Harter, unebener Boden und viele Scherkräfte: Die Hauptursachen schlechter Klauengesundheit bei Schweizer Milchkühen und Rindern sind, neben der infektiösen Klauenerdbeerkrankheit, mechanischer Natur. Dies zeigen die bisherigen Ergebnisse des 2019 gestarteten Ressourcenprojektes «Gesunde Klauen: Fundament für die Zukunft». Die ersten Erkenntnisse beruhen auf den dokumentierten Klauenpflegen von 7511 Kühen, die von den eigens ausgebildeten Klauenpflegern und Klauenpflegerinnen durchgeführt wurden.
Gefährliche Unebenheiten im Stallboden
«Es zeigte sich, dass viele Klauenveränderungen durch stallbauliche Probleme verursacht werden», berichtet Maria Welham-Ruiters, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Vetsuisse-Fakultät der Universität Bern. Auf den Besuchen der Betriebe, bei denen Klauenveränderungen auftreten, sind zumeist Höhenunterschiede im Boden zu beobachten: Spaltenbodenblöcke die nicht zusammenpassen und abgebrochene Kanten im Beton führen dazu. Die Höhenunterschiede sind oft Ursache verletzter Klauenspitzen oder von Weisse-Linie-Erkrankungen.
Spalten sind oft zu breit
Auch Gitter, die in den Boden eingelassen sind, sorgen für eine zu grosse punktuelle Belastungen der Klauen. Die Breite der Spalten im Boden, sowie der Rinne für der Mistschieber ist zudem des öfteren zu gross. Speziell bei kleinen Rassen besteht eine erhöhte Gefahr des Ausschuhens, weil die Tiere mit den Klauen in den zu breiten Spalten hängen bleiben. Auch ist die Rinne des Mistschiebers häufig verdreckt, sodass die Kühe die Rinne nicht erkennen und umgehen können.
Kühe können nicht gut abliegen
Der Kuh-Komfort lässt auf vielen Problembetrieben zu wünschen übrig, berichten die Experten weiter. Um optimal widerkäuen zu können, sollten Kühe 60% der Zeit liegen. Zu oft wird bei Betriebsbesuchen der Projektmitarbeiterinnen allerdings beobachtet, dass die Tiere dies nicht tun. Vermehrtes Stehen sorgt für eine übermässige Klauenbelastung: Die Lederhaut kann sich nicht genug erholen und die Durchblutung wird eingeschränkt. Ein Grund dafür sind zu kurze beziehungsweise ungünstig positionierte Liegeboxen oder zu tief montierte Nackenrohre, die es den Kühen nicht ermöglichen bequem abzuliegen.
Bodenhygiene ist nicht ausreichend
So wird vermehrt beobachtet, dass die Tiere mit den Vorderbeinen in den Liegeboxen, und mit den Hinterbeinen im Laufgang stehen. Hinzu kommt, dass die Bodenhygiene in den Laufgängen von den Projektmitarbeitern als problematisch eingeschätzt wird. Da der Mistschieber nicht oft genug zum Einsatz kommt, stehen die Kühe zu lange Zeit in ihren Ausscheidungen – eine erhöhte Gefahr der Ausbreitung der Klauenerdbeerkrankheit ist die Folge.
Erste Erkenntnisse zu häufigen Klauenkrankheiten
Die Bildung von Pfützen in hochfrequentierten Stallbereichen wie Futtertisch und Tränke wird ebenfalls als problematisch eingestuft. Auch dort stehen die Kühe zu vielfach auf nassem Untergrund und sind somit einer hohen Keimbelastung ausgesetzt. Nicht nur die Betriebsbesuche lieferten Erkenntnisse. Auch bei der Dokumentation der spezifisch geschulten Klauenpfleger können erste Einsichten gewonnen werden, so Adrian Steiner, Leiter der Nutztierklinik an der Vetsuisse Fakultät, Universität Bern.
Die Top-5 Klauenveränderungen auf Schweizer Betrieben sind:
- Ballenhornfäule
- Weisse-Linie-Erkrankung
- Sohlenblutung
- Klauengeschwüre und
- Klauenerdbeerkrankheit.
Auf 92,9 % aller Betriebe, auf denen die Klauenpfleger Pflegen durchführten, gab es Tiere mit Ballenhornfäule. Allerdings gibt Steiner hier zu bedenken, dass sich eine Ballenhornfäule nur bei sehr starker Ausprägung negativ auf das Tierwohl auswirkt.Die Weisse-Linie-Erkrankung, auf 81,5 % aller Betriebe bei mindestens einer Kuh festgestellt, wird zumeist durch mechanische Überbelastung verursacht. Dies gilt auch für Sohlenblutungen (auf 66,4 % aller Betriebe beobachtet), allerdings spielen hierbei auch Fütterungsprobleme eine Rolle. Klauengeschwüre wurden von den Klauenpflegenden auf 56,7 % der Betriebe gefunden. Zuletzt ergab die Dokumentation der Pflegen ein Vorkommen der infektiösen Klauenerdbeerkrankheit, auch Mortel-laro genannt, auf 55,9 % der besuchten Betriebe.
Nächstes Ziel: Hygienekonzept zur Bekämpfung der Klauenerdbeerkrankheit
Die Klauenerdbeerkrankheit ist laut den Tierärzten die wichtigste infektiöse Klauenerkrankung in der Schweiz. Deren konkrete Bekämpfung steht im Fokus der kommenden zweiten Projekthälfte. «Die Hygiene bei der Klauenpflege kann noch verbessert werden», berichtet Adrian Steiner. Die Krankheitserreger können auf dem Klauenmesser mehrere Stunden überleben. Deshalb sei es nicht selten, dass vermehrte Klauenpflegen auf Betrieben sogar zu einer Verschlimmerung des Problems führen. Um dem entgegenzuwirken soll nun ein Hygienekonzept entwickelt werden, welches durch die Klauenpflegenden gut in der Praxis umsetzbar ist.
Erste Massnahmen festgelegt
Mögliche Massnahmen seien in diesem Zusammenhang das Tragen von Einweghandschuhen über den Schutzhandschuhen, welche nach jeder infizierten Kuh gewechselt werden. Anstatt mit einer Bürste, sollen die Klauen nur mit dem Wasserstrahl gereinigt werden um die Übertragung von Erregern von Tier zu Tier einzuschränken. Weiterhin sollen Risikofaktoren der Klauenerdbeerkrankheit speziell für die Charakteristika der Schweizer Landwirtschaft identifiziert werden. Diese seien nämlich bisher unbekannt, zur Bekämpfung der Ausbreitung hierzulande aber notwendig.
Das Ressourcenprojekt: Die Schweizer Klauenpflegervereinigung (SKV), die Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Rinderzüchter (ASR) und die Schweizer Vereinigung für Wiederkäuergesundheit (SVW) reichten erfolgreich ein Gesuch für das Projekt «Gesunde Klauen - das Fundament für die Zukunft» ein, welches vom Bundesamt für Landwirtschaft finanziell gefördert wird. Speziell ausgebildete Klauenpfleger und Klauenpflegerinnen dokumentieren dafür die Klauengesundheit bei der regelmässigen Klauenpflege mittels Tablet-Computer. Darauf aufbauend werden Risikofaktoren identifiziert und gemeinsam mit dem Landwirt nach umsetzbaren Verbesserungsmassnahmen gesucht. So soll die Klauengesundheit, die in der Schweiz die dritthäufigste Abgangsursache darstellt, langfristig verbessert werden. Wissenschaftlich betreut wird das Projekt von der Vetsuisse-Fakultät, Universität Bern. Es können noch weitere Klauenpfleger ins Projekt aufgenommen werden.
Mehr Informationen auf www.gesundeklauen.ch.
