Haben Sie Hanf schon einmal in Verbindung mit Lebensmitteln gebracht? Wahrscheinlich geht es Ihnen wie mir und viele werden die Frage mit Nein beantworten. Auch Emanuel Schütt kam erst vor fünf Jahren mit einem hanfigen Lebensmittel in Kontakt. Ein Kollege brachte Hanföl aus Slowenien mit. Emanuel Schütt, Adrian Hirt und Carlo Weber waren der Meinung, dass man auch Schweizer Hanföl produzieren kann. Sie begannen zu recherchieren, was die Hanfnuss so alles kann und waren von der «Tausendsassa»-Pflanze, wie sie Schütt nennt, so begeistert, dass sie entschieden, den Speisehanf zurück auf die Schweizer Äcker zu bringen. Das war im Frühjahr 2017.
Graubünden ist prädestiniert
«Weil es Frühling war, musste alles ziemlich rasch gehen. Also suchten wir Produzenten im Bündnerland, die für uns Hanf anbauen», erzählt Schütt. Hanf und Graubünden, das gehöre einfach irgendwie zusammen, fährt er fort. Bis in die 1930er-Jahre war der Hanfanbau im Bündnerland weit verbreitet. Man brauchte die Fasern zur Strick- und Kleiderherstellung. «Fast jedes Dorf hat einen Hanfweg», weiss Schütt. S-chanf hat das Wort sogar im Dorfnamen.
Von der Idee, Schweizer Hanf auf den Teller zurück zu bringen, liessen sich weitere Personen begeistern. Im Herbst 2017 gründeten Emanuel Schütt, Mia Engi, Adrian Hirt, Nicolas Müller, Rebecca Clopath, Carlo Weber, Martin Luchsinger und Christian Neuenschwander die AlpenPionier AG. Die AG kauft den Bauern den Hanf ab und lässt ihn zu Öl, Pulver, Nudeln, Tee und Seife verarbeiten. Geröstete Hanfnüsse können als «KinoHanf» gekauft werden. Sogar ein Kochbuch mit Hanfrezepten, entwickelt von Rebecca Clopath, kann man auf der Homepage bestellen.
Als würde man Kopfsalat rauchen
Gestartet ist die AlpenPionier AG mit einer Anbaufläche von 8 ha. Dieses Jahr sind es bereits 60 ha, davon 23 ha in Graubünden. 33 Biobetriebe bauen für die AlpenPionier AG Speisehanf an. Einer von ihnen ist Andreas Vetsch aus Werdenberg SG. Zu den Gründen, warum er mitmacht, sagt er: «Hanf ist eine Sommerkultur und für uns passend, da wir sonst viele Winterkulturen anbauen wie Wintergetreide und Raps. Mit Sommerkulturen können wir indirekt die Unkrautflora reduzieren.» Ausserdem habe er das innovative Start-Up-Unternehmen unterstützen wollen, «weil es am Anfang nie einfach ist, Produzenten zu finden, die sich auf so eine Kultur einlassen».
Eine grosse Schwierigkeit, gibt Vetsch zu, ist das fehlende Wissen rund um Körnerhanfanbau. Vieles musste einfach ausprobiert werden. Vetsch baut 1,5 ha der Körnerhanfsorte Finola an. Bei Lebensmittelhanf wurde der THC-Gehalt auf unter 0,2 Prozent gezüchtet. «Man kann unseren Hanf zwar rauchen, die Wirkung wäre allerdings gleich berauschend, wie wenn man Kopfsalat rauchen würde», schreibt die AlpenPionier AG auf ihren Plakaten beim Feldrand. Optisch erkennt man keinen Unterschied zum Cannabis-Hanf.
Hanf ist ein Bodenverbesserer
Emanuel Schütt weist darauf hin, dass Hanf eine willkommene Auflockerung in der Biofruchtfolge ist. «Hanf ist ein guter Bodenverbesserer, Fruchtfolge neutral und selbstverträglich.» Das Feld in Chur wurde mit einer Getreidesämaschine gesät. Der Reihenabstand beträgt auf der Hälfte des Feldes 12,5 cm und auf der restlichen Fläche versuchsweise 60 cm. Auf dieser Teilfläche kann das Unkraut bis zu einer gewissen Grösse mit dem Maishackgerät gehackt werden. Die grössten Schwierigkeiten bereite das Dreschen, so Schütt. «Weil der Hanf starke Fasern hat, haben viele Lohnunternehmer Angst, dass der Mähdrescher kaputt geht.»
Nach dem Dreschen werden die Nüsse sofort in eine Sammelstelle transportiert, wo sie auf 7 Prozent Feuchtigkeit getrocknet werden. Das ist wichtig, damit es nicht zur Gärung kommt. Ab der Sammelstelle übernimmt die AlpenPionier AG die Hanfkörner. Sie werden zuerst tiefgefroren (aus hygienischen Gründen) und dann chargenweise bei verschiedenen Partnern zu den Hanfprodukten verarbeitet. Die AlpenPionier AG zahlt ihren Produzenten 4.30 Fr. pro Kilo getrocknete Hanfnüsse. Laut Schütt sind Erträge zwischen 1,5 bis 2 Tonnen pro Hektare möglich.
Das Gesündeste, das es gibt
Die AlpenPioniere haben eine Vision. «Wir wollen, dass Hanf wieder in allen Tälern und Regionen in der Schweiz wächst und es in jedem Haushalt Schweizer Hanfprodukte gibt», macht Schütt deutlich. Die Akzeptanz für Lebensmittelhanf steige, stellt er fest. Auch die Grossverteiler haben immer mehr Hanfprodukte im Sortiment, bisher vor allem ausländische.
Das wollen die AlpenPioniere ändern und sind damit auf gutem Kurs. Seit Anfang Juli können ihre Produkte neu in 30 Coop-City-Warenhäusern gekauft werden. Ansonsten vertreiben die AlpenPioniere ihre Produkte über den eigenen Onlineshop und bei mittlerweile über 100 Wiederverkäufern wie Reformhäusern, Drogerien und Feinkostläden in der ganzen Schweiz.
Benachteiligung bei den Direktzahlungen
Anfang Juli sprach die Bündner Regierung einen Unterstützungsbeitrag von 390'000 Franken für das innovative Jungunternehmen für die Jahre 2019 bis 2021. Alles bestens, könnte man meinen. Aber Emanuel Schütt und Carlo Weber, der an jenem Morgen auch vor Ort ist, nennen einen Wermutstropfen. Sie stören sich daran, dass Hanf nicht als direktzahlungsberechtigte Kultur anerkannt ist.
«Wir sind damit schon 2017 ans Bundesamt für Landwirtschaft gelangt. Sie sind jetzt gefordert eine mehrheitsfähige Lösung zu erarbeiten. Dieses Thema scheint nun intensiv diskutiert zu werden», hält Weber fest. In Schütts und Webers Augen hätte Hanf ganz klar Anspruch auf den Einzelkulturbeitrag für Körnerleguminosen bzw. Soja (1000 Franken) oder zumindest den Ölsaatenbeitrag (700 Franken). «Es gibt kein Argument, das gegen die Beitragsberechtigung spricht», stellt Schütt klar.
Auch Biobauer Andreas Vetsch stört sich sehr am agrarpolitischen Umfeld, das den Körnerhanfanbau erschwert: «Das Fürstentum Liechtenstein und der Kanton Graubünden gleichen die fehlenden Beiträge mit kantonalen Unterstützungen aus. Wir St. Galler erhalten nichts», ärgert er sich. Die Lösung wäre gemäss Vetsch einfach: «Hanf müsste nur als Hauptkultur wie andere Körnerfrüchte anrechenbar sein.»