Als der Bund 1977 die Milchkontingentierung einführte, hiess es oft: "Mach das Gegenteil von dem, was sie in Bern wollen." Damals ging es um die Festsetzung der Referenzmengen für die Kontingentierung. Wer nicht dem allgemeinen Rat folgte, wurde abgestraft, konnte sein Produktionspotenzial nicht ausschöpfen. Es dauerte 32 Jahre, bis die Kontingentierung wieder aufgehoben wurde. Das war am 1. Mai 2009.

Der Milchmarkt verzeiht keine Fehler

Seither kann jeder Landwirt so viel Milch produzieren, wie er absetzen kann bzw. will. Zwar ist die Produktion damit freier – besser geworden ist es aber nicht. Im Gegenteil: Der Milchmarkt verzeiht keine Fehler mehr.

Die letzten zehn Jahre haben gezeigt, dass wer wirtschaftlich erfolgreich sein will, entweder wachsen, seinen Absatz differenzieren oder ganz aus der Produktion aussteigen und in jedem Fall seine Kosten im Griff haben muss. Es ist mindestens bemerkenswert, dass sich die Milchwirtschaft in der Schweiz in den letzten zehn Jahren in alle drei Richtungen gleichzeitig entwickelt: Die Zahl der Produzenten ist 2018 erstmals auf unter 20 000 gesunken, die Milchproduktion pro Betrieb ist in den letzten zehn Jahren um gut einen Drittel gestiegen und die Zahl der Milch- und Käseprodukte hat rasant zugenommen.

Wachstum nach innen

Zuerst zum Betriebswachstum: Dieses erfolgte insgesamt vor allem nach innen: Zwar kam es im Zuge des vorzeitigen Ausstiegs aus der Milchkontingentierung, der ab 2006 mit der Gründung von Produzenten-Milchverwerter-Organisationen (PMO) möglich war, zu einer Mengenausdehnung. Seit 2010 jedoch ist die Produktionsmenge stabil – je nach Futterangebot schwankt sie zwischen 3,3 und 3,4 Mio Tonnen. Weil gleichzeitig die Milchleistung pro Kuh steigt, hat sich der Herdenbestand in der Schweiz laufend verkleinert.

Obwohl noch nie so wenig Milchproduzenten mit so wenig Tieren so viel Milch produzierten, haben im Industriemilchmarkt nur jene Betriebe wirklich eine Perspektive, die mit Preisen von 50 Rappen überleben können. Von diesen Betrieben – sie gehören in der Regel zu den grössten der Schweiz – gibt es immer mehr. So zeigen nämlich Zahlen der Schweizer Milchproduzenten (SMP) deutlich, dass die Zahl der grossen Betriebe wächst, während die Zahl der kleineren Milchbetriebe zurückgeht. Grund dafür sind in erster Linie die sogenannten Skaleneffekte. Diese sorgen bis zum Produktionsmaximum dafür, dass mit jeder zusätzlich produzierten Einheit der Anteil der Fixkosten pro Einheit sinkt und das Betriebsergebnis verbessert werden kann.

Neben Wachstum bleibt Differenzierung

Diese Produktionsoptimierung findet statt, allerdings auf unterschiedlichen Niveaus. Es ist nämlich nur ein kleiner Teil der Milchproduzenten, die überhaupt die Grundvoraussetzungen dafür haben, mit den Strukturen in Europa gleichziehen zu können. Für den grössten Teil der Produzenten ist die (natürliche) Beschränkung ihrer Produktion die Regel. Und so bleibt neben dem Wachstum vor allem die Differenzierung. Auch diese hat sich in den letzten Jahren – angefeuert durch den Käsefreihandel mit der EU und sich verändernden Kundenwünschen – verstärkt.

Sprach man von Differenzierung, war bis jetzt vor allem die Erweiterung des Käsesortiments gemeint. So gibt es heute längst nicht mehr nur Gruyère und Emmentaler im Käseregal, sondern eine ganze Palette an Hart-, Halbhart-, Weich- und Frischkäsen. Vor allem letztere erfreuen sich mindestens in der Schweiz steigender Beliebtheit, die Sortenkäse indes sind nach wie vor die Lokomotiven im Käsehandel.

Gutes Produkt, guter Preis

Für die Produzenten verheisst die Differenzierung im Käsemarkt ein guter Milchpreis. So liegen die durchschnittlichen Milchpreise für Käsereimilch 15 bis 18 Rappen über den Preisen für Molkereimilch (hier wird übrigens die Unterstützung durch die Verkäsungs- und die Siloverzichtszulage deutlich sichtbar) – allerdings bestehen zwischen den verschiedenen Käsesorten erhebliche Unterschiede.

Wie das Milchpreismonitoring der Schweizer Milchproduzenten (SMP) vom Januar zeigt, wird für den Gruyère AOP ein durchschnittlicher Milchpreis von 80,3 Rappen ab Hof ausbezahlt, während für den Grosslochkäse Switzerland Swiss ein Preis von 57,3 Rappen je Kilo Milch drinliegt. Hier zeigt sich selbst im gestützten Käsemarkt, wie wichtig die Wertschöpfung auf den Absatzmärkten ist, um überhaupt eine Grundlage für einen guten Milchpreis zu haben.

Grüner Teppich soll helfen

Dieselbe Erkenntnis hat sich in den letzten Jahren auch bei der Branchenorganisation Milch (BOM) durchgesetzt. Nach einigen politischen Ränkespielen und dem Druck, der durch den Migros-Austritt aus der BOM entstand, konnte sich die Branche auf einen gemeinsamen Standard, den "Grünen Teppich" einigen.

Dieser Teppich soll Schweizer Milch gegenüber der ausländischen Milch insgesamt differenzieren. Ziel ist es, die Wertschöpfung zu erhalten und den Milchproduzenten für die Erfüllung der Anforderungen einen Preisbonus von drei Rappen auf A-Milch zu bezahlen. Ob das der Fall sein wird, entscheiden die BOM-Delegierten am 2. Mai in Bern und später dann vor allem die Konsumenten im Laden. Denn wie die SMP-Spitze an der Delegiertenversammlung betonte, muss der Preisbonus vom Konsumenten bezahlt werden, andernfalls kann er nicht an die Produzenten weitergegeben werden. Die Milchbranche fokussiert sich dabei auf den Inlandmarkt, weil im Zuge der Diskussionen klar wurde, dass die Anforderungen des "Grünen Teppichs" in den Exportmärkten keine ausreichenden Argumente für eine Preiserhöhung liefern würde.

Diese Entwicklungen in der Milchbranche sind eine direkte Folge der Marktliberalisierung. Sie schafft Gewinner und Verlierer. Unter dem Strich ist laut einer Studie im Auftrag des European Milk Boards die Flächenproduktivität der Schweizer Milchproduzenten gestiegen, was auf eine verbesserte Wettbewerbsfähigkeit hindeutet.