Höher und höher wachsen sie, länger und länger suchen wir. Die Holzstützen für unsere Kletterbohnen sind uns schon mehrmals ausgegangen. Es war Plinio, der uns mit seiner Handwerkskunst aushelfen konnte. Mit einer alten, verrosteten Machete schnitt er uns die langen und dünnen Stecken aus dem Holz von Guadua-Bäumen zurecht. Was bei jedem Schnitt knapp einer kleinen Fingerkata-strophe vorbeischrammte, war für uns Gold wert. Denn vor allem mit den verlängerten Lichtperioden winden sich unsere Bohnen wie wildgewordene Liebende in unbekannte Höhen und zwirbeln sich in alle Himmelsrichtungen.
Plane Ungeplantes
So klar wie die Himmelsrichtungen, das wäre mal etwas für unsere Arbeit. Trotz unserer wöchentlichen Planungsbemühungen stehen tagtäglich neue Überraschungen für Laura und mich bereit. Anfangs Woche zum Beispiel öffneten wir in schlaftrunkener Routine unser Gewächshaus, bis wir ruckartig erstarrten. Eine unserer Abtrennungswände war runtergefallen und lag in schlapper Nutzlosigkeit am Boden. Bestürzt rannten wir zu unseren Pflanzen und stellten erleichtert fest, dass sie immerhin heil geblieben waren.
Dafür sind wir gleichzeitig auch auf neue Weisse Fliegen gestossen – und dies nach unserem grossen Bohnenopfer. Ich bin mir sicher, dass die Fliegen uns die Zunge rausgestreckt hätten, wenn sie eine besässen. Doch mittlerweile sind wir ein starkes Troubleshooter-Team geworden, und haben uns in Windeseile um die Notfälle gekümmert.
Geschrumpft und zugenäht
Die Eile hat diese Woche generell an Bedeutung gewonnen. Die Zeit bis zum Ende des Projekts schwindet trotz verlängertem Aufenthalt schneller und schneller und schnürt uns langsam den Hals zu. Die Wochen im Kalender schrumpfen mehr und mehr zusammen, aber die Arbeit schrumpft nicht mit. Eines der Experimente zur Frühernte müssen wir nun im letzten Monat wiederholen. Falls sich die Bohnen an unseren Plan halten, könnten wir eine präzise Punktlandung schaffen. Doch bis dahin stehen uns noch einige schweisstreibende Sauna-Tage im Gewächshaus, repetitive Laborarbeiten und konzentrationsverschlingende Bürostunden bevor.
Schwingen vor Babyblau
Als eine gute Verschnaufpause erschien uns der Ausflug zur Finca zum Anlass von Lauras Geburtstag. Was ich in meiner Vorstellung immer als ländlichen Bauernhof vor Augen hatte, entpuppte sich als luxuriöses Landhaus mit einer fantastischen Aussicht auf die Berge und einem babyblauen Pool vor der Terrasse. Mit einer kleinen Karawane von Autos und Motorrädern fuhren wir über die gebirgigen Landstrassen, vorbei an steilen Ananasfeldern, kleinen Marktständen an den Wegrändern und geschäftigen Dörfern. Mit der ansteigenden Höhe verliess uns auch zum ersten Mal seit langer Zeit die drückende Hitze Calis.
Die Besitzer der Finca empfingen uns herzlich mit lauwarmen Kaffee und der wohltuenden Stille der Natur. Ich fand sogar meine langersehnte Hängematte und liess mich freudig von ihr tragen. Meine Beine schwangen unbefangen. Auch für die hungrigen Mäuler war reichlich gesorgt, denn bald wurde der mächtige Grill eingeheizt. Kolumbianische Grill-Parties sind eine äusserst beliebte Freizeit-Aktivität hier. Es ist ein geselliges Beisammensein, das weder Tageszeiten noch ein Ende kennt.
Mit Fleisch und Poulet
Sobald zum «Asado» aufgerufen wird, ist jedem klar, was gilt. Nicht viele Worte braucht es für die Organisation eines Asados, die Köche sind meistens ein eingespieltes Team ohne je vorher zusammen gespielt zu haben. Gespielt werden immer kolossale Konzerte, in denen das Fleisch die allererste Stimme brutzelt. Natürlich quicken die Maiskolben auch ab und zu mit und die Kochbananen seufzen in ihren Schalen leise vor sich hin. Nicht zu vergessen sind die gigantischen Guacamole-Töpfe, die stetig mit Gabeln getrommelt werden. Doch nichts und niemand übertönt den vollen Ton des Fleisches, das sich mit grossen Starallüren auf dem Grill breitmacht. Und für alle, die es noch nicht wissen: «Carne» (Fleisch) darf auf keinen Fall mit «Pollo» (Poulet) verwechselt werden. Die Poulets haben es eben leider nicht in die Königsklasse des roten Fleisches geschafft. Que pena!
Die Autorin
Lotta Köppel studiert Agrarwissenschaften mit dem Schwerpunkt Pflanzenwissenschaften im Master an der ETH Zürich. Nach ihrem Praktikum bei der BauernZeitung wird sie ihr Studium mit der Masterarbeit abschliessen. Im Rahmen des Bohnenzüchtungsprojekts «IncreBean» wird sie Methoden zur Verkürzung des Wachstumszyklus' von Bohnen prüfen. Den experimentellen Teil der Arbeit wird sie am Internationalen Zentrum für tropische Landwirtschaft (Ciat) in Cali, Kolumbien, durchführen.