In der diesjährigen Untersuchungskampagne des Schweizer Verbandes der Kantonschemiker wurden 300 Proben von Trinkwasser aus der ganzen Schweiz untersucht. Dabei wurde nach Belastungen durch mögliche Rückstände von Nitrat, Pflanzenschutzmitteln unter Einschliessung von Abbauprodukten inklusive Glyphosat gesucht.
Hetzjagd gegen die Landwirtschaft
Die im September veröffentlichten Resultate schlugen wie eine Bombe ein. Sie heizten die Diskussionen um die anstehenden Volksinitiativen rund um die Wasserqualität richtig an. Es war gar von einer Hetzjagd gegen die Landwirtschaft die Rede. Diese hielt sich allerdings beim Einsatz von Pflanzenschutzmitteln an die gängige Praxis und die geltenden Gesetze und Vorschriften. Die Studie bewog die IG Lebensraum Klettgau, sich diesen umfassenden Fragen zu stellen. Sie thematisierte die Problematik am 13. November an einem sehr gut besuchten Informationsabend.
Es gibt Handlungsbedarf
«Das Trinkwasser wird sehr gut untersucht», hielt der Schaffhauser Kantonschemiker und Amtsleiter des interkantonalen Labors, Kurt Seiler, einleitend fest. Trinkwasser müsse hinsichtlich Geruch, Geschmack und Aussehen unauffällig sein und dürfe hinsichtlich einer möglichen Konzentration von Mikroorganismen sowie Kontaminanten keine Gesundheitsgefährdung darstellen. Bezüglich der festgestellten Nitratbelastung zeigte sich laut Seiler, dass keine Höchstwertüberschreitungen im Trinkwasser festgestellt worden waren. Bei den Untersuchungen auf Pflanzenschutzmittelrückstände zeigte sich ein ähnliches Bild. Bei einigen Probestandorten drängte sich allerdings ein Handlungsbedarf auf.
Lernfeld für PSM-Zulassung
Handlungsbedarf zeigte sich beim Wirkstoff Chlorothalonil. Dieser ist seit bald 50 Jahren als Pflanzenschutzmittel zugelassen und wurde denn auch entsprechend den Vorgaben eingesetzt. Für den Schaffhauser Kantonschemiker Kurt Seiler könnten die Befunde zu Chlorthalonil ein neues Lernfeld für die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln werden.
Konsumenten in der Pflicht
In seiner Funktion als Leiter des Schaffhauser Landwirtschaftsamtes kam Markus Leumann auf die grossen Herausforderungen an Landwirtschaft und Produktion zu sprechen. Eine ständig steigende Bevölkerung müsse mit immer weniger Anbaufläche ernährt werden. Zugleich steige der wirtschaftliche Druck bezüglich der Preise. Auch seien die Landwirte mit den Qualitätsansprüchen der Konsumenten konfrontiert.
Landwirtschaft nicht alleine Schuld
Leumann machte aber auch deutlich, dass die Landwirtschaft nicht allein die Schuld an den Verunreinigungen der Gewässer trägt. Er sieht sie aber mit Blick auf die Nitratwerte sowie auf Pflanzenschutzmittel in der Pflicht. «Doch», so Leumann, «auch die Industrie und jeder Haushalt tragen eine Verantwortung für eine Vielzahl von Chemikalien, die in die Abwässer gelangen.» Leumann wehrte sich vehement dagegen, dass die Landwirtschaft als Sündenbock abgestempelt wird: «Die Landwirtschaft hat die Gesetze immer eingehalten und nur zugelassene Pflanzenschutzmittel eingesetzt.»
Konsumenten in der Pflicht
Zugleich sieht Leumann aber auch die Konsumenten in der Pflicht. Diese zeigten eine beschränkte Zahlungsbereitschaft für höhere Preise. «Verbesserungen brauchen Zeit: Es sind zusätzliche Investitionen in Forschung, Züchtung und Technik nötig», so lautet Leumanns Botschaft. Die Bereitschaft aller Beteiligten sei gross, weitere Verbesserungen zu tätigen.
Regeln über Nacht geändert
An der nachfolgenden Podiumsdiskussion beteiligten sich neben den Referenten auch die Agronomin Martina Jenzer-Ruh und Pflanzenschutzberater Hansueli Graf. Martina Jenzer wies darauf hin, dass der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln jeweils nach der landwirtschaftlich erlaubten Praxis erfolgt. Graf machte deutlich, dass die Landwirtschaft nur Nahrungsmittel produzieren will. Er fragte sich etwa mit Blick auf Kosmetika und Medikamente, welche Abbau- und Schadstoffe neben jenen aus der Landwirtschaft im Wasser zu finden sind.
"Am anderen Morgen standen die Bauern am Pranger"
«Über Nacht sind die Spielregeln geändert worden. Und am anderen Morgen wurden die Bauern dann an den Pranger gestellt», so Graf. Er kam aber auch ein grosses Dilemma zu sprechen, in welchem die Bauern aktuell stecken: Das Verbot eines Beizmittels bei Raps und Zuckerrüben führt nun dazu, dass mit Blick auf die Ertragssicherheit ganzflächige Einsätze von Pflanzenschutzmitteln nötig sind. Weiter kam auf dem Podium auch der Humusaufbau im Boden zur Sprache. Dieser kann als wertvoller Filter eingesetzt werden. Hier sah ein Diskussionsteilnehmer die grosse Chance in der Förderung der Permakultur.
Biodiversität nimmt ab
Thematisiert wurde auch die schwindende Biodiversität, für die man gerne den Schwarzen Peter der Landwirtschaft zuschieben wolle. Martina Jenzer sieht für diese Entwicklung noch ganz andere Gründe: etwa die ständig vorangetriebene Zubetonierung von Grünflächen oder die Gartengestaltung. Auch in diesen Bereichen stehe die gesamte Gesellschaft in der Pflicht.