Als Kind hat sicher jeder einmal die Bekanntschaft mit den brennenden Haaren der Brennnessel gemacht. Es ist äusserst unangenehm, wenn sich die sogenannten Kanülen, welche bei der Berührung abbrechen, in uns bohren und das Nesselgift sich ausbreitet. Für die Brennnessel dient diese Taktik als Frassschutz. Für Personen, die an Ischias, Hexenschuss oder gar Rheuma und Arthrose erkrankt sind, eine schmerzlindernde Therapie: Durch Urtikation – das ist ein Auspeitschen mit Brennnesselbüschen – wird die Blutzirkulation angeregt und ein wohltuendes Wärmegefühl erzeugt, das Schmerzen lindert.

Geschätzt wie süsse "Nidel"

Kräuterpfarrer Künzle hat sich dazumal die Frage gestellt, weshalb der liebe Gott dieser Pflanze das Feuer gegeben habe. Und fand folgende Antwort: Als Schutz vor der Ausrottung. Denn die Geschmacks- und Nährstoffe dieser Pflanze sind in der Tierwelt geschätzt wie bei den Menschen die süsse "Nidel". Die Brennnessel wäre schon lange mit Wurzeln und Stiel ausgerottet, wenn nicht ihre Brennhaare sie vor den Tieren schützen würden. Diese hätten die Nesseln schon längst alle gefressen, denn sie wissen mithilfe ihres Instinktes genau, was ihnen guttut.

Die Brennnessel tut auch den Menschen Gutes. Der bekannte Schweizer Heilpraktiker Alfred Vogel vermutete: "Die Brennnessel hat wahrscheinlich deswegen ein schützendes Mäntelchen um, damit der Mensch von ihrem Nutzen und ihren Heilungskräften ebenfalls etwas abbekommt." Allerdings lassen sich heute viele Leute von den brennenden Haaren abschrecken. Nichtwissend, wie gesund und hilfreich die Nesseln sind, werden diese meistens verachtet und als Unkraut vernichtet.

Ein Tausendsassa

Die Blätter der Brennnessel wirken stoffwechselfördernd, entzündungshemmend und bei Fällen von leichter Blutarmut auch blutbildend. Ihre Samen sind vitalisierend und stärken bei Erschöpfungszuständen in den Wechseljahren, während der Genesung und im Wochenbett. Die Wurzel wirkt krampflösend, entzündungshemmend, ausgleichend auf das Immunsystem und hilft im beginnenden Stadium bei einer gutartigen Prostatavergrösserung. Die Brennnessel ist nicht nur gesundheitsfördernd, sondern steuert auch das Ihre zur Schönheit bei. Das machten sich unsere Vorfahren zunutze: Damals spülten die Frauen ihre Haare bis ins hohe Alter mit Brennnesseltee, was zu vollem Haar führte (siehe Rezept im Kasten). Eine Brennnesseltinktur hingegen erfrischt und belebt die Kopfhaut bei Schuppen und Haarausfall.

 

Schönheitskur für die Haare

Haarspülung

  • 20 frische oder 2 EL getrocknete Brennnesselblätter

  • 1 l Wasser

    Zubereitung
    Junge, saubere Brennnesselblätter ernten, dabei nur jeweils die beiden obersten Blattpaare einer Pflanze abzupfen. Brennnesselblätter mit kochendem Wasser übergiessen und etwa 15 Minuten ziehen lassen.

    Anwendung
    Die Spülung nach der Haarwäsche über Haar und Kopfhaut giessen, sanft einmassieren und nicht mehr ausspülen. Das gibt dem Haar Fülle und pflegt es. Ideal für braunes und dunkles Haar, da die Brennnessel dunkel nachfärbt. Etwa ¾ Liter als Spülung verwenden, Rest trinken.

Sogar die Stängel der Brennnessel können verwendet werden. Caesars Truppen stellten aus den faserigen Stängeln Taue und Gewebe her. Im 1. Weltkrieg zahlten deutsche Nesselanbaugesellschaften sogar hohe Prämien für den Anbau. Daraus wurde Unterwäsche für das Heer gefertigt. Gemäss Recherche gibt es heute wieder Stoffe aus Brennnesselfasern, aber leider eher aus importierten Rohstoffen. Schliesslich findet die Brennnessel sogar als Jauche Verwendung. Sie düngt und stärkt Pflanzen.

Schutz vor Dämonen

Kräuterpfarrer Künzle sah nicht nur den Nutzen für die Menschen, sondern auch denjenigen für die Tiere: "Abgekochte grüne und rohe gedörrte Nesseln sind beste Medizin für das Vieh, so dass kluge Bauern alle auffindbaren Nesseln für das Vieh aufspeichern." Die Brennnessel fördere die Produktion von Milch. Für alte und geschwächte Tiere ist das Kraut zur Steigerung der Leistung und Fruchtbarkeit geeignet und sorgt für ein glänzendes Fell. Picken Hühner Brennnesselsamen, kurbelt dies die Legeproduktion an und das Eidotter wird besonders gelb.

Zudem galt die Brennnessel früher als Blitz- und Donnerpflanze und wurde auch als Zauber- und Orakelpflanze genutzt. Sie wurde als Büschel in Ställen aufgehängt, um Dämonen abzuschrecken und zu vertreiben. Sammelte man Brennnesseln am Gründonnerstag und legte sie auf den Dachboden, sollten sie vor Blitzschlag schützen, so der Glaube. Im Mittelalter waren die Brennnesselsamen in Klöster streng verboten, weil man glaubte, dass diese die feurige Liebe fördern würden.

Weibliche Powersamen

Mittlerweile gilt dieses Verbot natürlich nicht mehr und das Sammeln der Samen lohnt sich durchaus. Die Brennnessel ist eine zweihäusige Pflanze. Das heisst, männliche und weibliche Brennnesselsamen reifen auf unterschiedlichen Individuen. Besonders die weiblichen Samen sind ein Powerpaket und können mit dem hochgelobten Superfood Chia-Samen mithalten. Auch die männlichen Samen können geerntet und in Speisen eingebunden werden, jedoch ist umstritten, ob diese die gleiche Wirkung haben wie die weiblichen.

Sammelt man die Samen nach der Blütezeit zwischen August und September, kann man sie auf einem Backpapier an einem luftigen und warmen Ort trocknen lassen, durch ein Sieb abrieseln und in dunklen Gläsern aufbewahren. So hat man das ganze Jahr Samen zur Verfügung. Vor allem in der kalten Jahreszeit, wenn man die Energie besonders nötig hat, kann man diese dreimal täglich über die Speisen streuen oder dem Müesli beimischen. Für einen etwas spezielleren Sonntagszopf können die Samen im Teig beigemischt werden: Das sieht nicht nur toll aus, sondern ist auch gesund.

Kulinarische Bereicherung

Oder warum nicht einmal einen Spinat aus Brennnesseln zubereiten? Man verrät der Familie aber besser erst nach dem Verspeisen, was sie da gegessen haben. Denn viele fürchten das Piksen in den Lippen und winken freundlich ab. Davor müssten sie jedoch keine Angst haben. Die Brennhaare werden durch das Blanchieren, Feinschneiden oder Zerquetschen mit dem Wallholz zerstört. So kann zum Beispiel zum Salat ein Brennnessel-Butterbrot gereicht werden: Hierfür ein paar Blätter ganz fein schneiden, am besten mit dem Wippmesser, mit weicher Butter und etwas Kräutersalz vermischen und aufs Brot schmieren. Fein geschnitten können die Brennnesselblätter wie andere Kräuter zu Quarksaucen, Suppen, Salate oder Smoothies beigefügt werden.

Sehr lecker ist auch ein Brennnesselpesto (siehe Rezept im Kasten). Dieses Pesto lässt sich gut mit verschiedenen Teigwaren und Knöpfliteig mischen, verfeinert bei einem Apéro die Tomaten-Mozzarella-Sticks und schmeckt als Brotaufstrich hervorragend. Ganz ohne die Gäste zu brennen

 

Rezept mit Brennnesseln

Brennnessel-Pesto

  • 1 Handvoll Brennnesselblätter

  • 1 TL Kräutersalz

  • 5 bis 6 EL kalt gepresstes Rapsöl

  • Baumnüsse nach Belieben

    1. Die Zutaten werden alle miteinander gemixt. Anschliessend die Masse ca. 1 Stunde ziehen lassen.

    2. Mit Teigwaren mischen und bei Bedarf mit Baumnüssen, Ringelblume, Kornblumen oder Kapuzinerkresseblüten dekorieren.

Brennnesseln im Moscht-Teig

  • 300 g Vollkorn- oder Urdinkelmehl
  • 3 dl Suure Moscht (statt Bier)
  • 3 Eiweiss
  • Salz, Pfeffer
  • gewünschte Anzahl Brennnesselblätter
  • Rapsöl
  1. Mehl in eine Schüssel geben. Den Suuren Moscht unter Rühren dazugeben bis ein dickflüssiger, glatter Teig entsteht. Mit Salz und Pfeffer würzen. Den Teig ca. 30 Minuten ruhen lassen. Kurz vor Gebrauch Eiweiss mit Salz würzen und schlagen, vorsichtig unter die Teigmasse ziehen.
  2. Brennnesselblätter beidseitig im Teig tunken, anschliessend im Öl goldig braten, auf Haushaltpapier Öl abtropfen lassen und zu einem Stern auf den Teller anrichten (siehe Bild).