Patrik Wägeli ist Meisterlandwirt. Er bewirtschaftet in einer Generationengemeinschaft in Nussbaumen einen 45-Hektaren-Landwirtschaftsbetrieb. Damit wäre der Thurgauer an sich mehr als ausgelastet. Doch das 29-jährige Mitglied des Leichtathletik-Clubs Frauenfeld frönt noch einer anderen Leidenschaft. Wägeli ist dem Laufsport verfallen, konkret dem Marathon. Er bezeichnet sich auf seiner Homepage als Fastest Farmer und den Titel «schnellster Bauer» hat er sich zu recht vergeben. Im Jahr 2019 errang er über die Marathondistanz von 42,195 km den Schweizermeister-Titel. Doch Wägeli will noch mehr. Er möchte sich für einen olympischen Marathon qualifizieren. Das Coronavirus hat seine Planung allerdings etwas durcheinander gebracht. Die olympischen Spiele von Tokio sind um ein Jahr verschoben.
Patrik Wägeli, Ihr erklärtes Ziel war es, an den olympischen Spielen von Tokio im Marathon an den Start zu gehen. Weshalb?
Patrik Wägeli: Der Marathon ist die Königsdisziplin im Laufsport. Es braucht sehr viel Training, um ein schneller Marathonläufer zu werden. Man lernt seinen Körper und sein eigenes Limit sehr gut kennen. Die grosse Herausforderung ist es dabei, jeden einzelnen Kilometer am eigenen Limit laufen zu können, aber nie darüber. Mit gutem Körpergefühl, harter Arbeit und ein wenig Talent ist es im Marathon möglich, das fast Unmögliche zu erreichen.
Was für ein Trainingsaufwand ist nötig, dass man sich ein solches Ziel überhaupt setzen darf?
Pro Woche wende ich rund 11 bis 25 Stunden reine Trainingszeit auf. Der Zeitaufwand ist allerdings höher, denn bei der reinen Trainingszeit sind das Anziehen, Duschen, die Anfahrt zum Training sowie die Massagen oder andere Erholungsmassnahmen noch nicht dabei.
Sie sind aktiver Landwirt. Wie bringt man den enormen Trainingsaufwand mit ihrem Beruf unter einen Hut?
Meine Eltern unterstützen mich sehr. Mein Vater hat momentan ein ziemlich hohes Arbeitspensum. Wir haben Hilfskräfte, die ab und zu aushelfen, wenn Not am Mann ist. Ich suche allerdings momentan einen ausgelernten Landwirten, der im Teilzeitpensum bei uns arbeitet. Interessenten dürfen sich gerne melden.
Sie haben vergangenes Jahr den Dreiländer-Marathon in Bregenz gewonnen und sind damit Schweizermeister geworden. Ihr Ziel, den Lauf in knapp zwei Stunden und 16 Minuten zu absolvieren, haben Sie um zwei Minuten verpasst. Zwei Minuten über die Marathon-Distanz sind doch Peanuts!
Im Februar 2019 lief ich in der spanischen Stadt Sevilla meine Marathonbestzeit in 2:15:22. Vergleicht man die flache, gerade Strecke in Sevilla mit der kurvigen Strecke von Bregenz, in der es Naturwege, Brücken und kurze Anstiege drin hat, wird ersichtlich, dass für eine Zeit von 2:16:00 in Bregenz eine bessere Form Voraussetzung war, als ich sie zuvor in Sevilla hatte. Doch ich nahm mich dieser Herausforderung in Bregenz an. Anfangs fühlte ich mich sehr gut, bin aber leider etwas zu schnell gestartet. Damit riskierte ich sehr viel und lief nach 21 Kilometern einige Male über meinem Limit, was nicht gut war. Somit verlor ich auf den letzten zwölf Kilometern etwas mehr als zwei Minuten. Das ist in diesem Sport dann doch viel Zeit. Trotzdem bin ich glücklich, dass es in Bregenz für den Sieg und den Schweizermeister-Titel gereicht hat.
An den letzten olympischen Spielen in Rio waren 160 Marathon-Läufer am Start. In Tokio dürfen es noch 80 sein. Es haben auch bereits 80 Läufer die Limite von zwei Stunden, 11 Minuten und 30 Sekunden erreicht. Ist diese Limite für Sie in Griffweite?
Ich habe im letzten Jahr falsch spekuliert und gehofft, dass ich die Qualifikation über das System der Weltranglistenpunkte schaffen kann und weniger als 80 Läufer die Limite erreichen werden. Momentan muss ich meine Bestzeit um vier Minuten unterbieten können. Das ist im Marathon auf diesem Level schon ein harter Brocken. Die Limite wurde erst im Frühjahr 2019 verschärft, vorhin hätte eine Marathonzeit von 2 Stunden und 14 Minuten gereicht. 1:30 Minuten schneller zu werden innerhalb eines Jahres, wäre im Bereich des Möglichen gewesen.
Gibt es neben dem Ziel Marathon für Sie noch eine alternative Disziplin für eine Teilnahme an den olympischen Spielen?
Nein. Für mich kommt nur die Marathondistanz in Frage.
Viele Spitzensportler haben sich darüber geärgert, dass es so lange dauerte, bis das IOC sich zu einer Verschiebung der olympischen Spiele von Tokio auf das Jahr 2021 durchringen konnte. Wie ging es Ihnen?
Ich habe es verstanden, dass ein solcher Grossanlass nicht von einem Tag auf den anderen abgesagt werden kann und dass im Hintergrund diverse Abklärungen getätigt werden mussten. Das Organisationskomitee muss nun in einem Jahr einen Anlass umorganisieren, auf den es zuvor sieben Jahre hingearbeitet hat. Dies ist eine sehr grosse Herausforderung.
In jeder Sportart gibt es zudem nächstes Jahr wieder eine WM, eine EM oder andere Grossanlässe, die nun vielleicht wegen der Verschiebung der olympischen Spiele ihrerseits wieder verschoben werden müssen. Jetzt bin ich allerdings auch froh, Klarheit zu haben. Somit bleibt mir noch etwas mehr Zeit für meinen letzten Versuch, die Qualifikation doch noch zu erreichen.
Wie gehen Sie als Spitzensportler mit dem Coronavirus um? Hat es Einfluss auf die Gestaltung des Trainings, auf allfällige Trainingslager, auf das Privatleben?
Das Coronavirus hat einen grossen Einfluss auf mich als Sportler. Ich bin gegenwärtig in Topform und wollte die EM-Limite im Halbmarathon laufen sowie den Zürich Marathon Ende April. Nun nützt mir die Topform aber gar nichts und ich lebe in der Ungewissheit, wann die nächsten Wettkämpfe stattfinden können. Zudem kann ich die aktuelle Topform nicht bis im Herbst hochhalten.
Ich habe nun mein Training wieder umgestellt. Ich mache etwas mehr Basistrainings und weniger Intervall-Trainings als in dieser Phase ursprünglich geplant. Ich muss meine Form zwar hochhalten. Aber nur so hoch, dass ich diese noch steigern kann, sobald ich weiss, wann die nächsten Wettkämpfe stattfinden. In dieser Phase hilft mir auch ein Trainingslager nichts. Es ist für mich nun wichtiger, bei der Familie zu sein. Zum Glück kann ich als Läufer auch zu Hause optimal trainieren und bin auch in der aktuellen Situation nur beim Kraft- und beim Alternativtraining eingeschränkt.
Weitere Informationen: www.fastestfarmer.ch