Nun ist sie also da, die Botschaft zur AP 22+. Auch die Kantone, die LDK und die Konferenz der Landwirtschaftsämter (Kolas) hatten viel Hoffnung und Energie in den Vernehmlassungsprozess gesteckt, hatte der Entwurf doch noch ziemlich viel Luft nach oben. Vergebens. Die vorgelegte Botschaft ist eine Ernüchterung.
Die Kantone forderten für die Bauernfamilien einen grösseren Anteil der Produzenten am Konsumentenfranken. Die Botschaft sagt dazu «Qualitätsstrategie», bleibt die Substanz jedoch schuldig. Es gibt nicht einmal einen Link zur ausführlichen Beschreibung der Aussenwirtschaftspolitik. Auch Food Waste und die Handelsnormen sind kein Thema. Erfreut kann jedoch festgestellt werden, dass die Grundlagen zu einer verbesserten Innovationsförderung den Weg in die AP 22+ gefunden haben.
Nicht alles was glänzt, ist für die Umwelt auch Gold
Auch die Ideen im Umweltkapitel haben an Klarheit gewonnen, was zwar nicht dem Bundesrat allein zu verdanken, aber trotzdem begrüssenswert ist. Besonders in diesem Kapitel gilt es genau hinzuschauen, denn nicht alles was glänzt, ist für die Umwelt auch Gold wert. Wie die bereits laufenden Arbeiten zu den Verordnungen zeigen, muss hier besonders scharf auf die glaubwürdige Vollziehbarkeit neuer Vorschriften und Instrumente geschaut werden. Weniger könnte hier mehr bedeuten.
Seit Beginn der Diskussionen um die AP 22+ pochen die Kantone auf administrative Vereinfachungen im Vollzug. Und tatsächlich, der Begriff kommt in der Botschaft vor. Was den Kantonen und den Bauernfamilien unter diesem Titel verkauft wird, spottet aber jeder Beschreibung. Da hat wohl jemand die Vorzeichen vertauscht. Im Abschnitt Auswirkungen auf die Kantone kann man beispielsweise lesen: Regionale landwirtschaftliche Strategien (als Voraussetzung für Beiträge für standortangepasste Landwirtschaft): «Für die Kantone ist in der Grundlagenerarbeitung mit einem Mehraufwand zu rechen. Dieser ist temporär und wird hauptsächlich in den Jahren 2022 bis 2025 anfallen.» Wie tröstlich. Der Blick auf die laufenden Pilotprojekte zeigt allerdings einen sehr grossen Mehraufwand. Und wofür? Für 330 Mio Fr. im Jahre 2025, also nicht mehr, als was die im neuen Beitrag zusammengefassten heutigen Beiträge jetzt kosten (S. 201).
Umso dankbarer nehmen die Kantone die Entlastung entgegen, welche der Verzicht der Unterstützung des Altenteils mit IK bewirken wird. Für die Schweiz sind das immerhin 120 Gesuche pro Jahr. Entgegen den Ausführungen (S. 203) werden die Kantone in diesen Fällen nicht einmal mehr die Tragbarkeit überprüfen müssen, denn die Belastungsgrenze wird ja auch gleich abgeschafft.
Ganze Passagen waren nicht in der Vernehmlassung
Bei einem Vergleich der Gesetztestexte der Vernehmlassung und der Botschaft, fällt auf, dass in letzterer ganze Passagen nicht in der Vernehmlassung waren. Das erstaunt. Denn beim Ausmass der Änderungen würde das geltende Recht eigentlich eine zweite Vernehmlassung vorsehen. Noch erstaunlicher ist, dass die Botschaft ganz offen Ergebnisse der Vernehmlassung nicht respektiert, d. h. der Bundesrat hält einfach an seiner Meinung fest und lässt die Mehrheit der Vernehmlassungsteilnehmer staunend zurück. Auch Begriffe ändern sich. So ist plötzlich überall von Land- und Ernährungswirtschaft die Rede, als ob das ein und dasselbe wäre. Der neue Verfassungsartikel 104a rechtfertigt solche pauschalen Änderungen nicht. Gefragt wäre eine differenzierte Betrachtung. Nun ist das Parlament an der Reihe. Selbst bei einer Beschränkung z. B. auf den Umweltteil, wird es ein hartes Stück Arbeit werden, aus der vorliegenden Botschaft eine stimmige Gesetzesvorlage zu machen.