Es war einmal eine sehr böse Zeit für die Rindermäster, denn plötzlich wollte niemand mehr Rindfleisch essen. Das Unheil braute sich Mitte der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts in England zusammen, als man dort Rinderwahnsinn bei den Kühen entdeckte.

BSE Schnelltest wirkte Wunder

Die BSE-Krise brach aus! Bis damals der Nachweis einer BSE-Erkrankung vorlag, dauerte es mehrere Wochen. Leider wurde Ende der 90er-Jahre BSE auch bei Schweizer Rindern nachgewiesen. Die Situation drohte zu eskalieren und innert Kürze alle – vom Bauer über den Metzger bis zum Detailhändler – wegen des BSE-Virus wirtschaftlich zu ruinieren.

In grösster Eile entwickelten Schweizer Forscher 1998 einen Schnelltest für BSE, welcher nach zwölf Stunden sichere Resultate lieferte. Damit entdeckte man BSE-verseuchte Rinder, bevor deren Fleisch in den Verkauf gelangte. Der  Schnelltest wurde europaweit für verendetes, notgeschlachtetes und verhaltensauffälliges
Vieh vorgeschrieben. In der Schweiz wurde er auf freiwilliger Basis sogar eine Zeit lang flächendeckend bei jedem geschlachteten Rind durchgeführt.

 

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Konsumenten kauften kein Rindfleisch mehr

Die Konsumenten waren trotzdem verunsichert. Viele Leute glaubten, dass man wegen dem Verzehr von Rindfleisch an Creutzfeld-Jakob Disease erkrankt. Mit jeder entdeckten BSE-befallenen Kuh stürzten die Nachfrage nach Rindfleisch und der Preis noch tiefer. Dafür stieg der Schweinefleischpreis in schwindelerregende Höhen.

Im Sommer 2001, auf dem Höhepunkt der BSE-Krise, war Rindfleisch unverkäuflich geworden. Damals stiess ich in der Migros in Brugg in der Metzgereiabteilung auf ein Kühlregal mit verbilligten Rinds-Entrecôtes zum Preis von fünf Franken je Kilo. Ich, von Haus aus ein sparsamer Mensch, konnte dem Schnäppchen nicht wider-
stehen und lud  einige  Kilos davon in den Einkaufswagen.

An der Kasse kam ich mir vor wie ein Verbrecher. Was  denken die Leute bloss von mir, dachte ich. Ich sah mich geistig schon vor Gericht, angeklagt vor dem Richter. Die Anklage lautete: Bewusste Ansteckung der neun- und sechsjährigen Söhne und der Ehefrau mit Creutzfeld-Jakob Disease mittels infizierter Entrecôtes. In der Realität verzehrten unsere beiden  Buben und auch wir Eltern diese Entrecôtes mit gesundem Appetit und bis heute weisen meine Söhne, meine Ehefrau und ich (das ist meine Einschätzung) offensichtlich keine bleibenden Schäden auf, die auf den Verzehr dieser Entrecôtes zurückzuführen wären. Doch damals ging ein Ruck durch die ganze Gesellschaft, was die Herkunft des Rindfleisches, des konsumierten Fleisches und generell der Lebensmittel betraf.

Unzählige neue Labels

Plötzlich wurden für die Rindfleischesser folgende Fragen überlebenswichtig: Woher kommt das Rind? Wo wurde es geboren? Was hat es gefressen? Hoffentlich kein verseuchtes Fleischmehl aus England! Rindfleisch-Label schossen wie die Pilze aus dem Boden. In Erinnerung ist mir das «Aargauer Rüebli» geblieben, welches die Herkunft des Rindfleisches aus dem Aargau garantierte. Das Aargauer Rüebli verschwand rasch, andere Labels tauchten auf. Das Fleisch aus der Mutterkuhhaltung und auch Biofleisch, beide schon länger auf dem Markt,  fanden reissenden Absatz. Mutterkühe auf der Weide wecken Vertrauen. Kühe, welche auf der Weide Schweizer Gras fressen, können doch nicht an BSE   erkranken, so lautete die einhellige Meinung. Fleisch aus Mutterkuhhaltung und auch Biofleisch waren die Profiteure der BSE-Krise. Allmählich kamen immer mehr Weide-Fleischlabels auf den Markt.

Weniger Kälberschlachtungen

2006 gehörten 51 Prozent der geschlachteten Muni einem Label an, 36 Prozent der Ochsen und 30 Prozent der Rinder. Bei den Kühen betrug der Labelanteil nur bescheidene acht Prozent, bei den Mast-kälbern immerhin 30 Prozent. 2017 hatten sich die Weidebeef-Marken auf dem Markt gefestigt. Bei den geschlachteten Munis betrug der Labelanteil 23 Prozent, bei den Ochsen beachtliche 80 Prozent und bei den Rindern 46 Prozent, bei Kühen 29 Prozent und bei den Kälbern 26 Prozent.

In der gleichen Zeit blieb die Zahl der Munischlachtungen ungefähr stabil, dafür stieg die Zahl der geschlachteten Ochsen und Rinder um fast
40 00 Stück an. Dies ging zulasten der Kälberschlachtungen, denn bei den Kälbern nahmen die Schlachtungen im selben Zeitraum um 45 00 Stück ab. Die Weidemast mit Ochsen und Rindern hat sich in den letzten zehn Jahren verbreitet, nicht zuletzt auch dank gütiger Hilfe der Migros. Und die Weidemast wird sich noch weiter ausbreiten im Grasland Schweiz.