Die Schwäne auf dem Zürichsee befinden sich im Ruhemodus. Sie haben ihre langen Hälse in ihr Gefieder gesteckt und verharren bewegungslos auf dem offenen Wasser. Noch ist ein Strassenreinigungsfahrzeug, das an diesem Freitag in der Morgendämmerung unablässig seine Runden dreht, die grösste Lärmquelle. Und ab und zu ist da auch ein Lieferwagen auszumachen, der von der Bahnhofstrasse aus auf die Stadthausanlage einbiegt. Die Anlage mit dem Musikpavillon im Zentrum und einem markanten Bestand an Kastanien ist besser unter dem Namen «Bürkliplatz» bekannt. Und so wird auch der Wochenmarkt genannt, der hier jeweils dienstags und freitags von 6 bis 11 Uhr stattfindet.
Ein Markt für Frühaufsteher
Obwohl mehrere Dutzend Marktfahrer gleichzeitig ihre Stände vorbereiten: Von Hektik ist gar nichts zu spüren. Kein lautes Wort. Vielleicht mal eine kurze Begrüssung. Die Abläufe sind eingespielt, alle wissen, was sie zu tun haben, jeder Handgriff sitzt. Innert kurzer Zeit verwandelt sich die Stadthausanlage in einen Marktplatz. Und erste Kundinnen und Kunden tröpfeln tatsächlich bereits um 6 Uhr ein.
Gegen 9 Uhr bietet sich dann ein völlig anderes Bild. Die Stände werden zwar nicht gerade gestürmt, aber der Andrang ist beträchtlich. Jedoch nicht so gross, dass keine Zeit für einen kurzen Schwatz bliebe. Eine Auskunft etwa über die Herkunft der Ware liegt alleweil drin. Die Kundinnen und Kunden haben die Qual der Wahl: Feinkost aus Griechenland bietet ein Stand an. Spezialitäten aus dem Tirol ein anderer. An einem Dritten gibt es Comestibles aus Italien von Don Giovanni zu kaufen. Aber auch wer sich etwa für iranische Spezialitäten und Trockenfrüchte interessiert oder für exotische Früchte aus Afrika, kommt auf seine Rechnung. Die «Exoten» unter den Marktfahrern bilden allerdings eher die Ausnahme. Erhältlich sind auch Fische aus dem Zürichsee oder Forellen aus einer Bio-Aufzucht in Bachs. Und selbstverständlich findet sich ein reiches Angebot an Molkerei- Käse- und Wurstspezialisten. Das Gros der Marktfahrer bietet aber Gemüse, Obst, Beeren und Salate an. Ob Bio oder konventionell – das Angebot ist beeindruckend und vollständig, Regionalität und Saisonalität werden grossgeschrieben.
Blumen über Blumen
Optisch wird der Markt jedoch durch ein eigentliches Meer von Schnittblumen geprägt. Zu den Gärtnern, die auf dem Bürkliplatz mit ihren Blumen präsent sind, gehören Lilian und Werner Dubach aus Hüttikon. Die beiden verkaufen ihre Blumen neben dem Markt auf dem Bürkliplatz auch an jenem auf dem Lindenplatz in Zürich-Altstetten. Diese beiden Märkte sind ihre einzigen Verkaufskanäle. Ihr Angebot ist saisonal geprägt. Im Frühjahr sind es vor allem Tulpen, die sie zum Verkauf anbieten. Etwas später im Jahre sind es Pfingstrosen und jetzt sind es Rosen in den verschiedensten Farbtönen. Alle Blumen, die sie anbieten, sind aus eigener Produktion. Sie kaufen nichts zu. Deshalb pausieren sie in den Wintermonaten.
Viele produzieren selber
Das Obsthaus Gujer aus Rümlang, einer Vororts-Gemeinde von Zürich, ist heute mit elf Angestellten und einem umfassenden Angebot auf der Stadthausanlage präsent. Früchte, Obst, Kirschen, Beeren und eine grosse Auswahl an Salaten prägen die Auslage des mehrere Meter langen Verkaufsstandes. Ergänzt wird die Auslage durch Spezialitäten wie etwa «Öpfelringli», selbst gemachte Konfitüre oder Most im Beutel. «Etwa ein Drittel des Angebots stammt aus dem eigenen Betrieb», sagt Michael Gujer. Der Honig zum Beispiel komme vom Nachbar, die Salate seien im zürcherischen Steinmaur gewachsen. Weil es rationeller ist, kauft das Obsthaus Gujer aber auch teilweise bei regionalen Plattformen zu und ergänzt sein Angebot zudem auf dem Zürcher Engrosmarkt.
Der langjährige Marktfahrer Michael Gujer schätzt, dass am heutigen Morgen etwa 20 Prozent der gut 80 Anbieter wegen der Sommerferien fehlen. Die meisten der Besucherinnen und Besucher dieses Marktes seien Stammkunden, teilweise kämen aber auch Touristen. Da gebe es solche, die wegen eines Schnäppchens kämen und andere, die den wöchentlichen Grosseinkauf auf dem Bürkliplatz tätigten. Aber, eines ist Michael Gujer wichtig: Etwa drei von vier Marktfahrer auf der Stadthausanlage produzieren selber und ergänzen ihr Angebot lediglich durch gezielte Zukäufe.
Wichtiger Austausch
Michael Gujer ist der Präsident der Vereinigung der Marktfahrer Zürichs. Von den rund 150 Marktfahrern der sechs Zürcher Wochenmärkte sind etwas mehr als zwei Drittel Mitglied dieser Vereinigung. Die beiden grössten dieser Märkte sind jene auf der Stadthausanlage und in Oerlikon. Eher Quartiercharakter haben die Märkte auf dem Helvetiaplatz im Kreis 4, auf dem Lindenplatz in Altstetten, auf dem Michbuck und auf der Rathausbrücke. Der Kontakt zu den für die Märkte zuständigen Beamten sei gut, sagt Gujer – «auch wenn es manchmal etwas einfacher ginge», fügt er an. Aber, so gesteht er ein: «Wir Marktfahrer stellen hohe Ansprüche und sind auch nicht immer die Einfachsten.» Trotzdem ist Michael Gujer der Meinung, dass es Kreise in Zürich geben, denen nicht bewusst sei, was sie an den Wochenmärkten hätten.
Da finde ein reger Kontakt und Austausch zwischen Stadt und Land statt. Und auch die wirtschaftliche Bedeutung der Märkte dürfe nicht unterschätzt werden. Das Obsthaus Gujer etwa führt in Rümlang einen Hofladen und betreibt einen Hauslieferdienst. 80 Prozent seines Umsatzes erzielt es aber an den vier Markttagen an den beiden städtischen Wochenmärkten in Oerlikon und auf der Stadhausanlage. Neben den Familien-mitgliedern beschäftigt das Obsthaus zwei Festangestellte und 20 Teilzeitangestellte, um den Betrieb auf dem Hof und auf den beiden Märkten sicherzustellen.
Der Markt in Stichworten
Ort Stadthausanlage, am Ende der Bahnhofstrasse.
Zeit Dienstag, Freitag:jeweils 6 bis 11 Uhr.
Saison Ganzjährig.
Grösse 80 Stände
Weitere Infos:www.zuercher-maerkte.ch