Zehn Männer schlossen letztes Jahr ihre Ausbildung zum Agrotechniker am landwirtschaftlichen Zentrum Rheinhof in Salez SG ab – und eine Frau: Manuela Ritz. Begonnen hatte sie die Ausbildung mit zwei weiteren Kolleginnen.

Doch die Ausbildung fordert viel, und durch den Fernunterricht während Corona wurden die Herausforderungen noch grösser. Agrotechniker und Agrotechnikerinnen HF übernehmen in der gesamten landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette oft Kaderstellen und sind sehr gefragt auf dem Arbeitsmarkt. Sie werden während ihres zwei- bis dreijährigen Studiums darauf vorbereitet, vielseitige Betriebe zu führen und zukunftsorientiert zu leiten.

Grosse Hemmschwelle

Das hat auch Manuela Ritz geschätzt. Nur mit der landwirtschaftlichen Lehre würde sie sich nicht zutrauen, den elterlichen Betrieb zu übernehmen. Zu vielseitig und komplex erschien ihr der Betrieb, und als Frau war ihr die Hemmschwelle zu gross.

«Doch nun mit der Ausbildung zur Agrotechnikerin ist es für mich realistisch», sagt die 24-Jährige. Heute arbeitet sie drei Tage die Woche als Sachbearbeiterin bei einem Treuhandunternehmen in Flawil, auch dies ein Beruf, den sie sich vor dem Studium nicht hätte vorstellen können. Den Rest der Woche ist sie auf dem Eichhof, ihrem Zuhause, beschäftigt.

«Ich wollte die Alternative, dass ich einen praxisnahen Bürojob hätte.»

Manuela Ritz, Agrotechnikerin

Vielseitiger Hof

Den Betrieb führt sie mit ihren Eltern. Die Verantwortung haben sie untereinander aufgeteilt. Manuela Ritz ist unter anderem für die 55 Mutterkühe mit ihren Kälbern zuständig, ihr Vater managet den Acker-, Futter- und Rebbau auf 27 Hektaren landwirtschaftlicher Nutzfläche.

Der Eichhof ist in der Region Balgach SG mit Hofladen, Hofcafé und Spielplatz ein beliebtes Ausflugsziel für Familien. Logo und Layout des Verpackungsmaterials hat Manuela Ritz selbst im Scherenschnitt-Stil entworfen.

Wein ist ihr Gebiet

Sie betont, dass der Hofladen und das Café vor allem die Bereiche ihrer Mutter sind: «Ich bin keine Verkäuferin, das liegt mir nicht.» Gleichzeitig zeigt sie die Auswahl an verschiedenen Weinen: «Das ist mein Gebiet!»

Als die leidenschaftliche Weinbäuerin auf dem elterlichen Betrieb einstieg, wurde der bestehende Rebbau von einer Hektare um eine weitere vergrössert und neu terrassiert. Die Parzelle ist sehr steil, dafür zum ersten Mal aneinanderhängend. Die bisherigen sind klein und verstreut, da der Rebhang in Balgach nicht melioriert ist. Hier wird viel Handarbeit geleistet.

Wissen, was man geleistet hat

Angebaut werden die Sorten Pinot noir, Merlot, Riesling-Silvaner, Pinot gris, Muscaris und Sauvignon blanc. Auch ihr Vater ist viel in den Reben anzutreffen. Während der Ausbildung zur Agrotechnikerin erarbeitete Manuela Ritz einen Businessplan für den Betriebszweig Rebbau. Ihre Diplomarbeit schrieb sie über die Zukunft des Deutschschweizer Weinbaus.

Für Manuela Ritz war immer klar, dass sie einen Beruf erlernen will, in dem sie mit Tieren arbeitet und abends weiss, was sie den ganzen Tag geleistet hat. «Landwirtin kam mir nicht in den Sinn, irgendwie stand mir dieser Beruf zu nahe», erklärt sie. Als der Entscheid jedoch gefallen war, wurde sie sofort von ihren Eltern unterstützt.

Lehre durchgezogen

Abo Interview Als Agrotechnikerin auch ohne Betrieb oder Teilzeit erfüllend in der Landwirtschaft arbeiten Tuesday, 30. May 2023 Die Lehrpersonen waren eher skeptisch, da es sich nicht um einen typischen Frauenberuf handelt und körperlich strenge Arbeiten zu verrichten sind. Stolz sagt Manuela Ritz: «Ich habe mein Ding gemacht und alle Lehrjahre durchgezogen.» Natürlich war sie mit herausfordernden Situationen konfrontiert: «Montier mal eine Silofräse im Hochsilo oder bring den Pflanzenschutz mit Raupenfahrzeug im steilen Rebberg aus. Da realisierte ich, wie klein, leicht und machtlos ich bin.»

«Mein erster Lehrmeister hat Nerven wie Drahtseile, dafür bewundere ich ihn», erzählt sie von ihren Anfängen. Viel Verantwortung durfte sie im dritten Lehrjahr auf einem Acker- und Gemüsebaubetrieb übernehmen. Nach der Landwirtschaftslehre arbeitete Manuela Ritz ein Jahr zu Hause und bereiste dann Kanada. Wieder in der Schweiz, stiess sie auf das Studium Agrotechniker HF. «Ich wollte die Alternative, dass ich einen praxisnahen Bürojob hätte.»

Teils Büro, teils praktische Arbeit

Die Kombination einer Teilzeit-Bürostelle mit der praktischen Arbeit auf dem Landwirtschaftsbetrieb der Eltern ist für Manuela Ritz ideal. «Ich bin nicht nur ein Bürofräulein, sondern kenne den Alltag von Betriebsleitenden.» In ihrer Ausbildung hat sie zudem gelernt, Betriebe aus verschiedenen Blickwinkeln zu analysieren.

«Die Betriebsführung ist von zentraler Bedeutung», erklärt Manuela Ritz. Denn auch Betriebe mit den gleichen Betriebszweigen können völlig unterschiedliche Buchhaltungen aufweisen, weil die Art und Weise, wie die Betriebsleitenden das Unternehmen führen, entscheidend ist.

Potenzial nutzen

Die vertiefte Auseinandersetzung mit dem eigenen Familienunternehmen bestärkte Manuela Ritz, dass sie auch als Frau den elterlichen Betrieb übernehmen kann. Die passionierte Alphornspielerin legt sehr viel Wert auf organisatorische Aspekte.

Sie reflektiert und überlegt, wie Abläufe optimiert werden können. Viel Zeit investiert sie momentan in die neue Rebenanlage. Wichtig ist ihr auch die Öffentlichkeitsarbeit. An einem schönen Sonntag zählt der Eichhof bis zu 200 Gäste. Die Mehrheit von ihnen sind Familien aus der urbanen Bevölkerung, dieses Potenzial möchte Manuela Ritz nutzen: «Ich möchte das Verständnis für die Landwirtschaft fördern und unseren Besuchern Wissen vermitteln.»

Weitere Informationen: www.eichhof-balgach.ch