Es war ein bewegendes Jahr, auch fürs Nervenkostüm. In den letzten Wochen gab es noch einmal reichlich Gelegenheit, sich ein wenig aufzuregen. Auf allen Kanälen und im Parlament wurde die Landwirtschaft als subventionierter Dinosaurier beschrieben, der seit Jahrzehnten stagniert und dem Untergang geweiht ist. Das vielleicht ärgerlichste Beispiel für diese Tonalität war die SRF-Sendung «Netz Natur». Der 50-minütige Werbespot für die Trinkwasser-Initiative triefte nur so vor Schwarz-Weiss-Denken und realitätsfremden Heidifantasien. Damit sei nichts gesagt gegen die porträtierten Betriebe. Sie machen allesamt sehr gute Arbeit, auch in der Vermarktung, tragen aber in ihrer Gesamtheit nicht einmal im Promillebereich zur Landesversorgung bei. Und daran dürfte sich auch wenig ändern.

Keine Rede von Stillstand

Schauen wir noch einmal kurz zurück. Erstens steckt die Landwirtschaft seit den frühen 1990er-Jahren in einem permanenten Umbauprozess. Das Direktzahlungs-System ersetzte die Stützung via Preise. Diese Bundesstützung ermöglicht es den Konsumenten, Lebensmittel zu erwerben, deren Kosten durch den Verkaufspreis nicht gedeckt sind. Gleichzeitig sind sie seit Langem und in zunehmendem Mass an ökologische Aufwendungen gebunden. Derweil verkleinert der Gesetzgeber den zur Verfügung stehenden Werkzeugkasten im Bereich Hilfsstoffe, da er sich bei der Zulassung in Sachen Umweltverträglichkeit offenbar getäuscht hat. Die oft im Jahresrhythmus eintreffenden neuen Vorschriften setzen die Produzenten unter hohem Preisdruck und unter genauer Beobachtung der Gesellschaft nach bestem Wissen und Gewissen um. Von einem Stillstand kann deshalb keine Rede sein.

Zweitens hat die Landwirtschaft soeben unter Beweis gestellt, dass sie krisentauglich ist. In Windeseile hat sie auf Einschränkungen reagiert und gleichsam über Nacht neue Vermarktungsformen erfunden. Diese Flexibilität war keineswegs auf Bio- oder Permakultur-Betriebe beschränkt, wie uns Umweltverbände und selbst ernannte Visionäre weismachen wollen. Das Publikum honorierte die Anstrengungen der Urproduzenten unabhängig von Labels. Hofläden waren ausverkauft und die Lebensmittel-Umsätze konnten markant gesteigert werden. Produzierende Landwirtschaft sei Dank.

Seit Jahrhunderten nachhaltig

Stichwort produzierende Landwirtschaft: Wenn das Corona-Jahr 2020 etwas gezeigt hat, dann die Vorteile eines gewissen Niveaus der Inland-Produktion. Die Welt wird in Krisen egoistischer. Das gilt auch für die Nahrungsmittelversorgung. Diese war zum Glück durch das Virus nur wenig tangiert, aber die künftigen Herausforderungen dürften ganz andere Kaliber sein. Der Klimawandel wird dazu führen, dass die Fläche pro Mensch, Wasser und letztlich die Kalorien knapper werden. Vor diesem Hintergrund ist es fahrlässig, ein Schweizer Ökoparadiesli zu errichten und gleichzeitig auf ausreichende Versorgung aus dem Ausland zu hoffen. Ennet der Grenze gelten nämlich dieselben Natur- und Marktgesetze.

Damit sei kein Wort gesagt gegen Nachhaltigkeit in der Produktion. Darauf sind die Bauern ebenfalls seit Jahrhunderten spezialisiert. Wer etwas auf sich hält, will seinen Betrieb in besserem Zustand übergeben, als er ihn vorgefunden hat, natürliche Lebensgrundlagen inbegriffen. Nachhaltige Produktion bedeutet aber nicht flächendeckende Umstellung auf Gnadenhof, krumme Rüebli für Tolerante und durchgängigen Haferanbau für Milchersatz-Drinks. Im Biolandbau benützt man für die bevorstehende Herausforderung den intelligenten Begriff Ökologische Intensivierung. Das heisst, die Produktion soll hochgehalten oder gesteigert werden, die Methoden müssen aber angepasst werden, um die Produktionsfaktoren wie Boden, Wasser und Nutztiere vor negativen Einflüssen zu schonen.

Die Fortschritte vermarkten

Auch dieser Prozess der technischen Verbesserungen auf allen Ebenen ist längst im Gang. Man entwickelt neue tierfreundliche Haltungssysteme, bodenschonende Anbauverfahren, nachhaltige Fruchtfolgen mit reduziertem Pflanzenschutzeinsatz, usw. In vielen Bereichen ist die Schweiz hier pionierhaft unterwegs. Und was den Antibiotikaeinsatz angeht, ist die Tiermedizin der Humanmedizin weit voraus. Dass reduziert wird, ist richtig und wichtig. Es mutet einfach etwas grotesk an, wenn der Landwirtschaft permanent vorgeworfen wird, Fortschritte zu blockieren und Umweltziele zu missachten, die in kleinen Schritten erfüllt werden. Weitere kontinuierliche Anstrengungen in Richtung nahhaltige Produktivität sind nötig, aber es braucht keine Hauruckverfahren, wie sie die beiden Pflanzenschutz-Initiativen anstreben.

In einem halben Jahr – nach der Abstimmung zu den Pflanzenschutz-Initiativen – werden wir wissen, wie die Bevölkerung die aktuelle Lage einschätzt. Es ist zu befürchten, dass im Frühjahr ein hässlicher Abstimmungskampf bevorsteht. Die Befürworter werden nach Kräften versuchen, die Polarisierung zu verstärken und die «konventionelle» Landwirtschaft als rückständig an den Pranger zu stellen. Deshalb wird es wichtig sein, die gemachten Fortschritte zu vermarkten und auch Bereitschaft zu signalisieren, dass man daran weiterarbeiten will.

Die besten Botschafter dafür sind Sie als Produzenten und Produzentinnen. Ich wünsche Ihnen für 2021 viel Kraft, gute Preise, interessante Gespräche mit Konsumenten, Gesundheit, Glück in allen Lebenslagen und vor allem ein stabiles Nervenkostüm!