Meine fünfte Gastfamilie in Norwegen führt einen Milchwirtschaftsbetrieb. Sie besitzen 50 Milchkühe in einem Laufstall und 65 Jungtiere auf der Weide. Pro Jahr produzieren sie zirka 500 000 Liter Verkehrsmilch. Zudem bewirtschaften sie 60 ha Weideland und Naturwiesen. In guten Jahren wird das Gras bis zu vier Mal geschnitten. Mein Gastvater besitzt eine eigene Rundballenpresse. Er presst seine eigenen Siloballen und auch diejenigen der Nachbarsbauern.

Ich durfte vier Wochen im September bei dieser Familie verbringen. Während dieser Zeit kamen 14 Kälber zur Welt.

Eine Zangengeburt

Kaum war ich bei der Familie angekommen, ging es wild her und zu. Wir rannten in den Stall, um einer Kuh bei der Geburt zu helfen. Die Geburt war wortwörtlich eine Zangengeburt und der Mutterkuh ging es sehr schlecht nach der Geburt. Auch das injizierte Kalzium nützte nichts. Da mein Gastvater ein schlechtes Gefühl hatte, was die Mutter betraf, liessen wir die Tierärztin vorbeikommen.

Der Zustand bessert sich nicht

Es stellte sich heraus, dass die Kuh eigentlich Zwillinge im Bauch hatte. Leider war aber eines davon schon tot. Daher musste das tote Kalb auch noch zur Welt gebracht werden. Auch am folgenden Tag ging es der Kuh noch nicht besser. Sie hatte eine tiefe Körpertemperatur, frass und trank nichts. Sodann kam die Tierärztin nochmals vorbei.

Mit Antibiotika gegen Milchfieber

Es stellte sich heraus, dass das Muttertier an Milchfieber litt. Daher musste sie mit Antibiotikum versorgt werden. Das bedeutet, dass die Milch der Kuh nun für 14 Tage nicht als Verkehrsmilch verwendet werden darf. Dem Kalb ging es gut, es war gesund, aber ein sehr schüchternes Tier. Da dieses Kalb an meinem Ankunftstag zur Welt kam, tauften sie es, zu Ehren von mir, auf meinen Namen Kathrin – also die Kuh 848 heisst Kathrin. Leider muss Kathrin in zwei Jahren zum Schlachthof, da sie ein Zwitter ist und somit keine Milch geben wird.

Was für ein Krampf

Nach zwei Wochen war ich endlich an der Reihe. Ich wurde zur Hebamme ernannt. Zuerst dachte ich noch, mein Gastvater und Gastgrossvater veräppeln mich, aber nein, sie meinten es ernst. Da ich nun schon etwa 8 Geburten miterlebt hatte, war ich gut vorbereitet. Beim Zusehen sah es immer sehr leicht aus. Mein Gott, habe ich mich getäuscht. War das ein Krampf, dieses Kalb aus der Kuh herauszuziehen. Ich hätte nie gedacht, dass es so streng sein würde. Ich half der Mutter, zog und zog, doch nichts geschah.

Es kommt falsch herum

Plötzlich rief mein Gastvater: «Halt stopp, es kommt falsch heraus!» Völlig verwirrt dachte ich nur «Hä? Was ist da falsch? Ich ziehe ja an den Hinterbeinen, und nicht am Kopf». Es stellte sich heraus, dass das Kalb falsch lag. Daher übernahm mein Gastvater wieder die Leitung. Er drehte das Kalb im Bauch und zog es mit einem Schwung heraus. War das frustrierend für mich, dass er nur einmal ziehen musste und schwups – war das Kalb auf der Welt.

«Ich bin ein Bürogummi»

Ja ich bin und bleibe ein Bürogummi, aber etwas geholfen hat mein Herausziehen bestimmt. Es verhält sich sicher wie mit den Drehverschlüssen: Alle versuchen und beim Letzten öffnen sie sich wie von selbst ...

Das Kalb überlebte die Geburt ohne grössere Schäden. Nur der eine hintere Fussknöchel war etwas schief. Aber mit einem guten Verband konnten wir das in den nächsten Tagen wieder korrekt ausrichten.

Ein positives Fazit

Bei meinem Norwegen-Austausch blieb es bei dem einem Einsatz als Hebamme. Trotzdem bereitete es mir grosse Freude. Ich habe sehr viel über Kühe und Kälber sowie die Futter- und Grasproduktion gelernt. Jeden Abend durfte ich allen jungen Kälbern die Flasche geben. Das war meine Lieblingsarbeit. Ich hatte eine interessante Zeit in Norwegen. Vor allem bei meiner fünften Gastfamilie. Mir machte die Arbeit im Stall viel Spass.

 

Die Autorin

Kathrin Wegmann ist 23 Jahre alt. Sie wuchs in Andelfingen ZH auf dem elterlichen Bauernhof auf. Noch heute hilft sie dort gelegentlich mit. Nach der Lehre als Kauffrau arbeitet sie weiter auf dem Beruf. In ihrer Freizeit verbessert sie ihre erworbenen Norwegisch-Sprachkenntnisse und spielt Cornet in der Musikgesellschaft.