Unter natürlichen Bedingungen widmet das Pferd rund 60% seiner Zeit der Futteraufnahme. Fressen findet Tag und Nacht statt, und Pausen von mehr als vier Stunden werden vermieden. Aus ethologischer Sicht scheint die Gabe von Heu ad libitum die beste Lösung für eine pferdegerechte Fütterung zu sein. Leider neigen aber viele Equiden zu Verfettung, wenn die Heumenge nicht rationiert wird.

Fastenperioden ist gefährlich für Pferde

Rationierte Heufütterung ist in der Regel mit langen Fresspausen verbunden, insbesondere nachts. Fastenperioden führen zu einer Übersäuerung des Verdauungstrakts und erhöhen das Risiko für schmerzhafte und gefährliche Magengeschwüre und Koliken. Weitere Folgen dieser rationierten Raufutterfütterung sind Langeweile und chronische Frustration. Nicht selten führt das wiederum zu Verhaltensstörungen wie Stereotypien (z. B. Koppen und Weben) oder Verhaltensproblemen wie Aggressivität gegenüber dem Menschen oder Artgenossen, Apathie oder anderen sichtbaren Zeichen des Unwohlseins. Für Pferdehaltende, die sich um das Wohlergehen ihrer Tiere kümmern, geht es darum, Lösungen zu finden, mit denen die Tiere ungefähr sechzehn Stunden am Tag Raufutter fressen können, ohne an Gewicht zuzunehmen und ohne Fastenzeiten von mehr als vier Stunden zu erdulden. Diese Lösungen sollten zudem für den Menschen einfach umsetzbar und finanziell tragbar sein. Slowfeeding-Systeme können ein Ansatz sein, um diesem Dilemma gerecht zu werden.

Slowfeeding für Pferde

In den letzten Jahren wurden vermehrt verschiedene Arten von Heuraufen entwickelt und unter dem Begriff Slowfeeding-Systeme (aus dem Englischen wortwörtlich «langsames Fressen») vermarktet. Diese Futterdispenser sollen die Fressgeschwindigkeit mechanisch erschweren und damit eine längere Raufutteraufnahme für die gleiche Menge Heu bewirken. Einige dieser Raufen sind mit Gittern oder Netzen bedeckt, andere sind aufgehängte oder am Boden liegende engmaschigen Netze, Plastiktonnen, Säcke oder Kisten, die mit Löchern in unterschiedlicher Grösse versehen sind. Mehrere wissenschaftliche Studien belegen, dass Slowfeeding-Systeme – im Vergleich zur Fütterung auf dem Boden – die durchschnittliche Aufnahmegeschwindigkeit von Heu senken und somit die Fresszeiten verlängern.

Viel zu Nebenwirkungen ist noch unklar

Nichtsdestotrotz gibt es aufgrund der grossen Anzahl verschiedener System und grosser individueller Unterschiede zwischen den Pferden keine allgemeingültigen Zahlen. Mehrere Fragen zu Langzeiteffekten der Fütterung aus einem Slowfeeding-Dispenser sind noch offen, nämlich: Schäden an Zähnen und Zahnfleisch, Abnutzung der Tasthaare, Auswirkung auf die Muskulatur und das Skelett, Empfinden von Frustration und Stress für das Tier, Langlebigkeit und Verletzungsgefahren dieser Slowfeeding-Systeme sowie Arbeitsaufwand für das ­Befüllen. Das Schweizer Nationalgestüt SNG von Agroscope untersucht diese verschiedenen Aspekte.

 

Das gilt es zu beachten

Bei der Installation eines Slowfeeding-Systems muss auf verschiedene Punkte geachtet werden:

  • Es soll eine schrittweise Angewöhnung des Pferdes an das System erfolgen.
  • Auf Stress- und Frustrationsanzeichen des Pferdes achten.
  • Verletzungsrisiken vor allem bei beschlagenen Pferden minimieren: Es muss darauf geachtet werden, dass das Pferd mit dem Eisen nicht im Netz hängen        bleiben kann.
  • Tasthaare, Zahnfleisch und Zähne sollten regelmässig kontrolliert werden.
  • Soweit möglich, das Rau-futter in verschiedenen Slowfeeding-Systemen anbieten, damit das Pferd die Fressposition variieren kann.
  • Das Raufutter zeitweilig auch in loser Form anbieten und die Möglichkeit zum Grasen auf der Weide geben.