Der Hofplatz auf dem Landwirtschaftsbetrieb von Markus Weber (50) in Diessenhofen im Kanton Thurgau ist das Herzstück. Auf der einen Seite steht der frühere Kuhstall, der zum Pferdestall umgebaut wurde und heute den knapp 20 Pensionspferden zur Verfügung steht. Auf der anderen Seite steht die Scheune, das Wohnhaus und das Haus der Eltern, die früher den Hof bewirtschafteten und heute immer noch zur Seite stehen, wenn sie gebraucht werden. Die vielen geflochtenen Stühle laden zum Verweilen ein, etwa zum Schwatz mit den Eigentümern der Pensionspferde, wenn sie zum Ausreiten kommen, für eine kurze Arbeitsbesprechung mit den Angestellten oder ein Austausch mit den Kunden, die sich zum Gemüsekaufen einfinden.
Betriebsspiegel Birkenhof
Name: Markus und Jürg Weber
Ort: Diessenhofen TG
Ackerfläche: 27 ha
Ackerbau: Kartoffeln, Mais, Weizen, Dinkel, Sonnenblumen und Ackerbohnen
Futterbau: Wiesen, Weiden und Extensive Wiesen
Gemüsebau: Freilandgemüse, Spargel, Rhabarber, Treibhausgemüse (Tomaten, Chili, Peperoni, Zucchetti, Gurken u. a.)
Viehbestand: 20 Pensionspferde, 12 Hühner
Gemüseproduktion im unbeheizten Treibhaus
Für Jürg Weber (48), dem jüngeren Bruder von Markus Weber, waren die vergangenen Wochen besonders streng. Er ist erst seit ein paar wenigen Jahren am Betrieb beteiligt, war früher Geschäftsführer der Landi Hüttwilen. Seit Jürg Weber nur noch in einem Teilpensum für die Landi tätig ist, ist er verantwortlich für den Gemüsebau auf dem Birkenhof. «Die Pflanzzeit im Frühjahr ist streng. Bis alles in der Erde und anständig angewachsen ist, braucht es viel Zeit.» Die tiefen Temperaturen und der viele Regen haben ihm auch schon mal eine schlaflose Nacht beschwert, erzählt er.
Zudem musste das neu angeschaffte, ungeheizte Treibhaus, das auf Kufen verschiebbar ist, aufgestellt werden. Der Einsatz hat sich aber gelohnt: in Reih und Glied stehen die frisch gepflanzten Tomaten, Auberginen, Chilis und Peperonis in der warmen Erde, die mit leichtem Stroh bedeckt ist. Die seitliche Lüftung funktioniert automatisch, indem die Seitenwände angehoben oder wieder geschlossen werden. «Für die Vielfalt des Gemüseangebotes sind wir auf dieses Treibhaus angewiesen», sagt Jürg Weber. Er ist auch verantwortlich für das Marketing und den Verkauf und weiss aus seiner langjährigen Erfahrung bei der Landi, was sich die Kundschaft wünscht.
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20 Pensionspferde auf dem Hof
Markus Weber hat, wie sein Bruder, eine landwirtschaftliche Ausbildung gemacht. Nach Weiterbildungen im Handel und Verwaltung besuchte er in Los Angeles eine Pop- und Rock-Musikschule und übernahm 2001 den Hof seiner Eltern. Er betrieb auf den 27 Hektaren wie schon früher seine Eltern Milchwirtschaft und Ackerbau. Durch seine Ex-Frau kam er zu den Pferden. Zuerst pflegten sie eine Fohlenweide und nach dem Stallumbau 2008 ersetzten Pensionspferde dann die Milchkühe. Heute leben ungefähr 20 Pferde auf dem Hof, welche regelmässig von ihren Besitzern besucht und ausgeritten werden.
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Mehr mit natürlichen Prozessen arbeiten
Moderne Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Betriebsgebäude liefern mit ihren 1740 Quadratmetern durchschnittlich 280'000 Kilowattstunden Strom pro Jahr, welcher ins Netz eingespeist wird. Je länger je mehr suchte Markus Weber nach ganzheitlicheren Methoden, seine Felder zu bestellen und die Bodenbearbeitung nachhaltiger anzugehen, um ein vielfältigeres und stabileres Bodenleben zu erhalten. Seine Idee, mehr mit natürlichen Prozessen zu arbeiten, liess ihn nicht mehr los. Als er auf das System der Regenerativen Landwirtschaft (siehe Kasten) stiess, besuchte er sofort den ersten Bodenkurs der beiden deutschen Pioniere Dietmar Näser und Friedrich Wenz.
Ein Traum schien sich zu erfüllen
Damit wurde der Prozess zur biologischen Vielfalt, zu gesunden, lebendigen Böden und einem geringeren Einsatz bis auf den gänzlichen Verzicht von Spritzmitteln auf dem Birkenhof eingeläutet. Markus Weber war bereit, sich auf den Prozess der Veränderungen einzulassen.
Seit 2017 produziert er nach den biologischen Richtlinien und seit ein paar Jahren werden Kurse der beiden deutschen Agronomen Dietmar Näser und Friedrich Wenz zur Regenerativen Landwirtschaft regelmässig auf dem Birkenhof durchgeführt. Das Netzwerk innerhalb der Teilnehmenden wachse stetig und sehr wertvoll sei auch, dass sich ein Betrieb in unmittelbarer Nachbarschaft ebenfalls auf diesen Weg aufmachte, erzählte Markus Weber weiter. Als sich sein Bruder Jürg nach zwanzig Berufsjahren entschied, sein Pensum bei der Landi zu reduzieren, die Geschäftsführung in neue Hände zu geben und sich stattdessen auf dem Birkenhof mit dem Anbau von Gemüse für eine wertvolle Lebensmittelproduktion einzusetzen, schien sich ein grosser Traum zu erfüllen.
Möglichst viele Arten fördern das Bodenleben
Natürliche Umgebungen seien immer vielfältig, sagt Markus Weber und sein Bruder ergänzt: «In der Natur gibt es keine Monokulturen.» Ganz nach diesem Prinzip wird seither auf dem Birkenhof gearbeitet. Die Äcker werden vielfältig bepflanzt. Mischkulturen, Untersaaten und Zwischenfrüchte mit möglichst vielen Arten fördern ein vielfältiges und stabiles Bodenleben. Davon profitieren Bakterien, Pilze und Regenwürmer – alles äusserst wichtige Komponenten eines durch und durch gesunden Bodens. Aber auch die Erde oberhalb profitiere davon. So haben beispielsweise Insekten und Wildbienen stark zugenommen, erzählen beide.
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CO2 soll dauerhaft in den Boden gebracht werden
Wichtig sei, dass man nicht nur von Biodiversität spreche, sondern alles daran setze, sie auch zu ermöglichen. Die Regenerative Landwirtschaft bringe CO2 dauerhaft zurück in die Böden. Dies wiederum bilde die Grundlage für eine ertragreiche und rentable Landwirtschaft und sei nicht zuletzt auch entscheidend für die Ernährungssicherheit der Menschen. Jürg Weber spricht von einer grossen Verantwortung gegenüber ihrer Kundschaft, aber auch gegenüber den nächsten Generationen und der Natur selbst. «Wir sind bestrebt, alle Massnahmen auf dem Feld bis hin zur weiteren Verarbeitung nach den Bedürfnissen der Natur zu erfüllen.»
Digital bestellen und bezahlen
Die beiden Brüder haben sich so eingerichtet, dass sie ohne viel Personal auskommen. Bei den Pensionspferden wie auch im Gemüsebau haben sie je eine Person in Teilzeit eingestellt, Während Jürg im Teilzeitpensum auf dem Hof arbeitet, ist Markus hier Vollzeit tätig. Zur Hand gehen den beiden Brüdern die Eltern, die immer einspringen, wenns grad nötig ist.
Auf den Sommer will man einen regionalen Gemüse-Lieferservice einführen und bereits steht fest, dass die Auslieferung per E-Bike von Vater Walter Weber übernommen wird. Auch wenn der Kontakt mit den Kunden gerne persönlich gepflegt wird, läuft das ganze Informationswesen wie auch die Bestellungen digital ab. Per Threema oder Whatsapp kann die Ware bis zu dreimal wöchentlich und an drei Erntetagen bis morgens um sechs Uhr bestellt werden. Das Gemüse wird anschliessend auf dem Hof geerntet und kommissioniert. Ab elf Uhr kann es bereits auf dem Hof in der Kühlzelle oder ab 13 Uhr auf dem Biohof Trottengarten in Stammheim und in Hüttwilen abgeholt werden. Man ernte täglich nur die Menge, welche auch bestellt wird. Das Ziel sei, möglichst frisch vom Feld zu liefern. Bezahlt wird per Monatsrechnung, bar bei Abholung oder per Twint-Überweisung.
Die fünf Prinzipien
Die Regenerative Landwirtschaft ist als System zu verstehen:
- Pestizide und Kunstdünger werden minimiert. Um das Bodenleben zu verbessern, wird nur gespritzt, wenn es absolut notwendig ist.
- Wenn gepflügt wird, dann nur flach.
- Böden immer bedecken, um diese zu schonen, den Wasserhaushalt zu verbessern und Trockenheit zu vermeiden.
- Es braucht immer lebende Wurzeln im Boden. Sie sind die Kohlenstoffpumpe aus der Atmosphäre und bringen Zucker in den Boden, aus welchem sich das Bodenleben ernährt. Wenn das nicht passiert, ernährt sich das Bodenleben vom Humus, der deshalb abnimmt.
- Nötig ist eine hohe Diversität innerhalb der Fruchtfolge, aber auch innerhalb der Kultur. Möglichst Mischungen und robuste Sorten verwenden. Es geht Richtung Permakultur, auch wenn man hier meistens von einjährigen Kulturen ausgeht.
- Vitalisierende Spritzungen mit natürlichen Extrakten werden empfohlen.
- Tierhaltung soll ins Ökosystem integriert werden. Hühner, Kühe und Schweine vermehrt auf die Weide lassen. Dies gibt eine positive Wirkung auf die Böden, hilft beim Humusaufbau und dient der Erneuerung.