Mitte August ist im Bundeshaus die Charta für nachhaltige Schweizer Milch signiert worden. Die Unterzeichner betonten damals, dass es sich hier erst um einen Anfang handelt: «Das ist ein Mehr-Etappen-Rennen und wir sind noch nicht auf der Champs-Élysées», sagte der Geschäftsführer der Branchenorganisation Milch (BOM), Stefan Kohler. Mit dieser Anlehnung an die Tour de France machte er klar, dass die Anforderungen an die Produzenten aber auch an die Verarbeiter innert absehbarer Frist höher werden dürften.
Kooperation mit GMF
Gefragt nach der konkreten Ausgestaltung erklärt Stefan Kohler, man wolle jetzt zunächst die erste Version des Grünen Teppichs sauber ausrollen und umsetzen. Dies scheint auf dem Markt mehr oder weniger zu klappen (siehe Kasten). Im nächsten Jahr werde man aber weitere Beschlüsse fassen. Ohne diesen vorgreifen zu wollen, unterteilt er das bisher Diskutierte für die zweite Etappe in die Hauptbereiche Kraftfutter und Klima.
Kraftfutter: «Hier sind wir zwar schon gut im Vergleich zum Ausland», so Kohler, «aber wir wollen noch besser werden». Das verspreche man auch mit der Charta, wo unter anderem steht, dass «sämtliche Milchkühe vor allem naturnahes Futter erhalten». Eine Möglichkeit wäre gemäss Kohler eine «Kooperation» mit dem Bundesprogramm Graslandbasierte Milch- und Fleischproduktion (GMF). Voraussetzung sei allerdings, dass dieses Programm im Rahmen der Agrarpolitik 2022+ verbessert werde. GMF habe mehrere Schwachpunkte, darunter den restriktiven Umgang mit Mais und die ungenügende Messbarkeit.
Klima: Im Klimabereich denkt man laut Kohler namentlich über eine Reduktion des Methanausstosses pro Kilogramm produzierte Milch nach. Pikanterweise kollidiert dieses Ziel auf den ersten Blick mit dem angestrebten Kraftfutter-Abbau. Denn je mehr Grundfutter eine Kuh frisst, desto höher ist ihr Methanausstoss. Deshalb wäre es aus Sicht des BOM-Geschäftsführers eleganter, wenn man die Reduktionsziele hier auf einem Umweg erreichen könnte, nämlich via längere Lebensdauer der Kühe. Diese stossen in den ersten zwei Lebensjahren nur Methan aus, produzieren aber keine Milch. Wie man dieses Ziel erreichen will, darüber besteht laut Kohler noch kein Konsens.
Ziel: 100% in vier Jahren
Ungeachtet der Ausgestaltung der zweiten Etappe wird der Weg hindernisreich, denn gleichzeitig zu den höheren Anforderungen wollen die Marktpartner innert vier Jahren 100% der Molkereimilch-Produzenten an Bord wissen.
Die Umsetzung klappt teilweise
Die grosse Unbekannte am Grünen Teppich ist die Umsetzung. Hinter den Kulissen wurde lange und hart gefeilscht. Doch nun zeigen sich erste Erfolge im Markt. Wie das Fachmagazin Alimenta recherchiert hat, zahlt etwa Coop den Bauern den um drei Rappen höheren Preis. An der Ladenfront wurden die Preise punktuell angehoben. So ist das 250-Gramm-Mödeli Butter neu um 10 Rp. teurer, der Viertelliter Rahm und die 150-Gramm-Kugel Mozzarella kosten 5 Rp. mehr. Die Migros-Preise steigen an der Ladenfront ebenfalls, aber nicht wegen Swissmilk Green, sondern «aufgrund der allgemeinen Preiserhöhung im Markt». Volg hat die Preise ebenfalls auf 1. September angepasst. Hier wird beispielsweise der Liter UHT-Vollmilch 5 Rp. teurer, dasselbe gilt für Spar. Keine Preis-Angaben gibt es vorläufig von Aldi und Lidl.
Die Diskussion treibt teilweise auch komische Blüten. So erklärt ein Bäcker in der «Alimenta», der höhere Butterpreis verteure sein Gipfeli um 4 bis 5 Rp. Das würde umgerechnet bedeuten, dass ein Gipfeli nicht weniger als 100 Gramm Butter enthält. Das dürfte bei aller Bäcker-Liebe zum Milchfett doch etwas gar hoch gegriffen sein