Margrit und Jürg Schärer sind umringt von vielen kleinen, schneeweissen Gitzi. Die neugierigen Saanen-Gitzi springen auf eine Kiste, um an ihren Fingern zu saugen, knabbern an ihren Kleidern und springen an Schärers hoch. Margrit und Jürg lieben ihre Gitzi, dies auch im Wissen, dass schon bald ein Teil davon in der Metzgerei landet. Löst der Abschied traurige Gefühle aus? «Unsere 88 Geissen haben dieses Jahr fast 180 Gitzi geworfen – aber alle können wir unmöglich behalten», antwortet Margrit Schärer auf diese Frage ruhig, aber entschieden.

100 Franken pro Schlachtgitzi

Ende Januar haben bereits Schärers erste Geissen geworfen und bis Mitte März wird «gegitzlet». Jürg Schärer führte bereits viele schlachtreife Jungtiere mit dem Viehanhänger zum Metzger in Rothenburg LU, welcher sie zum Proviande-Wochenpreis kauft. «Rund hundert Franken lösen wir so pro Gitzi», weiss Jürg Schärer. Schärers verkaufen aber auch das Fleisch von rund einem Dutzend direkt ab Hof, jeweils als halbes oder ganzes Tier. Und ein Teil der weiblichen Gitzi wird aufgezogen, ausgewählt von Margrit und Tochter Nicole. Neben den Saanenziegen halten Schärers auch noch wenige Gemsfarbige Gebirgsziegen und einige Walliser Schwarzhalsziegen. «Von den Schwarzhals-Geissen verkaufen wir die Gitziböcke zur Zucht», erklärt die begeisterte Geissenbäuerin. Schongau auf dem Lindenberg zwischen den Kantonen Aargau und Luzern liege für Züchter im Mittelland eben näher als das Wallis, weiss sie.

Projekt Milchgeissen

Schon als kleines Mädchen hielt Margrit Schärer Ziegen. Vor 22 Jahren startete sie mit einer kleinen Saanenziegen-Zucht im Kanton Zürich und vor 19 Jahren kaufte das Paar Haus und Scheune mit wenig Umschwung mitten im Dorf Schongau LU. Den prächtigen Ausblick vom Hügelzug auf 680 Meter über Meer gab es gratis dazu. Margrit stieg in die Ziegenmilchproduktion ein, das Paar pachtete Landwirtschaftsland dazu und bewirtschaftet heute zwölf Hektaren. Allmählich kamen die Kinder Benno, Peter, Nicole und Lars dazu. Die Kinder waren schon von klein auf oft und gerne bei den Geissen, der älteste Benno hat sogar Landwirt gelernt. Heute arbeitet der Nachwuchs zwar auswärts in den jeweiligen Berufen, aber alle helfen begeistert mit, wenn es nötig ist und sie Zeit haben. «Unser Hof funktioniert als Familienprojekt», erzählt Jürg. Er ist Maschinenmechaniker und arbeitet in diesem Beruf auswärts.

Fütterung auf Knopfdruck

Der Stall ist unterteilt in die Abteile für Rindvieh, Milchziegen und Gitzi. Drei Ziegenböcke freuen sich in ihrem Stall-Abteil auf die nächste Decksaison. Im Geissenstall beginnt die Fütterung. Jürg drückt ein paar Knöpfe und schon fällt erstklassiges Belüftungsheu auf ein Förderband im Geissen-Laufstall. Jürg steuert das Band vorwärts, von oben fällt mehr Heu auf das Band, die Futterreste fallen am Ende auf den Boden.

Weil Geissen wählerisch sind, fällt relativ viel aussortiertes Futter an. Diese Resten werden an drei Kühe und zwei Rinder verfüttert. Die Milch dieser Kühe wird im Tränkeautomaten mit Milchpulver gemischt. «Nach der Geburt erhalten die neugeborenen Gitzi die Biestmilch ihrer Mütter und anschliessend bringen wir ihnen bei, am Automaten zu saugen» erklärt Margrit Schärer. Tochter Nicole verteilt im Melkstand Mineralstoff und Kraftfutter in die Schalen vor den zehn Melkplätzen und lässt dann die erste Gruppe in den Melkstand. Die besten Geissen geben bis zu 3,8 Liter Milch pro Gemelk, erzählt Margrit. «Seit einiger Zeit haben wir unser Zuchtziel von 1500 bis 1800 Kilo Milch je Vollabschluss erreicht», betont sie zufrieden beim Melken.

Milch wärmt Schwimmbad

Die Geissenmilch, rund 80 Tonnen im Jahr, liefern Schärers an fünf verschiedene Käsereien. Weil die Käsereien auch während der Galtzeit, welche von November bis Februar dauert, Ziegenmilch wollen, frieren Schärers je nach Liefermenge einen Teil der Milch ein. Schärers haben dafür Kühlzellen auf dem Hof eingerichtet. Und der Clou daran ist: Mit der Abwärme der Kühlzelle heizt Jürg Schärer das Schwimmbad der Familie auf! So profitiert Familie Schärer auch in ihrer Freizeit von der Geissenzucht.

Weitere Informationen: www.geissegade.ch