Der Bundesrat präsentiert mit der Botschaft zur Agrarpolitik 2022+ seine Sicht auf den agrarpolitischen Rahmen ab 2022. Die Botschaft eignet sich zwar nur als Bettlektüre, wenn man rasch einschlafen möchte, lesenswert ist sie trotzdem. Denn sie zeigt, wie der Bundesrat aus einem Kreis beinahe ein Viereck macht – und es dabei bewenden lässt. Besonders deutlich wird das dort, wo die Ziele für die Landwirtschaft skizziert werden.

Vielfältige Ziele im diversen Bereichen

So schlägt der Bundesrat vor, dass die Landwirtschaft bis 2025 in den Bereichen «Erfolg auf den Märkten im In- und Ausland», «Unternehmerische Entfaltung der Betriebe» und «Natürliche Ressourcen nutzen und schützen» Fortschritte erzielen soll. In den Zielen geht es unter anderem um Wettbewerbsfähigkeit und Bruttowertschöpfung in der Landwirtschaft, um Arbeitsproduktivität, um Emissionen von Stickstoff, Phosphor und Treibhausgasen. Es geht um den Erhalt der Biodiversität und um den jährlichen Flächenverlust bei landwirtschaftlichen Nutzflächen.

Ein tieferer Milchpreis wäre wettbewerbsfähiger

Dass der Bundesrat dabei kein Problem damit hat, Zielkonflikte stehen zu lassen, zeigt sich vor allem beim Ziel «Wettbewerbsfähigkeit: Verhältnis von Produzentenpreis im Inland zum Ausland in %». Diese Differenz beträgt laut Bund für die Jahre 2016 / 2018 158 Prozent. Ziel ist eine Differenz von höchstens 140 Prozent – will heissen: Die inländischen Produzentenpreise sollen maximal 140 Prozent der Produzentenpreise im Ausland betragen. Übertragen auf Milch und einen durchschnittlichen EU-Milchpreis von rund 33,8 Eurocents (knapp 36 Rappen) je Kilo Milch würde das bedeuten, dass Molkereimilch in der Schweiz ohne Stützungsmassnahmen für umgerechnet etwa 50,4 Rappen zu liefern wäre.

Die Senkung betrüge 15 Rappen je Kilo

Tatsächlich wird Molkereimilch in der Schweiz – Segmentierung, Branchenstandard und politischen Stützungsmassnahmen sei dank – erheblich teurer verkauft. Der Richtpreis für A-Milch liegt bei 71 Rappen je Kilo franko Rampe, für Molkereimilch wurde Ende 2019 laut Schweizer Milchproduzenten knapp 65 Rappen je Kilo bezahlt (Standardproduzentenpreis ÖLN, ab Hof). Würde die Milchbranche sich an der Zielvorgabe des Bundes ausrichten, müsste sie die ausbezahlten Molkereimilchpreise um rund 15 Rappen je Kilo Milch senken.

Wettbewerb oder Qualität ist wählbar

Ob die Milchbranche diesen Weg wählen muss, entscheidet sie selbst. Denn es steht ihr frei, das politische Ziel in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit zu ignorieren und stattdessen auf die Qualitätsstrategie zu setzen. Auch das ist eine Handlungsoption, die der Bund ermöglicht. Laut Botschaft würde der Bund nämlich ebenfalls in Kauf nehmen, dass die Produktivität zugunsten von Mehrwerten eingeschränkt würde. Letzteres – so die Überlegung – soll eine Positionierung an der Spitze der Märkte ermöglichen.

Der Grüne Teppich ist ein Beispiel

Dieser Vorteil ginge mit höheren Anforderungen an die Produzenten, höheren Kosten in der Produktion und folglich auch mit höheren Produktpreisen einher. Wie gross die Vorteile sind, kann der Bund noch nicht abschätzen, da niemand so genau weiss, wie viel mehr die Konsumenten tatsächlich zu bezahlen bereit sind. Hier lässt sich wieder auf die Milch, genauer auf den Grünen Teppich, als Beispiel verweisen. Dabei hat sich die Branche auf einen Zuschlag von drei Rappen für A-Milch geeinigt. So viel mehr ist der Branchenstandard wert. Der Grüne Teppich ist nur eines von vielen Beispielen dafür, wie sich die Land- und Ernährungswirtschaft Wettbewerbsvorteile erarbeiten möchte.

Zielkonflikte geben Arbeit und kosten Zeit

Es ist nur konsequent, dass die Agrarpolitik diesen Massnahmen Rechnung trägt. Das kommt allerdings zum Preis von Zielkonflikten. Diese dürften Anlass sein für unzählige Sitzungen, Stellungnahmen und Zeitungsberichte (wie diesen hier). Denn wo Zielkonflikte bestehen, kann die AP 22+ in die eine oder andere Richtung gelenkt werden. Das ist für sich betrachtet nicht falsch. Mit Blick nach Bern geht aber gerne vergessen, dass nicht unbedingt die Politik für die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft entscheidend ist.

Entscheidender wird die Arbeit auf den Höfen und in den Märkten sein. Ein Vorteil hat, wer sich nicht von den Zielkonflikten irritieren lässt, sondern stattdessen ein Gleichgewicht sucht – eines, das Kunden, Umwelt, Familie, Treuhänder und Tiere glücklich machen kann. Die Agrarpolitik 2022+ würde das mit ihren Programmen durchaus möglich machen.