«Die Ackerflächen dienen in erster Linie der Produktion von Nahrungsmitteln. Wenn sinnvolle Biodiversitätselemente in diesem Bereich angelegt werden, die einen positiven Einfluss auf die Kulturpflanzen haben, steigt die Akzeptanz der Bauern für diese Elemente», sagte Daniel Vetterli, Biolandwirt und Co-Präsident des Verbands Thurgauer Landwirtschaft (VTL), anlässlich einer Flurbegehung auf seinem Betrieb. Mit dabei waren Carmen Haag, Chefin Departement Bau und Umwelt, Sohn David Vetterli, Mitarbeiter der Abteilung Bodenwissenschaften am FiBL, und Peter Schweizer, Biobauer und VTL-Vorstandsmitglied.
Weniger Schädlinge dank Nützlingen im Blühstreifen
Auf dem Betrieb Vetterli werden unter anderem Zuckerrüben angebaut. «Versuche aus anderen Kulturen, zum Beispiel Kohl, zeigten, dass sich der Schädlingsdruck durch die Anlegung eines Blühstreifens reduzieren lässt. Dies gelingt, wenn durch eine geeignete Mischung Nützlinge wie etwa Marienkäfer angezogen werden, welche die Schädlingspopulation dezimieren sollen», sagte Daniel Vetterli. Bei der Besichtigung des Blühstreifens bei den Biozuckerrüben waren bei näherem Hinsehen bereits einige Marienkäfer im Einsatz zu sehen.
«Im Blühstreifen finden Antagonisten der grünen Blattlaus, welche die Viröse Vergilbung in den Zuckerrüben verbreitet, die nötigen Lebensräume. Derzeit ist der Wuchs des Blühstreifens, gesät mit einer einjährigen Mischung ‹UFA Nützlinge Sommerkultur›, aufgrund der nasskalten Witterung im Mai im Rückstand», sagte David Vetterli. Diese Saatgutmischung enthalte geeignete Pflanzenarten wie etwa Kornblumen oder Buchweizen. Ausserdem ist dies eine zugelassene Mischung für Biodiversitätsförderflächen (BFF), welche mit Beiträgen ohnehin gefördert werden.
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Mehr als monetärer Nutzen
Die Versuche sind Teil eines von Bio Suisse finanzierten Projektes zur Verbesserung des Bio-Zuckerrübenanbaus in der Schweiz. Auf diesem Feld in Rheinklingen findet einer dieser Versuche statt. Der Blühstreifen wurde bewusst neben die Hecke gesät, da dies den Effekt noch verstärken könnte.
«Wir erwarten, dass der Schädlingsdruck durch die beiden Lausarten Schwarze Bohnen- oder Rübenlaus und Grüne Pfirsichblattlaus geringer wird», erklärte Daniel Vetterli. Er betonte gegenüber Carmen Haag, dass es bei der Biodiversitätsförderung nicht darum gehe, nur «Geld abzuholen». Die Bauern bräuchten die Artenvielfalt, weil sie mit der Natur arbeiten müssen. Peter Schweizer erörterte, dass in Acker- und Saumstreifen Potenzial zum Schutz von Kleinstlebewesen bestehe.
Wertvoll sind auch Kleinstrukturen wie Ast- und Steinhaufen. Diese werten den Lebensraum für Wildtiere im Kulturland auf. Dass der Ordnungssinn nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch in der Landwirtschaft oft weit verbreitet sei, stünde den Biodiversitätsfördermassnahmen oft im Wege. Hier müsste ganz allgemein ein Umdenken stattfinden, auch unter den Bauern, lautete das Fazit angeregter Gespräche der Bauern mit Regierungsrätin Carmen Haag.
Hecke mitten im Acker
Besichtigt wurde auch die grosse, zusammenhängende Hecke von IP-Landwirt Ruedi Vetterli – er konnte aufgrund einer Feldarbeit nicht an der Begehung teilnehmen –, die sich mitten in den Ackerflächen befindet. «Diese Hecke in intensiv genutzten landwirtschaftlichen Flächen stiess anfangs auf Kritik», lautete Daniel Vetterlis Kommentar dazu. Dabei seien Hecken prädestiniert für den sehr vielfältigen Lebensraum. Dieser müsse zwingend vernetzt sein, um den Erhalt einer Population sicherzustellen.
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«Der Nutzen ist nicht immer im selben Umfang und mit Klarheit zu erkennen. Jedoch in einer Landschaft ohne Vielfalt an Organismen im, auf und über dem Boden wird auch die Landwirtschaft leiden», so Peter Schweizer. Es gehe auch um Qualität statt Quantität bei der Biodiversität. Konkreter Nutzen entstehe unter anderem durch natürliche Schädlingsregulation und Bestäubung bei vermehrtem Futterangebot für Nützlinge, Förderung der Bodenfruchtbarkeit durch Nährstoffmobilisierung und Vitalisierung des Bodens.
Anliegen sind gerechtfertigt
Am 30. Oktober 2019 wurde die thurgauische Volksinitiative «Biodiversität Thurgau» eingereicht. Im Auftrag an den Kanton ist unter anderem formuliert, dass dieser die biologische Vielfalt gezielt und wirkungsvoll fördert, eine kantonale Biodiversitätsstrategie entwickelt und zu ihrer Umsetzung jährlich drei bis fünf Millionen Franken zusätzlich zur Verfügung stellt.
Im Bericht aus dem Jahr 2020 über die Gültigkeit und Stellungnahme der Initiative geht aus den Schlussfolgerungen hervor: Die verfolgten Anliegen sind aus den dargelegten Gründen zu begrüssen. Die Risiken und Nachteile eines weiteren Biodiversitätsverlustes rechtfertigen den mit der Umsetzung der Initiative ausgelösten Aufwand und die vorgesehenen Zusatzmittel.