«Wir gehen mit grossem Respekt in die neue ­Saison», erklärt Landwirtin und Schafhalterin Frieda Steffen aus Andermatt der BauernZeitung.

Im Dorf gibt es noch zwei Betriebe mit Schafen, alle anderen haben diesen Betriebszweig aufgegeben. Dass der Wolf in die Region gekommen ist, hat vielen die Arbeit verleidet. Familie Steffen hält 40 Mutterschafe. Im Frühling wird die Herde mit den Jungtieren auf rund 100 Schafe anwachsen, dazu kommen 100 Tiere von anderen Besitzern zur Sömmerung.

Wolf ging durch den Stromzaun

In Andermatt hat sich der Schnee gerade eben verzogen, die üblichen Frühlingsarbeiten und das Beseitigen von Sturmschäden stehen an. Danach kommt das Zäunen. Seit Jahren zäunen Steffens den Wildtieren zuliebe nicht mehr mit Kunststoffnetzen, sondern mit dreifachen Strombändern, «mit massiv ‹Pfuus› drauf», sagt Frieda Steffen. Das hielt den Wolf im vergangenen Sommer nicht davon ab, auf ihrer Weide in Andermatt Schafe zu reissen. «Die Schafe konnten wegen des Zaunes dann auch nicht flüchten», sagt die Landwirtin über den Nebeneffekt der Schutzmassnahme. «Ob fünffache Bänder den Wolf abhalten würden?», fragt sie sich. Es ist unsicher. Definitiv würde es hingegen mehr Kosten und Arbeit bedeuten.

«Da wird noch manch einer sagen, er habe es jetzt mit der Schafhaltung gesehen.»

Die Urner Landwirtin und Landrätin Frieda Steffen über die Folgen von mangelnder Unterstützung der Schafhalter.

Offizielle und andere Hunde

Steffens zäunen alle Weiden ein. Auf der Alp, wo dies nicht geht, stellen sie der Schafherde zwei Lamas zum Schutz zur Seite. Herdenschutzhunde vertragen sich schlecht mit Touristen, zudem gibt es sie momentan nur nach einer Wartezeit von gegen zwei Jahren. Frieda Steffen weiss von einem Landwirt im Gotthardgebiet, der sich mit einem Schutzhund aus Deutschland behalf. Dieser machte seine Arbeit zwei Jahre lang gut, danach wurde er selber Opfer des Wolfs. Weil ihm die Anerkennung in der Schweiz fehlt, galt er nicht als offizieller Herdenschutzhund. Der Besitzer bekam keine Entschädigung für das Tier.

Schafe halten Grünerlen im Zaum

Gerissene Schafe seien nicht nur für den Tierhalter ein Problem, sondern für die ganze Region, weist Frieda Steffen auf die grösseren Zusammenhänge hin: «Das Beweiden mit Schafen schützt die Landschaft vor Verbuschung und Vergandung.» Ohne Bewirtschaftung würden auf den Alphängen in der Region die Grünerlen überhandnehmen, gemäss Steffen eine Monokultur, die Lachgas und Nitrat an die Umwelt abgebe und im Winter nicht vor Lawinen schütze. «Das wird für die Region und das Klima eine viel grössere Herausforderung werden, als es jetzt die Unterstützung der Schafhalter wäre.»

Eine Interpellation ist eingereicht

Darum hat Frieda Steffen, die nebst Landwirtin auch CVP-Landrätin ist, im vergangenen November eine Interpellation zur «Erhaltung der Lebens­räume in den Berg- und Alpgebieten» eingereicht. Die Antworten des Regierungsrates vom 7. April findet Frieda Steffen über weite Teile nicht befriedigend.

LN und Alpen sind betroffen

Ihre Frage, ob das Naherholungsgebiet Unteralptal als zumutbar schützbar eingeschätzt werde, sei nicht beantwortet worden, führt sie als Beispiel auf. Die Ausführung des Regierungsrats bezieht sich nur auf die Alpen im Gebiet Urserental. Die gelten als zumutbar schützbar. «Aber bei uns fand der Wolfsriss auf landwirtschaftlicher Nutzfläche statt», erinnert Frieda Steffen. Auch auf den Kostenfaktor des Zäunens sei nicht eingegangen worden, erklärt die Landrätin. Sie weist zudem auf Widersprüche hin: Heute werde den Bauern der Einsatz von Kunststoffnetzen empfohlen. Dabei arbeite der Tierschutz an Labeln, die solche Netze ausschliessen würden.

«Die werden bis in einige Jahre verschwinden, darüber müsste man die Schafhalter doch informieren, bevor sie jetzt welche kaufen.»

«Beweiden schützt vor Verbuschung.»

Frieda Steffen über den Nutzen der Schafe für alle.

Viele Fragen bleiben offen

Unklar bleibe zudem die Entschädigung für Folgekosten nach einem Schadenereignis. Das soll gemäss Regierungsrat fallweise entschieden werden. «So haben die Schafhalter überhaupt keine Sicherheit. Überhaupt bleiben viele Fragen offen. Da wird sich wohl noch manch einer sagen, er habe es jetzt gesehen mit der Schafhaltung.»

Frieda und ihr Ehemann Beat Steffen sind den Schafen treu geblieben. Ihren Betrieb haben sie mittlerweile an den Sohn übergeben, inklusive Schafen, arbeiten aber nach wie vor mit.

Betroffener hat Wolfriss nach Jahren nicht verarbeitet

«Es geht an die Substanz», kommentiert Frieda Steffen die Schafhaltung in Zeiten des Wolfs. Besonders schlimm sei es, wenn die betroffenen Schafhalter noch als Täter hingestellt würden, die ihre Schafe ungenügend geschützt hätten. Nach dem Wolfsriss im vergangenen Sommer bekam sie einen Anruf von einem Landwirt, der dieselbe Erfahrung gemacht hatte. «Bei ihm ist das vor Jahren passiert», berichtet Frieda Steffen, «aber ich habe gemerkt, dass der Bauer das Ereignis überhaupt nicht verarbeitet hat. Die Meldung von unserem Vorfall hat bei ihm wieder schlaflose Nächte verursacht, obwohl er heute gar keine Schafe mehr hält.»

Dass in solchen Situationen ein Care-Team im Einsatz ist, findet sie sehr gut. «Die Betroffenen müssen das aber auch wissen und über die Möglichkeit informiert werden.»