemolken werden, war bisher laut Milchhygieneverordnung verboten. Im Sommer 2020 wurde diese jedoch angepasst, und ETM ist seither legal. Um die Milchproduzenten über Chancen und Gefahren dieses Systems aufzuklären, hat die HAFL ein Merkblatt erstellt. Wir stellen hier einige Punkte daraus vor.
Was sind Gründe die für ETM sprechen?
Die Kühe werden geschont, bei langen und anstrengenden Weidewegen, entlegene Weidestellen werden besser abgefressen, bei Trockenheit oder einem anderen Engpass können die Älplerinnen das Futterangebot besser lenken.
Zudem können die Älpler die freiwerdende Zeit besser für andere Arbeiten wie die Käsepflege oder auch zur Erholung nutzen. Je nach Persönlichkeit kann die Arbeitsmotivation durch die Arbeitsentlastung steigen oder auch sinken, wie im Merkblatt erwähnt.
«Wer Mühe hat mit weniger Arbeit, sollte sich die Zeit unter ETM bewusst (vorher) neu organisieren.»
Käsen ist schwieriger mit ETM
Das System ETM birgt neben vielen Vorteilen auch einige Risiken, wie die Studie zeigt.
- Einbusse bei der Milchleistung: kann je nach Tier, Laktationsstadium und Futtersituation unterschiedlich hoch ausfallen.
- Starker Anstieg der Zellzahlen: Wenn die Zellzahlen zu stark steigen, wird dadurch die Verarbeitung erschwert und führt schlimmstenfalls zu verminderter Produktequalität.
- Mehr Euterentzündungen: speziell bei Tieren mit bereits hohen Zellzahlen.
- Milchgerinnung: wird verschlechtert
- Bei bereits tiefer Milchleistung: können Einzeltiere je nach Trächtigkeitsstadium früher galt gehen.
Die besondere Herausforderung im Projekt war laut Andreas Melchior die Käseherstellung. Dies liege aber vorallem daran, dass die Milch von altmelken Kühen generell schlechter verkäst werden könne. Mit ETM verschärfe sich dies.
Beim Käsen höher brennen
Auf der Bündner Alp wird normalerweise hauptsächlich Halbhartkäse hergestellt. Gegen Ende Sommer empfielt aber der Landwirt, wie auch das Merkblatt, die Brenntemperatur (bis 47 Grad bei Bündner Alpkäse) zu erhöhen und länger auszurühren oder gar einen Hartkäse herzustellen. ETM wird von den Merkblatt-Autoren auf Alpen nur am Ende des Sommers und mit sehr gutem, erfahrenem Alppersonal empfohlen.
Für Andreas Melchior war der Milchrückgang seiner Kühe kein Problem, da die Milch direkt auf der Alp verarbeitet wird, hatte er dementsprechend einen höheren Milchpreis.
«Ich verstehe nicht, warum nicht mehr Bauern ihre Kühe sömmern», sagt der Landwirt.