Es gab im Nachgang zum turbulenten Urnengang über die Agrar-Initiativen verschiedentlich Stimmen, die sich beklagen, dass nach der Abstimmung vor der Abstimmung ist. Es bleibe kaum Zeit, Luft zu holen zwischen zwei Extremforderungen an den Souverän und letztlich die an die Landwirtschaft. Wenn nicht alles täuscht, wird man sich in der Landwirtschaft daran gewöhnen müssen, und zwar nicht als Ausnahmesituation, sondern als Normalzustand. Die Unruhe wird bleiben.

Respektheischende Geschlossenheit

Gegen die Einmischung setzte sich die Branche Mitte Jahr erfolgreich zur Wehr. Das ist legitim und die Geschlossenheit, mit der man die zwei radikalen Volksbegehren bekämpfte, respektheischend. Der 13. Juni zeigte auch, dass die Landwirtschaft noch immer eine solide Mehrheit der Bevölkerung auf ihrer Seite hat, zumindest vorläufig.

Die unterlegenen 40 Prozent sind zwar keine homogene Gruppierung, sondern ein wildes Puzzle von allerlei Parteien, Umweltverbänden und Splittergrüppchen. Vermutlich ist es aber angezeigt, diese ernst zu nehmen, denn die doch stattliche Minderheit wird weiter kämpfen für eine öko-logischere Landwirtschaft.Da kann man noch so oft betonen, wie ungleich das Verhalten der Kundschaft an der Urne und im Laden ist.

Alle Branchen sind gefordert, sich anzupassen

Dabei muss man sich auch vor Augen halten, dass die Landwirtschaft längst nicht die einzige Branche ist, die unter scharfer gesellschaftlicher Beobachtung und hohem Anpassungsdruck steht. Man denke an die Gastronomie, das Bauwesen, die Lehrerschaft, die Pflegeberufe, die Autoindustrie oder gar das Bankwesen, um nur einige wenige zu nennen. Die Gründe sind dabei unterschiedlich. Letztlich geht es immer um knapper werdende Ressourcen, seien es Bundesgelder, Boden oder Beton. Die Gesellschaft steht unter Dauerstress, und zuweilen wird etwas gar hysterisch nach Entlastung gesucht. Aber es steht ausser Zweifel, dass sich jede Branche ein Stück weit anpassen muss.

Das hat die Landwirtschaft längst realisiert, seit rund dreissig Jahren wird mit zunehmender Intensität und ungeachtet von steigendem wirtschaftlichem Druck ökologisiert. Den einen geht dieser Prozess zu schnell, den anderen zu langsam. Den Kopf in den Sand zu stecken, geht dabei natürlich nicht, sondern es geht darum, die richtige Dosis zu finden.

Ein Blick auf die Geschichte der Firma Kodak

Bei dieser Gelegenheit lohnt es sich vielleicht, einen Blick auf das Schicksal der Firma Kodak zu werfen. Diese Herstellerin von Filmen ist bekanntlich Geschichte, weil sie den technologischen Anschluss in einer unglaublich dynamischen Entwicklung der Fotografie verpasst hat. Das gleiche Schicksal ereilte etwa 99 Prozent der Videotheken. Und die Buchhandlungen sterben nicht grad aus, serbeln aber häufig, dort, wo sie noch existieren.

«Essen müssen wir immer», höre ich sofort den alten Mäpplibauer in mir rufen, «die Landwirtschaft wird es auch in Tausenden von Jahren noch geben.» Natürlich, daran besteht kein Zweifel, auch die Fotografie existiert ja noch, es wird sogar mehr abgelichtet als je zuvor. Und auch der Film oder das Buch sind keineswegs tot, aber sie werden halt nun auf elektronischen Plattformen konsumiert und von Netflix, Amazon und anderen Internet-Giganten angeliefert.

Was heisst denn das nun für die Landwirtschaft? Schon heute zeichnet sich ab, dass die Vielfalt grösser wird. Der klassische Familienbetrieb, so gut er sich auch bewährt hat, ist vielleicht künftig nur noch eine von mehreren tauglichen Formen, um Nahrungsmittel zu produzieren. Weitere Fragen drängen sich auf: Wie energieintensiv darf die Produktion noch sein, wie viel Wasser darf dabei verwendet werden? Und kurz vor der Massentierhaltungs-Initiative die drängendste Frage: Die Tierhaltung in grossen Ställen, weit über die Selbstversorgung und die betriebseigene Futterbasis hinaus, wie zukunftsfähig ist sie? Über die Antworten wird man sich im kommenden Sommer gesamtgesellschaftlich balgen. Die Landwirtschaft in der Defensive, die links-grüne Minderheit im Angriff.

Das Tier als Nutztier ist umstritten

So wie es aussieht, entwickelt sich gegenwärtig ein gesellschaftlicher Trend, welcher dem Grundgedanken, das Tier zu nutzen, sehr kritisch gegenübersteht. Dieses Thema gilt es im Hinblick auf die strategische Ausrichtung des Betriebs ebenso zu berücksichtigen wie die Ressourceneffizienz. Klar, wir brauchen eine leistungs- und zukunftsfähige Landwirtschaft. Dazu gehört auch eine rationelle Tierhaltung. Aber bei der Langfrist-Planung schadet es vermutlich nicht, ab und zu einen Gedanken an das Schicksal der Firma Kodak oder des örtlichen Buchladens zu verschwenden. Ich wünsche Ihnen dabei eine glückliche Hand, Gesundheit und alles Gute im neuen Jahr!