Frau Sieghart, wie entwickeln sich die Zahlen der Auszubildenden in der Landwirtschaft?

Petra Sieghart: 2022/23 haben wir in den grünen Berufen 3917 Lernende, das sind fünf Prozent mehr als im Jahr zuvor. 87 Prozent davon sind junge Menschen, die sich zur Landwirtin, zum Landwirt EFZ ausbilden lassen. Der Grossteil der Landwirtschaftsschulen verzeichnet eine Zunahme. Den Anteil Frauen in der Ausbildung haben wir bisher nicht spezifisch erfasst. Uns liegen aber Zahlen vor, dass die Anzahl Betriebsleiterinnen in den letzten zehn Jahren von 4,8 auf 7,2 Prozent zugenommen hat.

Die Landwirtschaftsschulen melden, dass mehr Landwirtinnen EFZ ausgebildet werden. Hat dies Einfluss auf die Revision der Grundbildung?

Nein, die Kompetenzen für die Grundbildung sind dieselben, ob für Frauen oder Männer. Wir achten aber sehr darauf, dass wir eine gendergerechte Sprache verwenden. Wenn wir Frauen in unserer Branche wollen, dann müssen wir sie direkt ansprechen und benennen. Darauf lege ich grossen Wert.

Was bietet die Ausbildung zur Landwirtin, zum Landwirt EFZ jungen Menschen?

Als Landwirtin und Landwirt kann man sehr früh viel Verantwortung übernehmen, dies wird sehr geschätzt. Auch die vielfältigen Tätigkeiten und dass man draussen mit Tieren arbeiten kann, machen unseren Beruf bei jungen Leuten attraktiv.

Noch immer übernehmen mehr Männer als Frauen den elterlichen Betrieb. Was raten Sie einer jungen Landwirtin, deren Bruder den Heimbetrieb weiterführt?

Es gibt genügend Betriebsleiterpaare, die ohne Nachfolger dastehen. Daher glaube ich, wenn eine Landwirtin wirklich will, findet sie auch einen eigenen Betrieb. Generell bin ich der Überzeugung, dass die oder der Geeignetere den Heimbetrieb weiter führen soll, unabhängig vom Geschlecht. Ich frage mich auch, weshalb viele junge Frauen es einfach schlucken, dass halt ihr Bruder übernimmt und sie manchmal nicht einmal gefragt werden.

Junge Frauen bekommen in der Oberstufe von Lehrpersonen zu hören, dass Landwirtin kein typischer Frauenberuf sei, und sie raten ihnen davon ab …

Ich bin entsetzt! Es kann nicht sein, dass Lehrpersonen in der heutigen Zeit noch solche Aussagen machen. Natürlich ist der Beruf körperlich anstrengend, doch da kennen wir heute technische Hilfsmittel. Was ist denn ein typischer Frauenberuf? Ich glaube nicht, dass diese Argumentation noch zeitgemäss ist.

Wie wird der Kontakt zu Berufsberatungszentren gepflegt?

Unsere Hauptklientel kommt nicht über die Berufsberatung zu uns. Die meisten wissen schon sehr früh und bestimmt, dass sie Landwirtin oder Landwirt lernen wollen, und sind überzeugt von diesem Beruf. Dies ist auch der Hauptgrund, weshalb wir wenige Lehrabbrüche haben. Nach der Revision wollen wir aber bewusst auf die Berufsberatung zugehen und sie über unser neues Konzept informieren. Sie sollen es kennen, verstehen und auch bewerben. Dabei werden wir wohl auch auf die Thematik «Frauen in der Landwirtschaft» eingehen müssen.