Die Zeichen sprechen eine deutliche Sprache. Die Produzentenorganisation Aaremilch AG steht mit dem Rücken zur Wand. Für ihr Prestigeobjekt, die Naturparkkäserei in Oey-Diemtigen im Berner Oberland, die zu Teilen die Milchbauern finanziert haben, gibt es nur noch eine Chance: die Migros.

Es gibt wenig Wahl

Milchmarkt Elsa will sich zu 50 Prozent an der Aaremilch AG beteiligen Tuesday, 14. June 2022 Diese Woche wird zumindest ein Teil der Milchproduzenten an ihren Milchringversammlungen über das Vorhaben informiert. Und die Zeit drängt. Mehr als ein Schreiben, in dem steht, dass die Migros-Tochter Elsa sich zu 50 Prozent an der Aaremilch AG beteiligen will, haben die Lieferanten nicht erhalten. Am kommenden Montag sollen die Aktionäre an der ausserordentlichen Versammlung der Aaremilch AG den Deal «absegnen». Die Milchbauern haben wenig Wahl, denn es sieht ganz eindeutig danach aus, dass die Produzentenorganisation Aaremilch ihnen künftig keine konkurrenzfähigen Preise mehr zahlen kann.

Die Aaremilch AG ist Geschichte. Auch wenn man den Lieferanten jetzt weismacht, dass der Name bestehen bleibt, faktisch werden sie am kommenden Montagabend zu Elsa-Direktlieferanten. Und irgendwann in naher Zukunft dürfte man auch den Namen Aaremilch bereinigen. Dann, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen ist.

Ohne die Migros geht es nicht 

Der Deal mit der Migros hat vordergründig für die Aaremilch-Lieferanten einen entscheidenden Vorteil: Sie erhalten einen höheren Milchpreis, den gleichen nämlich wie ihre Kollegen – die bisherigen Elsa-Direktlieferanten. Und das ist auch das Opfer, das die Migros bringen muss. Dieser Deal kostet in Sachen Milchgeld demnach relativ viel. Im Gegenzug «erschleicht» sich die Detailhändlerin wiederum eine Käserei, wie damals in Disentis GR. Einziger Unterschied: dieses Objekt finanzierten die Bauern, jenes in Disentis die Steuerzahler. Glaubt man den Gerüchten, dann wird Disentis aber schon bald wieder abgestossen. Solche Deals scheinen demnach nicht nur Gewinne zu bringen.

Die Detailhändlerin hat im Grunde, was Oey anbelangt, auch wenig Wahl. Sie hat in dieses Grossprojekt bereits ziemlich reingebuttert und hat in eine Abfüllstrasse investiert, die für die Elsa auch nötig war und weiterhin ist. Diese Käserei ist für alle anderen eine Nummer zu gross, da braucht es die Migros – es gibt nur diesen Weg.

Milch und Produzenten sind gesucht 

Eine Suche nach den Gründen oder möglichen Schuldigen ist hinfällig. Auch das Wissen, dass die Migros im Alleingang an so einem Ort ein solches Objekt wohl nicht hätte bauen dürfen, weil es an einer Bewilligung gescheitert wäre, hilft nicht weiter. Entscheidend ist jetzt, dass die Milchproduzenten erkennen, dass die Milch gefragt ist. Nach Jahren des Überschusses ist sie knapp geworden. Mit diesem Deal sichert sich die Migros Marktanteile. Sie übernimmt die Käserei und mit ihr die Produzenten. Und begonnen hat die Sache bereits, als sich die Aaremilch AG für die Migros auf die Suche nach Wiesenmilch-Produzenten begab. Wer sonst will diese Wiesenmilch in der aktuell verfügbaren Menge?

Abo Die Bergmilch und die künftige Wiesenmilch mit Käfer (r.). In der Mitte die alte Packung mit Terra-Suisse-Logo. (Bild akr/Screenshot) IP-Suisse Der IP-Käfer landet auf einer Milchpackung erstmals bei der Migros Tuesday, 24. November 2020 Nachhaltige Milch Migros (NHM) hiess dieses Konstrukt der Elsa, das scheiterte, weil die Konsumenten dessen Mehrwert nicht erkannten. Stattdessen gingen die Verantwortlichen auf die IP-Suisse zu und holten den Käfer auf die Milch. In jede Trinkmilchpackung – auch in die M-Budget-Milch – füllt die Migros Wiesenmilch ab und nennt es ein Nachhaltigkeitsbekenntnis. Ist man kritisch, könnte man es auch Sicherung von Marktanteilen nennen.

IP-Suisse steht der Migros zu nahe

Die IP-Suisse bezeichnete diesen Quantensprung zu Recht als Erfolg. In jahrelanger und harter Arbeit hatte man den Käfer dorthin gebracht, wo er jetzt ist – sogar in den Discounter. Jedes Kind kennt IP-Suisse, und alle können nachvollziehen, was Wiesenmilch ist. In der Tat bewundernswert. In dieser auf den Markt ausgerichteten Knochenarbeit hat aber IP-Suisse eines vergessen – die Bäuerinnen und Bauern. Statt ihnen Halt zu geben in der Umstellung auf eine nachhaltige Produktion, sei es bei der Wiesenmilch oder beim herbizidfreien Getreideanbau, hat man sich auf den Markt und insbesondere auf die Migros konzentriert. Das Echo bleibt nicht aus – die Kritik an dieser Nähe zur Migros ist hörbar. Hier braucht es Korrekturen, und zwar rasch.

Was die Migros tun wird

Und was kann man den Aaremilch-Lieferanten raten? Die Käserei der Migros zu überlassen, ist richtig. Die gefragte und gesuchte Milch aber einfach obendrauf zu packen, nicht. Sich in eine Abhängigkeit zu begeben, die keine Alternative bietet, ist gefährlich. Denn die Migros wird genau das tun, was alle tun, wenn sie Macht haben: den Preis bestimmen. Den Bäuerinnen und Bauern sei darum geraten: Lasst die Käserei in Oey-Diemtigen los – aber gebt eure Unabhängigkeit nicht auch noch her.