Schaffhausen mit rund 82'000 Einwohnern wählt im Oktober zwei Nationalräte. Gute Wahlchancen haben die bisherigen, Martina Munz (SP) und Thomas Hurter (SVP). Nichtsdestotrotz stellen sich 38 Kandidierende zur Wahl, darunter auch Roman Schlatter (29), Agrotechniker und einziger Landwirt. Mit Agrokaufmann Yvan Meuwly (46) bildet Schlatter die SVP-Agroliste. Die BauernZeitung traf sich mit ihnen auf Schlatters Hof Durlänge.
Wie schätzen Sie Ihre Wahlchancen ein?
Yvan Meuwly: Wir wären enttäuscht, bekämen wir nur wenige Stimmen. Aber wenn es uns gelingt, die ländliche Bevölkerung von Stein am Rhein bis Trasadingen zu mobilisieren, werden wir tendenziell ein gutes Resultat erzielen können.
Was ist Ihre Motivation?
Roman Schlatter: Ich will die junge Wählerschaft mobilisieren. Auch möchte ich etwas Druck auf die übrigen Kandidaten aufbauen, damit sie merken, hier, mit der Unterliste SVP Agro, gibt es eine Interessenvertretung der produzierenden Landwirtschaft, die sehr unzufrieden mit den Beschlüssen in Bern ist.
Yvan Meuwly: Ich bin nicht einer, der die Faust im Sack macht und nur kritisiert. Ich will etwas bewegen. Die Agrarpolitik führt in eine Sackgasse. Es braucht Gegensteuer. Einerseits will man gesunde Nahrungsmittel, andererseits plant man immer neue Biodiversitätsförderflächen. Dazu kommt die Regulierungsflut. Das unternehmerische Korsett wird immer enger. Das ist auch nicht nachhaltig. So kann es nicht weitergehen. [IMG 2]
Was muss sich Ihrer Ansicht nach ändern?
Schlatter: Mit dem Absenkpfad stehen immer weniger Nährstoffe zur Verfügung, und der Druck auf uns wird noch steigen. Die Zulassung für Pflanzenschutzmittel ist dermassen blockiert, dass die Schweiz längerfristig mit den wenigen Wirkstoffen die Produktion an die Wand fährt. Ein wirksames Resistenzmanagement wird so kaum mehr möglich sein.
Meuwly: Einerseits steigt durch die Zuwanderung die Einwohnerzahl, wofür immer mehr Infrastruktur und Kulturland benötigt wird. Andererseits werden unsere fruchtbaren Böden durch den Absenkpfad ausgehungert. Angesichts dessen müssen wir froh sein, wenn wir auf dem jetzigen Selbstversorgungsgrad verbleiben können.
«Die 3,5-Prozent-Acker-Biodiversitätsförderfläche gehört abgeschafft.»
Roman Schlatter
Also schlechte Noten für Bundesrat Parmelin?
Schlatter: Bundesrat Guy Parmelin ist Meisterlandwirt und kommt aus der Landwirtschaft. Er sollte eigentlich eher auf unserem Kurs sein. Aber er lässt den Einfluss der Umweltverbände und des Bundesamts für Umwelt zu. Diesbezüglich würde ich ihm eine ungenügend Note geben. Ebenso für die Einführung der 3,5-Prozent-Acker-Biodiversitätsförderfläche. Diese Massnahme gehört abgeschafft.
Wie stehen Sie denn zur Preis- und Kostenentwicklung?
[IMG 3] Schlatter: Ich verfolge die Preisentwicklung auf den Weltmärkten. Weltweit sind die Landwirte viel stärkeren Schwankungen ausgesetzt als wir. Aber natürlich ist es nicht erfreulich, dass der Rapspreis gegenüber dem Vorjahr um einen Viertel sinkt. Das ist ein herber Dämpfer, und ich kann nachvollziehen, dass manch einem Berufskollegen der Rapsanbau verleidet. Mit der früheren Beizung hatten wir eine sehr effiziente Massnahme, den Rapserdfloh zu bekämpfen. Heute fährt man eine kosten- und arbeitsintensive Strategie und muss in schlimmen Jahren bis zu dreimal spritzen. In Deutschland hat man eine Notzulassung für das Lumiposa-Beizmittel bewilligt. Das müsste auch hier möglich sein.
«Es kann nicht sein, dass man über eine Mengenbegrenzung beim Fleischkonsum spricht.»
Yvan Meuwly
Gewisse Umweltexperten fordern eine Halbierung des Fleischkonsums. Nerven Sie solche Aussagen?
Meuwly: Jeder soll selbst entscheiden, was bei ihm auf den Teller kommt. Es kann nicht sein, dass man über eine Mengenbegrenzung beim Fleischkonsum spricht. Vielen, auch den sogenannten Experten, ist nicht klar, dass Kreislaufwirtschaft nur mit Tierhaltung möglich ist. Die Landwirte haben Fruchtfolgen einzuhalten – am besten mit den sieben Kulturen. Da muss man auch Mais und Futtergetreide in einer Fruchtfolge einbauen.
Schlatter: Wir sind in der Schweiz punkto Tierschutz und Tierwohl auf einem sehr hohem Niveau. Ich produziere Rindfleisch für das IP-Suisse-Label. Viele Betriebe würden auch gerne dafür produzieren. Aber der Labelkanal ist gesättigt. Die Stimmbevölkerung fordert bessere Tierhaltung, der Konsument ist aber nicht bereit, das zu bezahlen.
Wenn Ihnen ein Überraschungscoup gelingt und Sie gewählt würden, könnten Sie im Dezember einen neuen Bundesrat für Bundesrat Berset wählen. Haben Sie schon einen Favoriten?
Schlatter: Ich würde Daniel Jositsch wählen. Er vertritt in der SP auch bürgerliche Positionen. Ich weiss, er hat an vorderster Front für die Massentierhaltungs-Initiative gekämpft. Aber bei jedem anderen SPler ist die Haltung gegenüber der Landwirtschaft nicht anders als bei ihm.
Meuwly: Das Kandidatenkarussell beginnt zu drehen. Aktuell hat Daniel Jositsch seine Kandidatur bekannt gegeben. Sollte es ein SP-Bundesrat werden, wäre er nicht die schlechteste Wahl.
Bringen Sie sich mit der SVP-Agroliste schon in Position für die Kantonsratswahlen 2024?
Meuwly: Ich warte den Wahlausgang im Oktober ab. Im Nachgang werde ich Gespräche führen und dann entscheiden.
Schlatter: Ich bin seit 2016 im Einwohnerrat von Beringen und habe Freude an der Politik. Wie Yvan warte ich den Wahlausgang ab, bevor ich mich positioniere.