Im konventionellen Anbau hat sich der Rapserdfloh seit dem Verbot der Saatgutbeizung mit Neonicotinoiden 2013 stark vermehrt. Hunderte Anträge für Sonderbewilligungen für Flächenspritzungen mit Pyrethroiden gehen bei den Fachstellen seither ein (wir berichteten).
Wie bekommt der Biolandbau den Erdloh-Druck geregelt? Jeremias Niggli, Berater Ackerbau beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) stand uns Rede und Antwort.
Jeremias Niggli, ist der Rapserdfloh im Biolandbau ein ebenso grosses Problem wie im konventionellen Anbau?
Jeremias Niggli: Der Rapserdfloh ist in den letzten Jahren vereinzelt auch im Bio-Rapsanbau zu einem Problem geworden. Wir führen dies auf die Klimaerwärmung und die immer wärmeren und trockeneren September zurück.
Können Sie das näher erläutern?
Durch die warmen Wintermonate ist der Schädlingsdruck im Allgemeinen höher. Durch den fehlenden Niederschlag nach der Rapssaat wird die Jugendentwicklung des Raps gehemmt, wodurch er länger in einem anfälligen Entwicklungsstadium verbleibt. Zudem ist auch die Aktivität des Erdflohs bei höheren Temperaturen grösser. In diesem Jahr haben der Niederschlag und die kühle Witterung geholfen, den Erdfloh zu bremsen. Für die Aussaat 2020 sind uns bisher von Bio-Betrieben keine grösseren Schäden gemeldet worden.
Im konventionellen Anbau mussten Landwirte teilweise schon ein drittes Mal Pyrethroide spritzen. Wie wird der Rapserdfloh im Biolandbau in Schach gehalten?
Im Biolandbau gibt es keine direkten Regulierungsmassnahmen wie Insektizide. Es werden Gesteinsmehl oder Hausmittel wie Molke, Pflanzenhomöopathie oder Komposttee eingesetzt. Diese Mittel unterstützen die Pflanzengesundheit und können besonders bei schwachem Befallsdruck eine positive Wirkung haben. Die Regulierungsstrategie des Erdflohs im Biolandbau besteht aus verschiedenen Grundpfeilern, die in ihrer Gesamtheit eine rasche Jugendentwicklung und ein gesundes Wachstum ermöglichen sollen.
Die da wären?
Im Biolandbau wird grundsätzlich versucht, nicht Krankheiten und Schädlinge zu bekämpfen, sondern deren Ursachen zu verstehen und die Umweltbedingungen dahingehend zu verändern, damit Schädlinge gar nicht auftreten. Die Regulierungsstrategie besteht also vor allem aus präventiven Massnahmen wie z. B aus einer standortangepassten, vielfältigen Fruchtfolge mit genügend langen Anbaupausen, einer schonenden Bodenbearbeitung, der Auswahl einer an das Anbausystem angepassten Sorte (wenn möglich), der an die Kultur angepassten Düngung und das Fördern von natürlichen Regulationsmechanismen, z. B. das Anlegen von Nützlingsstreifen oder das Akzeptieren einer Restverunkrautung.
Wie können Nützlinge zur Bekämpfung beitragen?
Eine Nützlingspopulation muss sich zuerst aufbauen, bevor sie Schädlinge regulieren kann. Um dies gewährleisten zu können, braucht es Strukturen, in denen die Nützlinge überleben können. Dazu gehören z. B. Buntbrachen, Blühstreifen oder Krautsäume. Wichtig ist, dass die Nützlingspopulation zur selben Zeit bereits eine gewisse Grösse haben muss, wenn die Schadschwelle bei den Schädlingen überschritten wird. Ein Blühstreifen müsste wahrscheinlich bereits im Frühjahr des Jahres der Rapsaussaat oder im Herbst im Jahr zuvor angelegt werden, damit sich eine Population aufbauen kann. Vermutlich würde es auch nicht reichen, wenn der Blühstreifen am Feldrand angelegt wird, da die Nützlinge eine begrenzte Reichweite haben. Das sind jedoch alles nur Mutmassungen. Inwiefern damit der Schädlingsdruck im Raps gesenkt werden kann, weiss ich nicht, da entsprechende Versuche noch nicht gemacht wurden. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass in einem Bio-Rapsfeld mehr Nützlinge leben als in einem Rapsfeld, in dem Insektizide eingesetzt werden. Somit wird der positive Einfluss der Nützlinge im Bio-Rapsanbau grösser sein.
Interview (schriftlich geführt)
Können die Rapserdfloh-Larven mit entomopathogenen Pilzen bekämpft werden?
Es ist bekannt, dass die Engerlinge von Mai-, Juni- und Gartenlaubkäfern (Blatthornkäfer), die einen grossen Frassschaden im Grünland verursachen können, mit Hilfe von entomopathogenen Pilzen im Boden bekämpft werden können. Gilt dies auch für Rapserdflöhe, fragt ein Leser die BauernZeitung.
Anfällig auf Pilze, aber ...
Erdflöhe gehören zu den Blattkäfern und legen ihre Eier ebenso wie Blatthornkäfer in den Boden ab. «Wir haben Versuche getätigt und im Labor festgestellt, dass die Larven von Rapserdflöhen sehr anfällig auf entomopathogene Pilze reagieren», erzählt Giselher Grabenweger, Mitarbeiter der Forschungsgruppe «Ökologischer Pflanzenschutz im Ackerbau» an der Forschungsanstalt Agroscope. Allerdings sei das Zeitfenster für eine Infektion in der Natur sehr kurz. «Die Larven bohren sich schon kurz nach dem Schlupf in die Wurzeln und Blattstiele der Rapspflanzen ein, wo sie dann vor einem Kontakt mit Pilzsporen geschützt sind», erklärt er. Die Larven der Blatthornkäfer verbleiben dagegen je nach Art Monate bis Jahre im Boden. Im Gegensatz zu den Erdflöhen sind sie während ihrer gesamten Entwicklungszeit dem Infektionsrisiko durch Pilzsporen ausgesetzt.
Bekämpfung in Reihensaat wird getestet
Bei Feldfrüchten, die in Reihen gesät werden, wäre es möglich, die Pilzsporen in hohen Konzentrationen direkt in die Saatfurche auszubringen. «Dies könnte z. B. im Gemüsebau die Chance auf eine erfolgreiche Bekämpfung von Larven der Kohlerdflöhe erhöhen, eventuell aber auch helfen, Rapserdflöhe zu bekämpfen, wenn der Raps in Reihensaat angebaut wird», vermutet Giselher Grabenweger. Grossflächige Versuche gegen Erdflöhe hat Agroscope derzeit nicht geplant. Auf kleinen Flächen, z. B. gegen Kohlerdflöhe an Radieschen, kann die Methode jedoch im nächsten Frühjahr getestet werden.