Er habe in den letzten Tagen viele Reaktionen bekommen, sagt Markus Kretz, Präsident des Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverbandes (LBV). Viele Bauern seien nicht einverstanden, dass der Kanton die Luzerner Landwirtschaft umkrempeln wolle, Kichererbsen statt Kühe und Soja statt Schweine gewünscht seien, wie es in Zeitungsberichten von CH-Media hiess. Am 6. September veröffentlichte der Kanton Luzern den Bericht zur Offensive Spezialkulturen. Die BauernZeitung fragte nach bei Projektleiter Thomas Meyer von der Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa).
Haben sich schon interessierte Bauern gemeldet, die «Kirchererbsen statt Kühe» wollen, wie die «Luzerner Zeitung» titelte?
Thomas Meyer: Diese Schlagzeile wird dem Projekt und der dahinter liegenden Strategie in keiner Art und Weise gerecht: Die Bedeutung der Tierhaltung wird für die Landwirtschaft im Kanton Luzern auch in Zukunft sehr hoch bleiben. Um für die zukünftigen Anforderungen an eine moderne und nachhaltige Tierhaltung gerüstet zu sein, sind umfassende Vorhaben und Projekte in Bildung und Beratung vorgesehen. Als ergänzendes Element in der Strategie wird der Ausbau von Spezialkulturen gefördert, weil diese ein Marktpotenzial haben und zur Klimastrategie passen.
Beim BBZN haben sich in letzter Zeit vermehrt Landwirtinnen und Landwirte für Spezialkulturen und Spezialitäten im Ackerbau interessiert. Diese unterstützen wir jetzt schon, indem wir ihnen unser Wissen und unsere Erfahrung zur Verfügung stellen und entsprechende Kontakte vermitteln.
«Das Projekt zielt nicht auf den Abbau des Tierbestandes im Kanton.»
Thomas Meyer wehrt sich gegen entsprechende Missverständnisse.
Es geht also nicht um eine «Umkrempelung der Landwirtschaft»?
Keineswegs! Wir möchten jedoch aufzeigen, dass bereits heute und insbesondere zukünftig mit der Klimaveränderung Kulturen angebaut werden können, die auf dem regionalen Markt eine steigende Nachfrage haben und eine gute Wertschöpfung bieten. Wir versuchen, mit optimalen Rahmenbedingungen hinsichtlich Raumplanung und Wasserspeicherung die Grundlagen zu schaffen, damit das Potenzial, welches auf der Nachfrageseite vorhanden ist, erschlossen werden kann. Dies soll insbesondere auch denjenigen Betrieben von Nutzen sein, welche bereits heute erfolgreich Spezialkulturen anbauen.
Ein Reizwort für die Luzerner Bauern ist der Abbau von Tierbeständen...
Die hohe Professionalität und Produktivität unserer Tierhaltungsbetriebe ist ein Erfolgsfaktor im Kanton Luzern. Um diese Stärke beneiden uns andere Regionen. Zusammen mit den vor- und nachgelagerten Betrieben zur Landwirtschaft wollen wir in der Tier- und Pflanzenproduktion auch in Zukunft zu den schweizweit Besten gehören.
Gemäss dem Luzerner Planungsbericht Klima- und Energiepolitik 2021 müssen im Sektor Landwirtschaft die Treibhausgasemissionen bis 2050 aber halbiert werden. Nach heutigem Kenntnisstand können rund die Hälfte durch produktionstechnische Massnahmen realisiert werden (d.h. wie wir etwas produzieren) und die andere Hälfte durch Umstellungen der landwirtschaftlichen Strukturen (d.h. was wir produzieren). Das Projekt «Offensive Spezialkulturen» zielt nicht auf den Abbau des Tierbestandes, sondern soll Alternativen zur Tierhaltung mit guter Wertschöpfung aufzeigen. Eine Verschiebung von tierischen zu pflanzlichen Produktionsschwerpunkten soll gemäss Planungsbericht im Gleichschritt zu den veränderten Ernährungsgewohnheiten unserer Bevölkerung erfolgen. Hier müssen vom Markt klare Signale kommen, dann passt sich auch die Produktion an.
Wie geht es nun weiter?
Interessierte Landwirtinnen und Landwirte können sich beim Team Spezialkulturen BBZN Hohenrain melden. Wie im Bericht erwähnt, fördern wir die Spezialkulturen und Spezialitäten im Ackerbau auf verschiedenen Stufen. Landwirtinnen und Landwirte erhalten einen vergünstigten Zugang zu Beratungsleistungen für Spezialkulturen und Spezialitäten im Ackerbau von Fachpersonen. Sogenannte Leuchtturmprojekte im Bereich von neuen Kulturen oder Innovationen werden finanziell unterstützt. Dabei liegt der Fokus auf der Nachhaltigkeit. Auch können finanzielle Unterstützungen für Aktivitäten entlang der gesamten Wertschöpfungskette gemacht werden. Wichtig ist, dass wir nur Fördermittel einsetzen werden, wo auch heute bereits ein Markt, also eine Nachfrage vorhanden ist.
Das steht im Bericht «Luzerner Offensive Spezialkulturen»
Mit dem Bericht «Offensive Spezialkulturen» hat der Kanton Luzern mit Hilfe einer Marktanalyse und einer anschliessenden Standortanalyse das Potenzial an Spezialkulturen und Spezialitäten im Ackerbau untersucht. In der Begleitgruppe des Projekts waren auch die Fachverbände vertreten, so aus dem Gemüsebau, Obst- und Beerenbau, Weinbau und auch der Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband.
Chancen aufzeigen
Das Projekt «Offensive Spezialkulturen», wozu der Bericht am 6. September publiziert wurde, soll Chancen aufzeigen, wie die Luzerner Landwirtschaft sich aufgrund der klimatischen Veränderungen anpassen kann. Spezialkulturen mit ihrem hohen Wertschöpfungspotenzial könnten auch als echte Alternative zur Tierhaltung in Betracht gezogen werden. Bisher werden Spezialkulturen im Kanton Luzern lediglich auf zwei Prozent der Nutzfläche angebaut und machen sechs Prozent des Produktionswertes aus. Die Tierhaltung trägt 70 Prozent und der Futterbau neun Prozent zum Produktionswert der Landwirtschaft bei. In den letzten Jahrzehnten sei im Kanton ein Cluster «Schweineproduktion» aufgebaut worden, was die Branche begünstige. Ziel sei nun auch die Bildung eines Clusters «Spezialkulturen». Dieser soll die ganze Wertschöpfungskette einschliessen, mit Partnern für die Verarbeitung, Vermarktung und mit der Beratung. Am BBZN Hohenrain soll ein Kompetenzzentrum für Spezialkulturen und Spezialitäten im Ackerbau entstehen. Etwa mit Demoflächen und Anbauversuchen auf dem Gutsbetrieb. Das Thema Spezialkulturen soll zudem in die Grundbildung aufgenommen werden.
Markttrends zeigen den Weg
Zur Ermittlung des Marktpotenzials wurden 23 Interviews mit Experten aus Industrie und Handel geführt. Sie wiesen auf folgende Trends als Treiber des Marktes hin: pflanzliche Ernährung, Regionalität, Nachhaltigkeit, Bioproduktion und gesundheitsbewusste Ernährung. Jene Kulturen, die aufgrund der Marktanalyse ein hohes Potenzial aufweisen, wurden in der Standortanalyse weiter untersucht. Für zwölf Kulturen, unter anderen Soja, Kichererbsen, Süsskartoffel, Braugerste oder Hopfen, wurde die Eignung an verschiedenen Standorten untersucht.
Auch für (Bio-) Beeren, regionales Tafelobst, Bioobst und Mostobst für Spezialitäten, Baumnüsse und Haselnüsse, Gemüse und Wein sei die Nachfrage steigend.
Vorschriften lockern
Fabian Peter, Regierungspräsident und Vorsteher des zuständigen Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartementes wies in der Medienmitteilung als Auftraggeber der Offensive darauf hin, dass es auch die richtigen Rahmenbedingungen brauche und ein Markt vorhanden sein müsse. Ziel sei ein möglichst regionaler Konsum. Der Kanton setze sich ein für optimale Rahmenbedingungen für die Wasserverfügbarkeit und in der Raumplanung. So soll es künftig einfacher sein, Witterungsschutz, Unterkünfte für saisonale Arbeitskräfte, Kühl- und Lagerräume, Verkaufs-, Degustations- und Eventräume aber auch Wasserspeicher zu erstellen.