Ideales Marktwetter ist es nicht an diesem Freitagmorgen. Bei kühlen 18° C und einsetzendem Regen schlendern nur wenige Leute durch den Bauernmarkt an best gelegener Lage am Marktplatz. «Das Wetter hat einen grossen Einfluss auf die Verkaufszahlen», bestätigt Edith Eigenmann. Seit es den St. Galler Bauernmarkt gibt, fährt sie von April bis Oktober jeweils am Freitag nach St. Gallen, um ihre Produkte und jene von benachbarten Betrieben zu verkaufen.
Serie: Marktbummel
Vielen Konsumentinnen und Konsumenten ist der wöchentliche Einkaufsbummel auf «ihrem» städtischen Markt zu einer lieben Gewohnheit geworden. Sie versorgen sich bei den Produzenten ihrer Wahl mit saisonalen und regionalen Produkten. Sie nutzen die Gelegenheit zu einem Gedankenaustausch. Für die bäuerlichen Direktvermarkter hingegen sind die Markttage oft lang und anstrengend. Sie bilden auch ein wichtiges wirtschaftliches Standbein. Während der Sommerwochen schnuppert die «BauernZeitung» etwas Marktatmosphäre. Bereits erschienen:
1989 schlossen sich Bauern und Bäuerinnen aus St. Gallen und Umgebung in Zusammenarbeit mit dem St. Galler Bauernverband und dem Konsumentinnenforum Ostschweiz unter Präsidentin Ruth Zürrer sowie Reto Voneschen, ehemaliger Journalist, und Stadtrat Peter Schorer zusammen. Im September 1991 starteten zwölf Bauernfamilien und mehrere Bäuerinnenvereine den ersten Markttag mit einem bescheidenen Sortiment aus Obst, Gemüse, Backwaren und etwas Konfitüre.
Ergänzung zum Hofladen
Mit dabei waren auch Edith und Bruno Eigenmann aus Berg SG. «Unser Betrieb war klein und wir suchten nach Nischen», erzählt die Bäuerin. Sie begannen mit Bohnen und verkauften diese damals zusammen mit Eiern, Früchten, weiteren Gemüsesorten und Konfitüre im eigenen Hofladen. «Als die Idee von einem Bauernmarkt mitten in der Altstadt von St. Gallen entwickelt wurde, waren wir sofort dabei», fährt Eigenmann fort. Dies auch, weil ihr Betrieb sehr abgelegen liegt. Wer kein Auto hat, muss von der Bushaltestelle einen 30-minütigen Fussmarsch auf sich nehmen.
Bei der städtischen Bevölkerung kam der Markt von Beginn an sehr gut an. Während der ersten vier Jahren waren die zehn Betriebe mit den Marktständen über die Herbstmonate präsent. Seit 1995 dauert die Marktsaison von Mai bis November.
Auch Rolf Bischofberger, Präsident des 1997 gegründeten Vereins St. Galler Bauernmarkt, ist seit den Anfängen dabei. Seine Frau Judith bäckt Brote und Zöpfe für ihren Marktstand. Zum Angebot gehören Lammfleisch von den eigenen Schafen und Konfitüre sowie Käse von einem Nachbarbetrieb.
Nicht jeder kann mitmachen
Die Zahl der Markfahrer ist über die 28 Jahre plus minus immer gleich geblieben, sagt Bischofberger. Das Produktsortiment habe sich aber stetig erweitert. «Die Palette jedes einzelnen Betriebes ist grösser geworden.» Anfragen von Betrieben, die ebenfalls am St. Galler Bauernmarkt teilnehmen möchten, habe man immer wieder. «Momentan haben wir keinen Platz für weitere Stände», so Bischofberger. «Und der Betrieb muss immer auch in unser Konzept, zu unserem Verein passen.»
Neue Betriebe müssen sich beim Verein zuerst einkaufen und sich während einem Jahr an den Kosten beteiligen. Diese setzen sich aus einer Einkaufssumme (bereits vorhandener Kundenstamm) zusammen plus eine gleichmässige Kostenbeteiligung an den Marktständen, Anhänger und Marktplatz. Nach einer Marktsaison entscheiden die Vereinsmitglieder, ob der Betrieb definitiv aufgenommen wird.
Für Eigenmanns ein wichtiges Standbein
Für Edith Eigenmann und ihr Helferteam beginnt der Markttag schon am Donnerstag. «Wir sind zu dritt eigentlich den ganzen Tag am Produkte richten.» Und dies nebst der Arbeit, die auf dem Betrieb mit Obstbau, Milchviehhaltung und Legehennen sonst noch anfällt. Zwar wird der Hof seit 2012 in zweiter Generation von René und Sandra Eigenmann geführt, Edith Eigenmann hilft aber immer noch voll mit. «Die strengste Zeit ist vor den Sommerferien», sagt sie, weil dann viele Früchte – allen voran die Kirschen – und Gemüse erntereif sind.
«Das Marktfahren ist eine grosse, aber schöne Zeitinvestition», findet Eigenmann. Und auch wirtschaftlich ist er nicht unbedeutend. Der Bauernmarkt und die Direktvermarktung sind mittlerweile eigene Betriebsstandbeine. «Aber nur von der Direktvermarktung könnten wir nicht leben», stellt sie klar.
Immer mehr junge Väter
Die Kundschaft auf dem St. Galler Marktplatz setzt sich aus Jungen und älteren Leuten zusammen. «In letzterer Zeit hat es besonders viele junge Väter mit Kinderwagen», stellt Rolf Bischofberger fest. Was hat sich denn über die letzten Jahre verändert? «Neue Produkte wie Pesto, Wildfrüchte, Pro Specie Rara-Gemüse finden sofort Kunden. Auch fast Vergessenes, zum Beispiel naturgefärbte Eier oder Kefen erfreuen sich grösster Beliebtheit», sagt Bischofberger und ergänzt: «Unsere Produkte sind nicht einfach Trend, wir haben viel gesundheitsbewusste und ökologisch interessierte Kundschaft.»
Freitag ist in St. Gallen Bauernmarkt-Tag
Wie gross ihre Stammkundschaft ist, kann Edith Eigenmann nicht genau sagen. «Wir stellen fest, dass wir viel weniger Laufkundschaft haben, seit wir dieses Frühjahr vom Vadiandenkmal auf den Marktplatz umziehen mussten.» Auch wenn der St. Galler Bauernmarkt verglichen mit anderen Bauern- oder Wochenmärkten klein ist, ist er aus St. Gallen nicht mehr wegzudenken. Wer will und die Einkäufe nicht allzuweit heimtragen muss, findet hier alles, was es für den Wochenendeinkauf an Essbarem braucht – inklusive Blumenstrauss für den Sonntagsbesuch.
Die Eckdaten des St. Galler Bauernmarktes
Ort: Marktplatz
Zeit: jeweils am Freitag, 7.30 bis 13 Uhr
Saison: von Anfang April bis Ende November
Grösse: 10 Stände
Weitere Infos: www.bauernmarkt-sg.ch