Was man nie für möglich gehalten hätte, traf dank dem Winzling Sars-CoV-2 ein: Schweizer Arbeitslose und Kurzarbeiter stechen Spargeln und pflücken Salat auf den Feldern. Die Corona-Krise hat ab dem 16. März alles auf den Kopf gestellt!
Alles wurde anders
Die Gastronomie bleibt bis nächsten Montag geschlossen und alle Hallenbäder, Coiffeure, Nagel-, Pilates-, Yoga-, Massage- und Fitnessstudios, Konzerte, Theater und Kinos waren es oder sind es noch. Das Reisen ins Ausland und vom Ausland in die Schweiz war und ist auf einen Schlag unmöglich. Plötzlich waren nur einheimische Arbeitskräfte, Schweizer Ferienziele und einheimische Nahrungsmittel greifbar. Und die ganz Verrückten hamstern sich eine Palette WC-Papier. Um die letzten staubigen Rollen werden sich wohl die Erben bei der Wohnungsräumung streiten, schätze ich.
Die Angst vor Supermärkten
Bauern und ihre 2100 auf «vom.hof.ch» registrierten Hofläden erfahren in der Corona-Krise bisher nie dagewesene Wertschätzung. Denn die Grenzen sind seit dem 16. März zu und Einkaufstourismus wird seither mit 100 Franken Busse bestraft. Viele Einkäufer fürchten sich davor, in den Einkaufstempeln unserer Grossverteiler einzukaufen, denn dort gibt es – vielleicht und wer weiss – das Coronavirus gratis oben drauf.
Wo haben die Leute vorher bloss eingekauft?
Da erinnert man sich gerne an die Hofläden. Die Bäuerin, welche bisher ab 4 Uhr in der Früh Brot für ihren Hofladen backte, verkauft neu die dreifache Menge Brot und wundert sich: Wo haben all die Leute vorher Brot gekauft? Neu steht sie Freitagabend wegen der immensen Nachfrage schon kurz vor Mitternacht am Backofen und backt und backt und hat doch schon um 10 Uhr vormittags alles verkauft. Eine andere Bäuerin mit Hofladen wundert sich, warum bisher völlig unbekannte Männer im Hofladen stehen und 140 Eier kaufen wollen. Das Gemüse und die Kartoffeln, welche die Bäuerin am Vorabend vom Gemüsebauern geliefert bekam und normal für vier Tage reicht, hat sie Samstag bis Ladenschluss ratzefatz bis auf die letzte Zwiebel verkauft.
Auch der Fleischmarkt erholt sich
Seit dem 16. März steht die Welt für die allermeisten Leute Kopf. Viele, welche Jahr für Jahr für geschätzte 10 Milliarden Franken im nahen Ausland einkauften, kaufen jetzt einheimisches Gemüse, Kartoffeln, Obst und Milchprodukte. Sogar das Fleisch, bei welchem der Umsatz wegen der geschlossenen Wirtshaustüren nach dem Lockdown einbrach, ist plötzlich wieder gefragt. Die Viehpreise haben sich inzwischen erholt und steigen wieder auf Vor-Corona-Höhe.
Darauf wäre keiner gekommen
Wenn es nicht so irre wäre: Fast hätten sich die Bauern die Corona-Krise als Marketinginstrument gewünscht. Aber auf diese verrückte Idee wäre vorher kein Bauer und auch kein superteures Marketingbüro gekommen. Kurz vor der Wieder-Eröffnung aller Läden und Beizen ist sich die Schweizer Bevölkerung wieder einmal bewusst, dass unsere Bauern nicht bösartige Brunnenvergifter sind, sondern tatsächlich Weizen pflanzen, um damit für das tägliche Brot sorgen.
Aus der Komfortzone in die Realität
Die angeblich so klimaschädigenden Kühe, welche auf den Weiden stehen, furzen und rülpsen nicht nur den ganzen Tag – nein, sie liefern die Milch, von welcher es seit dem 16. März 100 Millionen Kilogramm mehr braucht. Von den Bauernhöfen kommen auch die jährliche Milliarde Schweizer Eier, der Speck, die Rinds-Entrecôtes, der Alpkäse und der taufrische Salat. Tatsächlich, die Landwirtschaft, die Lebensmittelverarbeitung und -verteilung funktionieren auch in Krisenzeiten und niemand muss bei uns hungern. Spaziergänger in der Landschaft zeigen den Bauern nicht mehr den Stinkefinger, nein sie zücken das Handy, um ein Foto von Kühen, vom Weizen und vom arbeitenden Bauern zu machen. Ein unsichtbarer Winzling hat an der Komfortzone der Bevölkerung gerüttelt und die Leute in die Realität zurückgeholt. Viele spüren, was Natur und Bauern uns täglich geben, nämlich Mittel zum Leben – eben die Lebens-mittel!
Hält der Meinungsumschwung zugunsten der Schweizer Produkte an? Es gibt Anzeichen, dass es so bleiben könnte. Die Detailhandelszahlen der Umsätze mit Nahrung, Getränken und Tabak stiegen im März laut Bundesamt für Statistik um über acht Prozent an. Weiter zeigt eine Umfrage der Hochschule Luzern unter 1000 Konsumenten, dass es einen klaren Trend (86 Prozent) zum verstärkten Einkauf von regionalen Produkten gibt. Neben den Hofläden erfreuen sich auch Gemüse-Abonnements steigender Nachfrage. Die Zeit nach Corona wird zeigen, ob dieser Trend zu Hofläden und Gemüseabos anhält. Wir dürfen optimistisch sein.