Erbleibt sich treu: Lucas Casanova antwortet beim Abschluss-Interview mit der BauernZeitung unaufgeregt, druckreif und pointiert. Ende Juli geht der gebürtige Bündner, aufgewachsen in der Surselva, nach 34 Jahren bei Braunvieh Schweiz, davon 23 Jahre als Direktor, frühzeitig in Pension. Natürlich hat er den Verband geprägt und dabei drei Präsidenten und 67 Vorstandsmitglieder erlebt, wie er in einer ruhigen Minute nachgerechnet hat. Die Nachfolge ist längst geregelt: Übernehmen wird ab August der Vize und langjährige Zuchtleiter Martin Rust.

Ein Bündner in Zug

Casanova und seine Frau werden dann wieder vermehrt in ihrer kleinen Hütte, gelegen auf 2000 m ü. M. in den Bündner Bergen, anzutreffen sein. Lebensmittelpunkt ist aber seit Jahrzehnten das Aargauer Freiamt. Den Bündner Dialekt pflegt Casanova noch heute leidenschaftlich. Und auch an den Nebellagen im Herbst habe er noch immer keine Freude, ansonsten aber passe es ihnen sehr gut in der zentraleren Schweiz, sagt er mit einem Schmunzeln.

 

«Die ist besser und intensiver denn je.»

Lucas Casanova über die Zusammenarbeit mit den Verbänden anderer Rassen.

Ende der 80er-Jahre beschäftigte sich Lucas Casanova bei seiner Doktorarbeit intensiv mit der Zuchtwertschätzung, und zwar mit Zahlen des damaligen Schweizerischen Braunviehzuchtverbandes. Ab 1991 arbeitete er dann Vollzeit für den Zuchtverband in Zug als «Wissenschaftlicher Adjunkt». Ein ganzes Berufsleben lang Zuchtwerte zu schätzen, wäre trotz aller Hingabe, nicht sein Ding gewesen, gibt der 63-Jährige zu. Vom damaligen Verbandspräsidenten Markus Zemp gab es aber noch rechtzeitig Signale, dass die Direktion für ihn ein Thema werde könnte. Direktor blieb er dann über 23 Jahre. In einen Alltagstrott sei er nie verfallen, die Zucht und der Verband mit seinen Dienstleistungen waren stets im Wandel. Und so habe sich eben auch kein Stellenwechsel aufgedrängt. Auch wenn Angebote in der überschaubaren Schweizer Agrarbranche vorhanden gewesen wären.

Synergien mit Konkurrenz

So blieb er treu bis zum Schluss. Ein gemütliches Ausklingen war dabei weder möglich noch seine Sache. Es laufen zu viele grosse und wichtige Projekte, speziell auch in der Informatik und häufig in Zusammenarbeit mit weiteren grossen Rindvieh-Zuchtverbänden. «Wir arbeiten heute intensiver und besser zusammen denn je», sagt Casanova über seine «Konkurrenten» wie Swissherdbook oder Holstein Switzerland. Und ja, würde man in der Schweiz auf grüner Wiese Rindviehzuchtverbände gründen, wäre es heute wohl nur noch einer, vielleicht sogar mit angeschlossenem Besamungsdienst, mutmasst er. Die Delegierten aller Farben haben aber solche Zusammenschlüsse abgelehnt. Dafür werden nun Synergien genutzt. Vieles, sagt Casanova, wäre ansonsten als Dienstleistung gar nicht möglich, schon gar nicht zu vernünftigen Preisen. Er erwähnt etwa die Milchanalytik oder die Zuchtwertschätzung und Informatik. Diese intensive Zusammenarbeit hinter den Kulissen sei vielen Züchtern gar nicht bewusst.

OB wächst, BS unter Druck

Abo ASR Gefördert und gefordert – aber die Weidehaltung steht längerfristig auf dem Spiel Friday, 16. June 2023 Casanova amtete in einer bewegten Zeit als Direktor. Aber um es vorwegzunehmen: «Viehschauen wird es auch in 50 Jahren noch geben», sagt er überzeugt. Strukturwandel, Genomik usw. zum Trotz. Vor allem die traditionellen regionalen Schauen seien ein wichtiger Treffpunkt, ja ein Kulturgut für viele Züchter, wo mit Stolz die schönsten Kühe präsentiert würden. Ungewisser sei die Zukunft einiger Eliteschauen. «Der Aufwand in dieser Liga ist enorm.» Den Kontakt zu den Züchtern habe er vor allem an den kantonalen Versammlungen und den Viehschauen gut wahrnehmen können.

Die braune Rasse sieht der scheidende Direktor gut aufgestellt. Vor allem Original Braunvieh ist eine Erfolgsgeschichte. «In den vergangenen 20 Jahren hat sich die Herdenpopulation mehr als verdoppelt», sagt Casanova. Die Zweinutzungsrasse überzeugt vor allem im Berggebiet, aber auch auf Biobetrieben. Gross ist der Druck hingegen bei den reinen Milchviehrassen. Stichwort «Holsteinisierung». Dass auf der Welt neun von zehn Milchviehkühen der Holstein-Rasse zuzuordnen seien, mache die Aufgabe anspruchsvoller, dafür spannend. Braunvieh Schweiz kann den Zuchtfortschritt nicht «einfach» auf dem Weltmarkt einkaufen, sondern ist mehrheitlich selbst verantwortlich. Auch wenn Länder wie Italien, Deutschland, Österreich und Frankreich gute Zuchtprogramme führen. Bekanntlich möchte Braunvieh Schweiz für die wertvollere Milch in Bezug auf Inhaltsstoffe und Käsereieigenschaften nicht ungern einen Mehrwert für die Produzenten haben. Ob man auf eine solche Konsumentenmarke setzt, werde in den kommenden Monaten entschieden, erklärt Casanova. Darauf wird er dann keinen Einfluss mehr haben. Aber es ist aufgegleist, genauso wie viele andere Projekte, welche den Verband aktuell beschäftigen. Etwa die Forschungseingabe für ein Methan-Projekt, die Neugestaltung der Tierzuchtförderung oder die Sanierung der Ställe auf dem Stierenmarktareal inklusive Solar.

Braunvieh im Herzen

So ganz aufhören wird er sowieso nicht. Der Qualitas AG wird Casanova vorderhand als VR-Präsident erhalten bleiben. Ansonsten lässt er die kommenden Monate mal auf sich zukommen. Das letzte Jahr sei nochmals intensiv gewesen. Trotzdem habe er versucht, auch ein wenig innezuhalten. Im Bewusstsein, dass es bei allem irgendwann das letzte Mal sei. Dort eine Versammlung, hier noch die letzte Sitzung einer Projektgruppe, nochmals budgetieren, der letzte Stierenmarkt als Direktor oder der letzte Geschäftsabschluss.

An seinem letzten Arbeitstag fahre er nochmals mit Freude nach Zug, dem Verkehr zum Trotz. Bei vielen Weggefährten möchte er sich noch bedanken «und natürlich mich vom tollen Team verabschieden». «Braunviehzucht ist eine Herzensangelegenheit und war mein ganzes Berufsleben», sagt er fast ein wenig wehmütig. Damit könne man nicht von heute auf morgen aufhören. Folglich wird er im Herbst an Viehschauen anzutreffen sein. Einfach ohne Braunvieh-Logo auf dem Hemd.