Anja und Reto Widmer vermarkten das Fleisch ihrer Limousin- und Angus-Kühe per Mail. Sie haben noch viele weitere Projekte im Kopf, die auf eine Umsetzung warten.

Ein «Pflänzler» unter Kühen

Ein Muhen geht durch die Herde. Wachsam beäugen die Mutterkühe die Besucher, die in einiger Entfernung von ihrem Laufhof stehen. Die Kälber schauen neugierig zwischen den Beinen ihrer Mütter durch. Die bunt zusammengewürfelte Herde aus Limousin-, Angus- und einigen Simmentaler-Kühen ist der Hauptbetriebszweig der Familie Widmer. «Das ist irgendwie lustig. Denn obwohl die Kühe den Grossteil unseres Einkommens ausmachen, bin ich eigentlich nicht der eingefleischte Tierliebhaber», erzählt Reto Widmer und lacht. «Das stimmt, du bist viel eher der ‹Pflänzler›», pflichtet ihm seine Frau Anja bei und schmunzelt ebenfalls.

Die Hälfte wird direkt vermarktet

Doch zu den «Pflänzli» später mehr. Zuerst einmal zurück zu den Tieren: Jedes Jahr werden rund zehn Tiere geschlachtet und als Bio Weidebeef verkauft. Etwa die Hälfte davon geht an die Migros, die andere Hälfte vermarktet die Familie selbst. Dazu haben sich Widmers etwas einfallen lassen. Denn der Betrieb ist zwar wunderschön, aber eben auch abgelegen. «Wir sind in einer Sackgasse. Bei uns führt nicht einmal ein Wanderweg vorbei», sagt Reto Widmer. Der 35-Jährige kannte Verkaufsformate wie kuhteilen.ch, bei denen Interessierte online Teile einer Kuh, eines Schweins oder Lamms kaufen können. Eine solche Vermarktung via Internet schwebte Reto Widmer ebenfalls vor. Als Start schrieb er alle Kontakte in seinem Adressbuch per Mail an. Es schrieben mehrere Interessenten zurück – und blieben als Kundschaft bis heute erhalten. Es habe ein paar Wechsel gegeben, berichtet Widmer; einige würden nicht mehr bestellen, andere seien hinzugekommen.

 

Betriebsspiegel Hof Schür

Name: Reto und Anja Widmer

Ort: Heimiswil BE

Zone: Hügelzone

Fläche: 14 ha, davon 6 Wald

Produktionsart: Biolandbau

Direktverkauf: Hofladen, Heimlieferservice

Viehbestand: 11 Mutterkühe und Jungtiere

Weitere Tiere: 5 Bienenvölker

Kulturen: Gras, Kunstwiese, Urdinkel, Öllein, Wald

Maschinen: Gelenklader Gehl AL240

Traktor: Agrifull Schilter Oldtimer-Traktor, Motormäher, Schleppschlauchverteiler

 

Keine Mischpakete, der Kunde darf wählen

Doch alles in allem konnten Widmers einen stabilen Kundenstamm erhalten, den sie mit ihrem Fleisch beliefern. Ein grosses Plus sieht Reto Widmer darin, dass er keine Mischpakete anbietet, sondern dass seine Kundinnen und Kunden selbst wählen dürfen, welche Teile des Rinds sie kaufen wollen. «Zu Beginn haben viele gesagt, das funktioniere sicher nicht. Da sei sicher die Nachfrage vor allem bei den Edelstücken gross und der Rest bleibe übrig. Doch es geht erstaunlich gut auf», sagt Widmer zufrieden. Nachdem er per Mail die Kundenwünsche erhalten hat, kann er ausserdem mit dem Metzger noch umorganisieren und allenfalls etwas mehr Hackfleisch produzieren, wenn gewisse Fleischstücke nicht gefragt sind. Die Bestellungen holen die Kunden selbst auf dem Hof ab. Oder sie lassen sie sich nach Hause liefern, vom Landwirt höchstpersönlich. «Wir trauen uns noch nicht so recht, das Fleisch per Post zu verschicken. Deshalb übergeben wir die Pakete persönlich», erklärt Anja Widmer. Ausserdem können sie so gleich auch noch den Kundenkontakt pflegen.

Schritt für Schritt mehr anbieten

Der nächste Schritt, den die beiden gerne machen würden, ist eine Website für ihren Hof. Dort, so die Idee, können die Kunden Fleisch sowie die anderen hofeigenen Produkte – Honig von den eigenen Bienen, Most, Leinöl und -samen – bestellen. Reto Widmer kann sich vorstellen, diese Produktepalette nach und nach auszubauen, indem etwa auch Gemüse aus dem Garten angeboten würde. Ausserdem sollen die Kunden einen Einblick in das Leben auf dem Hof gewinnen können. «Ideen haben wir viele im Kopf. Manchmal fast ein bisschen zu viele, so dass wir nicht alle in die Tat umsetzen können», sind sich Anja und Reto Widmer einig. Er müsste wahrscheinlich aufhören als Oberstufenlehrer zu arbeiten, denkt Reto Widmer laut nach. Denn bereits heute ist das Arbeitspensum auf dem Hof nur dank der Mithilfe von Retos Vater möglich, wie das Ehepaar betont. Aber all diese Ideen können ja auch noch etwas warten. Die beiden haben den Betrieb 2016 von Retos Vater übernommen. Da muss noch nicht jedes Projekt umgesetzt sein. Und doch haben sie in diesen vier Jahren bereits einiges in Angriff genommen. Sie haben die Direktvermarktung des Fleischs vorangetrieben. Sie haben Lein in die Fruchtfolge genommen, was nun zusammen mit Urdinkel, einem Zwischenfutter und Kunstwiese auch für «Pflänzler» Reto eine Abwechslung und Herausforderung bedeutet.

Café in der Idylle

Das wunderschöne, beinahe 200 Jahre alte Bauernhaus haben sie innen liebevoll renovieren lassen. Vor rund einem Jahr sind die Eheleute mit ihren drei Kindern wieder in ihr altes und jetzt neues Zuhause eingezogen. «Wir fühlen uns sehr wohl und sind in erster Linie froh, dass die Renovationsarbeiten fertig sind und wir uns wieder anderem widmen können», erzählt Anja Widmer. Die 35-Jährige träumt von einem Café auf dem Bauernhof. «Ich bin gerne Gastgeberin. Ich mag es, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen und sie zu bewirten», sagt sie. Sie finde die Vorstellung schön, dass die Gäste im Garten beim Kaffee ausspannen und die Idylle geniessen können. Vielleicht liesse sich ein solches Café mit der Vermarktung der Hofprodukte kombinieren. Oder mit einem Pflückgarten voller Beeren und Gemüse, in dem sich die Gäste gleich selbst den Korb füllen können. Ideen über Ideen. Anja Widmer lacht: «Eben, daran mangelt es nicht. Aber bis jetzt geht das noch nicht über die Planungsphase hinaus.» Vielleicht ist ja die geplante Website, die all diese Betriebszweige online vereinen kann, ein guter Start zu einem noch vielfältigeren Bauernhof.