«Irrsinnig», sagt Sandra Belser. Sie strahlt – es ist absolut positiv gemeint und ihre Antwort auf die Frage, wie sich im neuen Stall arbeiten lässt. Dass sich auf dem Wolfig im aargauischen Wölflinswil etwas Grosses getan hat, zeigt schon von Weitem der 920-m3-Silo an. Der blaue Turm ragt neben dem Neubau in die Höhe, in den die Herde mit dem Präfix Wolfhead vor acht Monaten eingezogen ist. Aus dem Anbindestall mit Rohrmelkanlage in einen Boxenlaufstall mit automatischem Melksystem – ein grosser Wechsel.

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Zweite Garnitur Werkzeug wurde nötig

«Wir haben länger als die Kühe für die Umstellung gebraucht», sagt Sandra Belser und lacht. Es gibt weniger Handarbeit, dafür mehr Technik, weniger körperliche Anstrengung, dafür längere Wege. Das Stallgebäude ist 70 mal 42 Meter gross, «da überlegst du dir, wo du das Werkzeug deponierst». Die Bäuerin hat sich jedenfalls bald eine zweite Garnitur besorgt, und nach Feierabend steht das Bedürfnis zu wandern nicht im Vordergrund.

«Es muss ein Familienbetrieb bleiben.»

Marcel Belsers Ziel war eine erträgliche Arbeitsbelastung trotz Betriebsvergrösserung.

«Das ist jetzt eben ein Laufstall», scherzt ihr Mann. Auch er ist glücklich mit dem Neubau. «Jetzt ist es wieder richtig interessant geworden», sagt der 56-jährige Betriebsleiter. «Wir betreuen heute doppelt so viele Tiere in der gleichen Zeit bei weniger körperlicher Anstrengung.» Das habe aber nichts mit Massenabfertigung zu tun, die Kühe seien eher noch zahmer geworden. «Es muss ein Familienbetrieb bleiben», das war immer sein Ziel.

Tag der offenen Tür
Boxenlaufstall mit 67 Milchviehplätzen, davon 10 Aussenboxen, 50 Rinderplätze und Kälberstall mit 25 Plätzen auf Tiefstreu und Tränkeautomat; automatisches Melksystem GEA: Samstag, 13. August, ab 18 Uhr Wolf-Bar; Sonntag, 14. August, ab 9 Uhr Tag der offenen Türe auf dem Wolfig in Wöflinswil AG.

Das Klima bleibt auch bei Hitze angenehm

Beide Töchter haben Landwirtin gelernt. Mit der 25-jährigen Bettina geht es auf eine Führung durch den Stall. Die Liegeboxen lassen den Kühen viel Freiheit, sie bewegen sich durch breite Laufgänge, deren Betonspalten mit profiliertem Gummi belegt sind. Ein Mistroboter hält den Boden sauber, ein zweiter Roboter schiebt das Futter zu.

Bei Aussentemperaturen über 30 Grad ist das Klima im Stall angenehm, «der kühlste Ort auf dem ganzen Betrieb», erklärt Bettina Belser. Der Stall lässt sich dank Hubfenstern und -toren vollständig schliessen. Das wurde auf den Winter ausgelegt, der hier oben bissig sein kann. Aber es erweist sich auch im Sommer als Segen: Die geschlossenen Tore halten die Sonnenhitze ab. Die Querlüftung unter dem Pultdach, das mit Sandwichpaneelen isoliert ist, bleibt gewährleistet.

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Die Herde hat eine hohe Milchleistung

Es ist ein äusserst komfortabler Stall, den Belsers ihren Holstein- und Red-Holstein-Kühen bieten. Im Gegenzug setzen sie auf hohe Milchleistung. Vor dem Umzug lag der Schnitt bei über 10'000 Kilogramm Milch, heute sind es trotz 80 Prozent Erstmelken immer noch rund 9000 Kilogramm. Gestartet wurde im vergangenen November mit 28 laktierenden Tieren, heute werden bereits 43 Kühe gemolken. Die Herde wird sukzessiv durch eigene Nachzucht vergrössert und der Verkauf von Nutz- und Zuchtvieh danach wieder aktiviert.

Mehr als genug Futter

Belsers haben das Potenzial bezüglich Grösse voll ausgenutzt, limitierender Faktor war die bewirtschaftete Landfläche mit 37 Hektaren inklusive sicherem Pachtland. Möglich wäre der Einbau eines zweiten Roboters und die Umnutzung der Rinderplätze für laktierende Kühe. Futter wird aus der Region zugekauft; es steht mehr als genug zur Verfügung. «Im Fricktal haben viele Betriebe extensiviert, die Tierhaltung abgebaut oder aufgegeben», erklärt der Betriebsleiter Marcel Belser. Die Besitzer bewirtschaften das Land noch selber, verkaufen aber Heu, Mais und Stroh zu guten Konditionen.

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Intensiv und nachhaltig produzieren

Ein grosser Stall und Hochleistungskühe – das ist nicht gerade das, wonach Gesellschaft und Politik rufen. «Aber essen wollen sie auch», kontert Bettina Belser. «Intensiv produzieren ist nachhaltig. Ich melke lieber mit einer Kuh 10'000 Kilo als die gleiche Menge mit zwei, drei Kühen.»

Planungsbasis für den Neubau war der Stallgrundriss eines Berufskollegen. Ein Eventraum zögerte die Baubewilligung hinaus, Belsers ärgerten sich nicht über die Wartezeit, sondern feilten an den Details. Alle redeten mit und brachten ihr Fachwissen und ihre Erfahrung ein. Heute freuen sie sich über das durchdachte Ergebnis. «Eine Ablaufrinne beim Kälberstall werden wir noch fräsen», mehr Verbesserungspotenzial sieht Bettina Belser derzeit nicht.

Dann wird es Zeit für ein Foto, denn mittlerweile sind alle wichtigen Personen eingetrudelt – der Betrieb ist schliesslich Familiensache. Mit dabei ist Bettinas Lebenspartner Pascal, Zimmermann-Vorarbeiter von Beruf; die beiden wohnen in einer Zweitwohnung auf dem Betrieb und werden demnächst Eltern.

Danach verschwinden alle in verschiedene Richtungen. Sandra bringt den Kälbern Heu und besorgt ihre Kleintiere, Marcel und Angela zäunen den Mais gegen die Wildschweine ein, Bettina und Pascal schauen beim Milchvieh zum Rechten. Eine strikte Aufgabenteilung hat das Team nicht, das System funktioniert nach dem Motto: Alle packen mit an.

Betriebsspiegel
Betriebsleiterpaar: Marcel und Sandra Belser
Ort: Wölflinswil AG
Arbeitskräfte: Betriebsleiterpaar; Tochter Bettina, Landwirtin EFZ, angestellt mit 40-%-Pensum (60 % bei Swissgenetics); 1 HAFL-Praktikant(in); regelmässige Mitarbeit von Tochter Angela, Landwirtin EFZ (100-%-Pensum auswärts) und Pascal Neuenschwander (Lebenspartner von Bettina)
LN: 37 ha, davon 11 ha sicheres Pachtland (5 ha Mais, 3 ha Weizen, Rest Grünland)
Tierhaltung: derzeit 43 Red Holstein und Holstein mit Nachzucht (Herde in Aufbau); Verkehrsmilch an Emmi, 400 000 kg Jahresproduktion; Verkauf von Nutz- und Zuchtvieh; 120 Mastschweine im BTS-Stall; diverse Kleintiere