Auf dem Fahrhof in Sins haben sich die Gebrüder Ruckli entschlossen, ihren Betrieb mit einer Biogasanlage zu ergänzen. Diesen Schritt haben sie in Absprache mit den Nachbarn getroffen. Von Vorteil dabei: Für den Düngerfluss können bestehende Bodenleitungen genutzt werden. Die Anlage ist für die Vergärung von jährlich 5000 Tonnen Gülle und Mist konzipiert, die Hälfte davon stammt vom eigenen Betrieb. Das Endlager ist bereits erstellt, Baustart für die Anlage ist Ende Monat, Betriebsbeginn im kommenden Frühling. Die Kosten von 900 000 Franken werden durch einen Investitionskostenbeitrag von 50 Prozent abgefedert. Dazu kommt ein Betriebskostenbeitrag von 29 Rappen/kWh. Im Vollbetrieb entspricht die Stromproduktion dem jährlichen Bedarf von 120 bis 150 Haushalten.

Milch und Schweine als unsichere Zweige

Sowohl die Milchwirtschaft als auch die Schweinehaltung sind für Marc und Lukas Ruckli mit Blick auf die Zukunft mit Unsicherheiten behaftet. «Deshalb wollen wir auf erneuerbare Energie als zusätzlichen und neuen Betriebszweig setzen», erklärt Marc.

Die Brüder haben den Fahrhof ausserfamiliär übernommen. «Der Vorbesitzer hat schon vor 15 Jahren eine Solaranlage auf dem Scheunendach montiert. Daran wollen wir anknüpfen.» Dass das Projekt zustande kommt, sei massgeblich dem guten Verhältnis mit den Nachbarn zu verdanken, die ebenfalls tierintensive Betriebe führen. Als Motivation für die Biogasanlage nannten Rucklis die Nutzung des Energiepotenzials aus Gülle und Mist, den idealen Standort mit Rindviehbetrieben in der Nachbarschaft, Pflege der Zusammenarbeit, kurze Transportwege und der Wille zu Innovationen und neuen Betriebszweigen.

Gülletransporte reduzieren

Solche Formen der Zusammenarbeit sind ganz im Sinne von Othmar Vollenweider. Er ist seit 30 Jahren als Düngeberater für das Freiamt tätig. Vor sieben Jahren hat der Kanton diese Aufgabe an den Bauernverband Aargau (BVA) ausgegliedert. Nebst Fragen rund um die betriebliche Nährstoffbilanz nennt er als wichtiges Ziel, Gülletransporte möglichst zu reduzieren. «Deshalb unterstützen wir Bauern, die eine Biogasanlage bauen wollen, und begleiten den Prozess.» Projekte wie auf dem Fahrhof trügen dazu bei, das Potenzial von Gülle und Mist besser zu nutzen – «regional, nahe und effizient».

Vollenweider betonte, es gehe nicht nur um die Energiegewinnung. «Vergorene Gülle stinkt weniger und hat bessere Fliesseigenschaften.» Bei der Vergärung um zirka 40 Grad würden zudem Unkrautsamen und Krankheitserreger reduziert. «Gärgülle ist ein homogenes, nährstoffreiches Produkt, man weiss über die Beschaffenheit genau Bescheid.»

Mehr TS gleich mehr Energie

Nähere Angaben zur Anlage und Funktionsweise machte Daniel Lampart, Geschäftsführer der Agrigas GmbH. Aus dem Sammelbecken wird kontinuierlich Substrat in den Fermenter mit einem Bruttovolumen von 1500 m3 gepumpt. Die Verweildauer beträgt 80 bis 100 Tage bei einer Temperatur zwischen 37 und 42 Grad. Durch die Vergärung entsteht Biogas, das einen Motor antreibt. Das Biogas besteht zu rund 55 Prozent aus Methan, der Rest hauptsächlich aus CO2. Die klimaschädlichen Gase werden also dem Kreislauf entzogen.

Für einen reibungslosen Betrieb sind rund um die Uhr vollautomatisierte Prozesse mit steten Analysen und Kontrollen erforderlich. Die Substratzufuhr sollte möglichst gleichförmig erfolgen. «Viele Wechsel sind schlecht für die Anlage. Die Bakterien können nicht rasch genug auf Änderungen reagieren», so Lampart. Je höher der Trockensubstanz-Gehalt des Substrats, desto grösser ist die Stromausbeute. Rindermist etwa hat eine höhere Energiedichte als Schweinegülle. «Das Wasser dient mehr als Transportmittel im ganzen Prozess.»

Betriebsspiegel
 
Betriebsleiter: Marc und Lukas Ruckli
Ort: Höfen 1, Sins AG
Nutzfläche: 37 ha LN, mit Futterbau und Ackerbau (Mais, Getreide, Raps, Speiseerbsen)
Tiere: 26 Milchkühe, 20 Stück Jungvieh, 120 Zuchtsauen mit Ferkeln, 250 Mastschweine, 100 Hühner
Lohnarbeiten: Kleinballenpressen, Bodenbearbeitung und Saat; Winterdienst, Kommunalarbeiten, Heckenpflege, Hofladen mit Produkten vom Hof (Himbeeren, Eier, Glace usw.)
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaare, ein Angestellter, ein Lehrling


Fördergeld auch ohne Co-Substrate

Vom neuen Fördermodell profitieren nun auch Biogasanlagen, die nur auf Gülle und Mist basieren. Vorher war ein Betrieb ohne energiereichere Co-Substrate wie Grün- und Bioabfälle kaum rentabel möglich.

Mehr Planungssicherheit dank flexiblem Modell

Der Investitionskostenbeitrag von 50 Prozent gilt für die Biogasanlage inklusive aller notwendigen Komponenten. Das neue Modell weist laut Daniel Lampart einen weiteren entscheidenden Vorteil auf: Statt der Einspeisevergütung kann ein Betriebskostenbeitrag von maximal 29 Rappen/kWh (für reine Hofdüngeranlagen) beantragt werden. Der Betreiber kann darauf  verzichten, wenn ihm ein Abnehmer einen besseren Preis bietet – aber jederzeit auch wieder zum Fördermodell zurückkehren. «Damit entsteht eine Planungssicherheit, die es zuvor nicht gab», sagte Lampart. Das Interesse für Biogasanlagen, die auf Hofdünger basieren, sei deshalb spürbar gewachsen.

«Marktmodell mit staatlicher Absicherung»

BVA-Geschäftsführer Ralf Bu­cher nannte es ein «Marktmodell mit staatlicher Absicherung». Er räumte ein, dass es sich bei der Energiegewinnung durch Klein-Biogasanlagen um teuren Strom handle. «Die Frage ist, ob wir es uns angesichts von möglichen Energiemangellagen leisten können, auf dieses Potenzial zu verzichten.» Ein Notkraftwerk zu betreiben, sei noch viel teurer. Für ihn steht fest: «Wenn wir von den fossilen Energien wegkommen wollen, müssen wir die bestehenden Möglichkeiten ausschöpfen.» Stromerzeugung aus Hofdünger trage nicht nur zum Ersatz von nicht erneuerbaren Energien bei. Sondern sie reduziere auch die CO2- und Methan-Emissionen.