Die Vernehmlassung des Massnahmenplans Sauberes Wasser (parlamentarische Initiative 19.475) dauert noch bis am 18. August. Bis dahin können die Verbände das geplante Verordnungspaket prüfen und ihre Stellungnahmen dazu abgeben. Ein grosser Diskussionspunkt ist das Programm für die begrenzte Zufuhr an Rohprotein (RP), welches das bisherige Programm Graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion (GMF) ablösen soll.
Zweistufige Beiträge
Oberstes Ziel ist gemäss dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW), standortangepasste Tierbestände zu fördern und Nährstoffüberschüsse zu reduzieren. Dabei sind zwei Stufen vorgesehen: Stufe 1 mit max. 18 Prozent RP in der Trockensubstanz und Stufe 2 mit max. 12 % RP in der TS. Meldet sich ein Betrieb für eine Stufe an, dürfen nur betriebsfremde Futtermittel mit dem entsprechenden maximalen Rohproteingehalt zugeführt werden.
Bei Futtermitteln, die auf dem Betrieb produziert wurden, ist der Rohproteingehalt nicht begrenzt – ebenso wie für Produkte, die ausserhalb des Betriebs verarbeitet oder als Nebenprodukte der Lebensmittelverarbeitung anfallen und wieder auf den Betrieb zurückgeführt werden. Damit fallen z. B. Gras- und Maiswürfel, Rapskuchen oder Zuckerrübenschnitzel nicht unter diese Begrenzung, sofern sie der Menge des auf dem Betrieb produzierten Rohstoffs entsprechen.
Kein Gras zukaufen
Suspekt scheint die Ausführung, dass in der Stufe 2 (max. 12 % RP) kein betriebsfremdes Gras und grüne Getreidepflanzen zugeführt werden dürfen – weder in frischer, silierter oder getrockneter Form. In der Stufe 1 mit maximal 18 % RP ist dies allerdings erlaubt. Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands, stellte das kürzlich in einem Interview mit der BauernZeitung infrage. «Dafür kann mit Mais, Getreide oder Zuckerrübenschnitzeln ergänzt werden. Ist dies wiederkäuergerecht?» Das BLW begründet dieses Verbot damit, dass die Fütterung der raufutterverzehrenden Nutztiere auf der betriebseigenen Proteinproduktion basieren soll.
Doppelt so hohe Beiträge
Die Beiträge werden pro Hektare Grünfläche ausgerichtet. Dabei ist speziell, dass Milchkühe, Milchschafe und Milchziegen in beiden Stufen pro ha Grünfläche doppelt so hohe Beiträge erhalten wie übrige raufutterverzehrende Nutztiere. Laut dem BLW sei es bei gemolkenen Tieren schwieriger als bei den übrigen RGVE, die Anforderungen zu erfüllen.
Urs Vogt, Geschäftsführer von Mutterkuh Schweiz, findet das ein schlechtes Argument. Im Interview mit der BauernZeitung bezeichnet er die Differenzierung der Beiträge zwischen Milchkühen und anderen Rindviehkategorien als «unerklärlich». Masttiere würden teilweise genauso intensiv gefüttert wie Milchkühe – die begrenzte RP-Zufuhr sei da ebenso schwierig zu erreichen.
Munimäster werden kaum etwas ändern
Anders sieht dies der Vizedirektor der Schweizer Milchproduzenten (SMP), Pierre-André Pittet. «Der Aufwand und die Herausforderungen der Milchproduktionsbetriebe für die Teilnahme an dem Programm sind deutlich höher als für Betriebe mit anderen raufutterverzehrenden Nutztieren», argumentiert er. Der Schweizer Bauernverband teilt auf Anfrage mit, dass dieser Punkt intern noch nicht geregelt ist und im Vorstand und der Landwirtschaftskammer diskutiert werden muss.
Franz Hagenbuch, Präsident von Swiss Beef, relativiert, dass Munimäster diese Beiträge ohnehin kaum auslösen könnten. «Eine extensive Munimast ist nun einmal schlicht nicht möglich.» Deshalb würden die meisten Munimäster gar nichts an ihrer Fütterung ändern und einfach auf diese Beiträge verzichten. Swiss Beef steht aber klar hinter der Abstufung der Beiträge, da sie die Veredelung «Gras-Milch-Fleisch» als wertvoller erachten als nur «Gras-Fleisch». Für Mutterkuhhalterinnen seien diese Beiträge ein Geschenk, da ihre Produktionsweise häufig bereits den Anforderungen entspreche. Viele Milchproduzenten müssten aber ihre Fütterung anpassen, um die Beiträge zu erhalten.
Das Rohproteinmodul im Detail
Das neue Programm für die Begrenzung der Rohproteinzufuhr für raufutterverzehrende Nutztiere wurde im Rahmen der parlamentarischen Initiative 19.475, auch bekannt als Massnahmenplan Sauberes Wasser oder «Pestizidgesetz», erarbeitet. Wie das Vorgängerprogramm GMF gehört es zu den Produktionssystembeiträgen.
Sömmerung zählt nicht
Für die Teilnahme am Programm muss analog zum GMF-Programm ein Mindesttierbesatz erreicht werden. Dieser wird aber einheitlich und zonenunabhängig auf 0,2 GVE/ha fest-gelegt. Der Beitragshöhe ist abhängig von der Grösse der Grünfläche des Betriebs. Sömmerungsweiden gehören nicht dazu und die Fütterung in der Sömmerung ist auch nicht relevant für das Programm.
Vorgesehen sind zwei verschiedene Beitragsstufen: Stufe 1 erlaubt Futterzukäufe mit einem maximalen Gehalt von 18 % RP in der TS. Bei Stufe 2 werden Käufe mit höchstens 12 % RP toleriert. Zudem wird nach Kategorien der raufutterverzehrenden Nutztiere differenziert. Milchkühe, Milchschafe und Milchziegen erhalten doppelt so hohe Beiträge wie die übrigen raufutterverzehrenden Nutztiere.
Ausbezahlte Beiträge
Die Beiträge im Detail:
Milchkühe, Milchschafe und Milchziegen:
- Stufe 1 (18 % RP) Fr. 120.–/ha
- Stufe 2 (12 % RP) Fr. 240.–/ha
Übrige raufutterverzehrende Nutztiere:
- Stufe 1 (18 % RP) Fr. 60.–/ha
- Stufe 2 (12 % RP) Fr. 120.–/ha
Zur Berechnung der Beiträge wird die Grünfläche eines Betriebs im Verhältnis der massgebenden Tierbestände in GVE ermittelt. Beispiel:
Ein Betrieb hat 50 GVE und 25 ha Grünfläche. Davon sind 35 GVE Milchkühe, was 70 % der GVE entspricht. 70 % der Grünfläche sind 17,5 ha. Die restlichen 30 % entsprechen 15 GVE übrige raufutterverzehrende Nutztiere bzw. 7,5 ha Grünfläche.
Für 17,5 ha würden also Beiträge für die Kategorie Milchkühe ausbezahlt und für 7,5 ha würden Beiträge der Kategorie übrige RGVE entrichtet.
Was tun bei Futterknappheit?
Wenn ein Betrieb für Stufe 2 angemeldet ist, darf er kein Gras, Heu oder Grassilage zufüttern. Die Kantone können in Fällen höherer Gewalt wie z. B. Trockenheit auf eine Kürzung der Beiträge verzichten, falls trotzdem Gras, Heu oder Silage zugekauft werden muss. Dauert der Futtermangel aber bis ins Folgejahr, muss sich der Betrieb auf Stufe 1 (max. 18 % RP) ummelden. Betriebe, die usrprünglich bereits in Stufe 1 produzieren und die Vorgaben im Folgejahr nicht einhalten können, müssen sich vom Programm abmelden.
Auch Ökoheu darf in Stufe 2 nicht zugeführt werden, obwohl es einen Rohproteingehalt von unter 12 % aufweisen kann. Der Grund dafür ist, dass ansonsten in jedem Fall eine Gehaltsanalyse des Futters vorliegen müsste, was den administrativen Aufwand laut BLW massiv erhöhen würde.
Hoher RP-Gehalt
Folgende Futtermittel haben einen RP-Gehalt über 18 % und dürften bei Stufe 1 nicht mehr verfüttert werden, sofern sie nicht vom eigenen Betrieb stammen (Liste nicht abschliessend):
- Maiskleber
- Soja-, Raps- und Sonnenblumenkuchen
- Soja-, Raps- und Sonnenblumenextraktionsschrot
- Ackerbohnen, Proteinerbsen, Süsslupinen, Sojabohnen
Es ist noch nichts definitiv
Das Verordnungspaket befindet sich momentan noch in der Vernehmlassung. Ob die geplanten Massnahmen genau so umgesetzt werden, ist noch nicht in Stein gemeisselt.