Steigende Temperaturen und die globale Verschleppung von fremden Schadorganismen werden zunehmend zum Problem. Das geht aus der 3. Nationalen Unterglas-Gemüsebau-Tagung vom 19. und 20. November am Landwirtschaftlichen Institut Grangeneuve in Posieux FR hervor. Höchste Vorsicht sei beim sogenannten Tomato Brown Rugose Fruit Virus (ToBRFV) geboten, der seit Oktober 2018 erstmals in Europa festgestellt wurde. 

Aggressiver und ansteckender Virus

ToBRFV, oder einfacher «Jordan Virus» genannt, ist besonders infektiös und verursacht an Tomaten, Peperoni und bestimmten Zierpflanzen Vergilbungen und welke Blätter, was später zum Absterben der Pflanze führt. Erstmals aufgetreten ist er weltweit in Israel 2014 und in Jordanien 2015. Er wird als «höchst aggressiv und ansteckend» eingestuft und gilt ab dem 01. Januar 2020 in der Schweiz als potenzieller Quarantäneschädling, dessen Auftreten melde- und tilgungspflichtig ist, sagt Simon Blaser vom Pflanzenschutzdienst Agroscope auf Nachfrage.

In Deutschland wurde er bereits festgestellt und erfolgreich bekämpft, in der Schweiz gibt es noch keine Anzeichen für sein Auftreten. Allerdings ist äusserste Vorsicht geboten, stellt Heike Scholz-Döbelin von der deutschen Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen fest. «Der Virus wird über Jungpflanzen eingeschleppt und kann extrem leicht in die Pflanze eindringen.» Die Pflanzenschutzberaterin rät deshalb zu einer aufwendigen Desinfektion inner- und ausserhalb des Gewächshauses.

Alkohol hat keine Wirkung gegen den Virus

«Als präventive Massnahme kann man sich gut den Leitspruch merken: Was ins Gewächshaus gelangt, muss virusfrei sein». Das gilt für Saatgut, Jungpflanzen, aber auch Personal. Mit einer Desinfektion auf Alkoholbasis gelingt das allerdings nicht, stellt Heike Scholz-Döbelin fest: «Alkohol hat keine Wirkung auf diesen Virus.» Sie rät deshalb zu einem Benzoesäure-haltigen Mittel, mit dem die Hände immer vor dem Betreten des Gewächshauses desinfiziert werden sollten. Menno Florades der Firma Omya habe sich als solches bisher gut bewährt – es ist rosa und wird farblos, wenn es seine Wirkung verliert. Es ist auch in der Schweiz zugelassen. Bei grösseren Betrieben würde sich eine Fussdesinfektion über eine Bodenmatte zusätzlich anbieten – die Pflanzenschutzberaterin empfiehlt eine automatische Beschickung zur gleichmässigen Verteilung des Desinfektionsmittels.

 

Vorbeugende Massnahmen gegen den Jordan-Virus

Der Jordan-Virus gilt als besonders infektiös. Damit seine Ausbreitung reduziert wird, sollten folgende Massnahmen durchgeführt werden:

  • Tauchbehandlung des Schnittwerkzeugs in 4% Benzoesäure für 3 min; pH-Wert muss < 4,5 sein (überprüfen mit Indikatorstäbchen oder Sonde);
  • Kisten, Hub- und Erntewagen, grössere Flächen mit 4% Benzoesäure einschäumen, 4 h (ohne Schaum 8-16 h) einwirken lassen – Wasser mit Trinkqualität verwenden;
  • Potenzielle Überträger wie Unkräuter (z. B. Schwarzer Nachtschatten, Weisser Gänsefuss und Amaranth) um und im Gewächshaus entfernen;
  • Drainage desinfizieren
  • Einmalschutzkleidung (Ganzkörperanzug, Handschuhe, Fussüberzüge und Haarschutz) für Berater, Besucher und sonstige Aussenstehende.

Gewächshaus grossräumig desinfizieren

Innerhalb des Gewächshauses sollten für Scheren und Messer Desinfektionsbehälter zur Verfügung stehen. Wichtig dabei: Die Schnittwerkzeuge müssen drei Minuten im Behälter desinfiziert werden, um den Virus wirksam zu bekämpfen. Damit die Arbeit ohne Unterbrechung weiterlaufen kann, empfiehlt Heike Scholz-Döbelin mehrere Scheren und Messer einzusetzen. «Ich habe Mitarbeiter einiger Betriebe gesehen, die entweder einen Gürtel mit Desinfektionsbehälter und Schnittwerkzeug trugen oder an jeder Fruchtreihe einen festen oder mobilen Behälter hatten», erzählt sie aus ihren Erfahrungen. Damit der Virus bei einem möglichen Befall nicht über die Reihen verbreitet wird, sollte pro Reihe ein Set mit Schnittwerkzeug eingesetzt werden.

Alle Personen müssen Schutzkleidung anlegen

Aber nicht nur Personen und Schnittwerkzeuge müssen behandelt werden, sondern auch jede auch noch so schwer zugängliche Ecke, Kisten und Giesswasser desinfiziert und Unkräuter wie Schwarzer Nachtschatten, Weisser Gänsefuss und Amaranth, die als potenzielle Überträger dienen, entfernt werden. Berater, Besucher und sonstige Aussenstehende müssen eine Einmalschutzkleidung aus Ganzkörperanzug, Handschuhen, Fussüberzügen und Haarschutz tragen, bevor sie eintreten dürfen. «Sie sind das grössere Risiko, dass der Erreger ins Gewächshaus eindringt», mahnt Heike Scholz-Döbelin. Der Virus kann bis zu drei Monate auf glatten Oberflächen infektiös sein. Ein Kontakt kommt häufig auch über den Handel beim Kauf von betroffenem Gemüse zustande. 

 

Ich habe einen Verdacht. Was soll ich jetzt tun?

Auf einen Verdacht des Jordan-Virus muss schnell reagiert werden:

  • Proben ziehen (Stelle markieren) und in Plastiksack stecken;
  • Rücksprache mit Labor, damit die Probe anderen Proben vorgezogen wird (Analysedauer 48 Stunden);
  • Verdachtsbereich absperren bis Probeergebnis da ist;
  • Hummelkästen schliessen – auf «in»/nur Einflug stellen;
  • Kantonalen Pflanzengesundheitsdienst informieren – auch bei Verdacht.

Virus ist mit einem speziellen Test feststellbar

Wie kann man aber den Jordan-Virus sicher feststellen? «Es gibt einen spezifischen ELISA-Test, der den Jordan-Virus bestimmen kann», so Heike Scholz-Döbelin. Sie rät, den Gemüsebauern bei Verdacht eine Probe an den kantonalen Pflanzenschutzdienst zu senden mit dem Hinweis «auf den Virus ToBRFV untersuchen» (siehe Kasten).

Früchte werden unverkäuflich

Der Jordan-Virus hat Ähnlichkeiten mit dem Pepino-Mosaikvirus (PMV) – aufgewölbte junge Blätter, Kümmerwuchs und mosaikartige Blattverfärbungen. Seine Symptome können aber je nach Tomatensorte variieren, betont Heike Scholz-Döbelin. Die Sorte «Juanita» weist beispielsweise eine Welke und Vergilbung der ganzen Pflanze auf. Die Früchte färben sich nicht mehr rot, sie bleiben orange. Anders zeigen sich die Symptome bei den Sorten «Lyterno» oder «Romanella». Auf den Früchten entstehen gelbe Flecken. «Lyterno» entwickelt zusätzlich Nekrosen an den Kelchblättern. Die Früchte werden mit diesen Symptomen unverkäuflich.

 

Es wurde ein Befall festgestellt – jetzt muss schnell gehandelt werden

Konnte das Labor einen Verdacht feststellen, müssen unverzüglich:

  • angrenzende Bereiche auch beprobt werden, um festzustellen, ob dort ein Befall besteht;
  • befallene Abteilungen geräumt werden;
  • Pflanzenreste und Substrat in der Müllerverbrennung entsorgt werden;
  • Hummelkästen in der Müllverbrennung entsorgt werden;
  • Umfangreiche Desinfektionsmassnahmen erfolgen;
  • Fachberater des kantonalen Pflanzenschutzdienst hinzugezogen werden.
  • alle Flächen mit einem schäumenden Mittel wie Menno Florades grosszügig zweimal gereinigt werden (Einwirkzeit vier Stunden): Gewächshauswände, Giebel, Energieschirm, Rinnen, Bewässerungsschläuche, Heizungsrohre, Bodenabdeckung (Mypexfolie oder ähnliches), (Beton-)Wege, Hubwagen, Arbeitsmaschinen, Kisten, Tauchbehandlung des Klein-Arbeitsmaterials (Schnittwerkzeug), alles was Kontakt mit Pflanzen und Pflanzenstäube hatte.