«Unsere Hypothese lautet: Konsumenten wollen Proteine, und zwar aus Schweizer Produktion», sagte Dany Schulthess vor einer Woche eingangs der Fachtagung «Protein Power» in Lindau. Der Lehrer für Marketing am Strickhof hatte die Veranstaltung organisiert, um Landwirte und Lebensmittelverarbeiter zu einem Austausch zusammenzubringen und den Trend zu einheimisch angebauten Proteinpflanzen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Viele wissen kaum etwas über Proteine

Zusammengekommen waren schliesslich 70 Teilnehmerinnen und Teilnehmer, vornehmlich aus der Landwirtschaft und Lebensmittelbranche. «Wenn tatsächlich ein solches Potenzial besteht, sollten wir gemeinsam die Chance nutzen, um in der Schweiz von der Wertschöpfungskette zu profitieren», so Dany Schulthess.

«Proteine sind immer mehr gefragt. Dennoch wissen viele Leute wenig darüber», sagte die Zürcherin Melanie Reyes, Ernährungscoach und ehemalige Spitzensportlerin in ihrem Inputreferat. Bei einem Grossteil ihrer Kundinnen und Kunden stelle sie beim Vergleich mit den Ernährungsprotokollen fest, dass die Proteinzufuhr zu tief sei. «Dies geht häufig einher mit einem stressigen Lebensstil, dem Konsum von Fast Food und einem fehlenden Körpergefühl», so Reyes. Studien würden darauf hinweisen, dass pflanzliche Eiweisse im Vergleich zu tierischen gesünder sind und kein erhöhtes Risiko für Herzkreislauferkrankungen aufweisen. Ihre biologische Wertigkeit ist jedoch tiefer, das heisst, sie lassen sich vom Körper weniger gut in Eiweisse umwandeln als tierische Proteine.

Dass der Trend vermehrt dahin geht, Fleisch aus pflanzlichen Proteinen anzubieten, zeigt das Beispiel der Zürcher Firma Planted, die vor zwei Jahren als ETH-Spin-off gegründet wurde: «Menschen lieben Fleisch», sagte Marketingchefin Sabrina Balestra. «Jedoch wird die Weltbevölkerung um 2050 die 10-Milliarden-Grenze erreichen. Es gilt, die Essgewohnheiten zu überdenken.» Planted hat sich zum Ziel gesetzt, pflanzliches Fleisch mit einer faserreichen Textur zu entwickeln und dieses in einer breiten Produktepalette zu vermarkten. Dazu wird ein 30-köpfiges Forscherteam beschäftigt. Die Produkte werden im Nassextrusionverfahren hergestellt und bestehen aus wenigen Zutaten wie Gelberbsen, Rapsöl, Wasser und Vitamin 12, auf Zusatzstoffe wird verzichtet.

Die Herkunft von Rohstoffen thematisierte Markus Lüssi, Leiter Verkauf bei Bischofszell Nahrungsmittel: «Die Versorgungsengpässe in Asien zeigen uns, dass es Sinn macht, auch in der Schweiz proteinreiche Pflanzen anzubauen.» Lüssi ist zudem der Meinung, dass auch Nebenstromprodukte wie Raps vermehrt erschlossen werden sollten: «Viele Proteine landen in Tierfutter, dabei könnte man sie für menschliche Nahrungsmittel nutzen.»

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Drinks mit unterschiedlichen Nährwerten

Die Umweltwirkungen alternativer Proteinquellen erörterte Thomas Nemecek von Agroscope: «Pflanzliche Ersatzprodukte für Milch und Fleisch sind vielversprechend», sagte Nemecek. «Doch sind sie nicht per se nachhaltiger. Die Ökobilanz hängt vom Reifegrad der jeweiligen Technologie ab.» So bestehe etwa für die Verarbeitung ein hoher Energiebedarf. Kultiviertes Fleisch sei noch nicht günstiger für die Umwelt, und pflanzliche Drinks schnitten zwar meist besser ab als Kuhmilch, jedoch müssten dabei auch die unterschiedlichen Nährwerte beachtet werden.

Doch wie sieht die Anbausituation in der Schweiz tatsächlich aus? «Körnerleguminosen werden derzeit vor allem für Tierernährung angebaut», stellte Martin Bertschi, Bereichsleiter Pflanzenbau am Strickhof, fest. Dabei habe der Anbau für die menschliche Ernährung grosses Potenzial. Leguminosen hätten etwa den Vorteil, dass sie Stickstoff aus der Luft fixieren können und einen guten Vorfruchtwert aufweisen. Doch es gebe auch Nachteile, etwa bezüglich Standfestigkeit und Unkrautunterdrückung. Zu nennen seien auch der Aufwand für Transport und Reinigung sowie tiefere Erträge als bei anderen Ackerkulturen.

Zürcher Kichererbsen

Förderbeiträge vom Bund gibt es zwar, jedoch nur beim Bioanbau für Tierfutter. Martin Bertschi: «Der Anbau von Körnerleguminosen für die Humanernährung sollte der tierischen Produktion gleichgestellt und entsprechend gefördert werden.» Zudem fehle es noch an Möglichkeiten zur Verarbeitung, so etwa an Sammelstellen.

Im Kanton Zürich haben dieses Jahr mehrere Landwirte und Landwirtinnen Kichererbsen angebaut. Einer der Pioniere ist Sven Studer vom Spargelhof der Juckerfarm in Rafz. Begonnen hat er damit vor zwei Jahren. Eine einfache Kultur ist es nicht: «Die Pflanze ist sehr fein, der Unkrautdruck gross.» Nach einem erfolgversprechenden Jahr mit einer Ernte, welche die Produktion von Hummus erlaubte, kam es dieses Jahr aufgrund der kühlen und nassen Witterung zum Totalausfall. Doch Studer macht weiter: «Die Nachfrage ist gross. Allerdings sollen die Produzenten einen vernünftigen Preis erhalten.»

Nun seien alle auf der Wertschöpfungskette zusammenzubringen und auch für genügend Rohstoff soll gesorgt werden, schlussfolgerte Dany Schulthess.