Kaum sind die Wunden geleckt und die Flaschen von der Siegesfeier verräumt, steigen wir in den nächsten Abstimmungskampf. An seiner Delegiertenversammlung präsentierte der Schweizer Bauernverband (SBV) vor einigen Tagen schnaubende Emojis für die Kampagne gegen die Massentierhaltungs-Initiative (MTI).

Fristen dürften Gegenvorschlag verhindern

Derweil mobilisieren die Befürworter der Initiative ihre Kräfte, um in der Wintersession noch einen letzten Anlauf für einen Gegenvorschlag zu nehmen. Dass es so weit kommt, ist eher unwahrscheinlich. Zu klar sind die Kräfteverhältnisse im Parlament, und selbst wenn es Mehrheiten gäbe, dürften die engen Fristen allfällige Gegenentwürfe verhindern. Wahrscheinliches Abstimmungsdatum ist derzeit der September, allenfalls der November 2022.

Das kommende Jahr wird also erneut geprägt sein durch emotionale Diskussionen und Auseinandersetzungen um die produzierende Landwirtschaft. Das Thema Tierwohl ist bekanntlich eines, das auch landwirtschaftsferne Kreise mobilisiert. Zudem bietet sich den Kritikern der Futterimporte eine ideale Bühne, um ihre Botschaft zu verbreiten.

Meinungsgraben quer durch die Landwirtschaft

Erneut wird der Meinungsgraben dabei quer durch die Landwirtschaft verlaufen, der Vorstand der Bio Suisse hat bereits die Ja-Parole beschlossen, während sich die grosse Mehrheit der Produzenten gegen das Volksbgegehren stellen wird. Denn die möglichen Auswirkungen der MTI sind massiv. Laut SBV droht bei der Schweineproduktion ein Rückgang von 50 Prozent, beim Geflügelfleisch wären es gar 80 Prozent.

Die Zeichen stehen also auf Sturm, und trotzdem gibt es ein wenig Hoffnung, dass der Abstimmungskampf nicht derart ausartet wie bei der Auseinandersetzung um die Agrarinitiativen. Das klare Resultat vom vergangenen 13. Juni hat gezeigt, dass die Bevölkerung sehr schwer zu gewinnen ist für Experimente, die alltägliche Selbstverständlichkeiten in Gefahr bringen. Die absehbare Verteuerung von Lebensmitteln und die Zunahme der Importe waren ausschlaggebende Faktoren für das klare doppelte Nein. Diese Argumente lassen sich praktisch eins zu eins auf die MTI übertragen.

Verhältnisse noch klarer als im Pflanzenbau

Beim Fleisch sind die Verhältnisse noch klarer als beim Pflanzenbau, der bei der letzten Ausmarchung stärker im Mittelpunkt stand. Die Schweizer Konsument(innen) bevorzugen einheimische Produktion. Was die Zahlungsbereitschaft angeht, ist man aber nur beschränkt bereit, ans Limit zu gehen. Das zeigt sich unter anderem daran, dass die Labelproduktion nur gut zur Hälfte als solche abgesetzt werden kann. Bei Bio ist der Fleischanteil mit 6 Prozent zudem deutlich geringer als beim gesamten Warenkorb, wo Bio unterdessen bei 11 Prozent angelangt ist. Offensichtlich teilt ein Grossteil der Fleisch essenden Bevölkerung die Ansicht, dass die Standards in der Schweiz genügen, falls sie ihnen nicht sowieso egal sind, wie etwa vielen der Einkaufstouristen.

Diese Standards sind erfreulicherweise keineswegs stagnierend, sondern werden stets den aktuellen Entwicklungen angepasst. Die Beteiligungen an den Tierwohlprogrammen sind hoch, und man reagiert regelmässig auf neue Erkenntnisse. Gerechtigkeitshalber sei erwähnt, dass auch politische Vorstösse wie die MTI dabei eine durchaus berechtigte Rolle als Druckmittel spielen. Bei der Verbesserung des Tierwohls gibt es eine bewährte Arbeitsteilung: Der Bio- und der übrige Labelsektor gehen vor. Sie testen, ob Neuerungen marktfähig sind, und wenn dies der Fall ist, folgt eine Massenbewegung. Gutes Beispiel dafür ist das Ausrollen des grünen Teppichs in der Milchproduktion.

Partnerschaftliche Entwicklung macht Hoffnung

Diese partnerschaftliche Entwicklung zwischen den verschiedenen Produktionsarten ist ein weiterer Hoffnungsträger für den Abstimmungskampf. Alle Beteiligten scheinen schon im aktuellen Stadium darauf zu achten, dass man sich nicht gegenseitig zerfleischt, wie dies leider teilweise der Fall war vor der letzten Abstimmung. Dazu trägt auch bei, dass die Initianten seit Anbeginn den Austausch mit der Landwirtschaft gesucht und gefunden haben. Das war vor allem bei den Trinkwasser-Initianten nicht der Fall.

Die MTI hat bei Erwägung aller Umstände äusserst geringe Chancen für eine Zustimmung. Auf die leichte Schulter nehmen darf man sie keineswegs. Aber es gibt gute Gründe, mit kühlem Kopf in die Abstimmung zu steigen und den Agressionslevel tief zu halten. Der 13. Juni hat gezeigt, dass der Souverän nachhaltig hinter der Schweizer Landwirtschaft steht.