«50 Pferde? In Frankreich?» In diesen Fragen schwingen meistens Verwunderung und Interesse mit. Chantal Albisser freut sich, wenn Leute daran interessiert sind, was sie macht. Gleichzeitig geben ihr die Fragen auch zu verstehen, dass ihr Werdegang «nicht ganz normal» ist. Das hält die junge Frau aber nicht davon ab, in Frankreich ihren Traum zu leben.
Zielstrebig den Weg verfolgt
Die 22-Jährige ist im luzernischen Ruswil aufgewachsen. Ihre Eltern führten damals neben ihrem Unternehmen für Heu- und Strohservice und Tiertransport in der Schweiz auch den Pferdebetrieb in Frankreich.
Bereits in ihrer Kindheit verbrachte Chantal Albisser jede freie Minute auf dem Hof, den sie heute in Pacht übernommen hat. «Ich habe schon als Kind immer gesagt, dass ich irgendwann auf dem Hof in Frankreich bleiben will», sagt die junge Landwirtin schmunzelnd. Gesagt, getan.
Vom ersten Tag an wohl gefühlt
Von 2015 bis 2018 absolvierte sie die Lehre als Landwirtin EFZ und dazu gleich noch die Berufsmaturitätsschule. Waren die Ausbildungen abgeschlossen, zog es Chantal Albisser direkt nach Frankreich, um dort zu bauern. «Ich habe mich bereits ab dem ersten Tag wohlgefühlt, obwohl ich von da an alles selbst machen musste.» Sie kannte den Betrieb ja schon, schliesslich war sie ja auch hier aufgewachsen.
Trotzdem musste sie im Arbeitsalltag zuerst Routine aufbauen. «Am Anfang verbrachte ich 90 Prozent meines Arbeitstages bei den Pferden», erinnert sie sich. Nach eineinhalb Jahren übernahm sie den Betrieb ihrer Eltern per Anfang 2020 in Pacht. Seither hat sie alle Geschäftsbereiche des Landwirtschaftsbetriebs unter ihren Fittichen.
Das technische Know-how mit den Tieren, Kulturen und Maschinen ist das Eine, das sie sich erst mal erarbeiten musste. «Aber es muss eben hintendran auch menschlich und buchhalterisch stimmen», erklärt Chantal Albisser. «Tut es das nicht, weisst du genau, wo du den Fehler suchen musst: bei dir selbst.»
So naturnah wie möglich
Die Fohlen- und Pferdeweide Equifieri umfasst heute rund 84 Hektaren Land, aufgeteilt in 39 ha Mähwiesen und 45 ha Weiden für die Pferde. Das Ziel der jungen Unternehmerin ist, den Pferden einen Ort zu bieten, wo es nicht nur um Sport geht. «Jedes Pferd kann hierher kommen», erläutert Chantal Albisser.
Seit 1989 wird der Betrieb nach dem Grundsatz «Wo Fohlen zu Pferden werden und Pferde noch Pferde sein können» geleitet. Die Flächen werden relativ extensiv und im Einklang mit der Natur bewirtschaftet. «Ech weiss ned, aber Natur und Rössli, das passt doch eifach», meint die Landwirtin mit einem Schmunzeln in breitem Luzerner Dialekt.
Auf dem Betrieb ausbilden
Die 50 Pferde werden in Gruppen im Freilaufstall gehalten. Unter den Vierbeinern finden sich zwei Zuchtstuten und deren Nachwuchs, die im Besitz von Chantal Albisser sind. Die restlichen Tiere sind Pensionspferde, deren Besitzer hauptsächlich aus der Schweiz stammen. Auf dem Betrieb ist eine Bereiterin in einem 70-Prozent-Pensum angestellt.
Die eigens gezüchteten Pferde werden auf dem Betrieb selbst ausgebildet, bis sie verkauft werden können. Auch Pensionspferde können auf Wunsch ausgebildet werden. Bei der Arbeit mit den Pferden legt Chantal Albisser besonders Wert darauf, dass mit Feingefühl und Verständnis gearbeitet wird. «Sei der Mensch, der dein Pferd braucht», ist dabei ihr Leitsatz.
Zukunft in Frankreich
Im Ausland einen Landwirtschaftsbetrieb dieser Grösse alleine zu führen, ist relativ anspruchsvoll. Chantal Albisser wächst aber nach und nach in diese Aufgabe hinein. An den Wochenenden darf sie jeweils auf die tatkräftige Unterstützung ihres Freundes zählen, der beinahe jedes Wochenende den Weg aus dem Kanton Zürich bis nach L’Hôpital-St.-Lieffroy auf sich nimmt. Grundsätzlich führt sie den Betrieb aber alleine.
Auf die Frage, ob sie sich denn nicht einsam fühle, meint sie entspannt: «Ich habe ja meine Pferde.» Durch ihre Familie und ihre engsten Freunde kommt sie immer wieder in Kontakt mit der Schweiz. Zudem hat es in der Franche-Comté einige ausgewanderte Schweizer, zu denen die Familie Albisser ein freundschaftliches Verhältnis pflegt.
Für die Luzernerin ist eine Rückkehr in die Schweiz momentan keine Option. Sie ist zwar durch ihren Freund regelmässig hierzulande anzutreffen, aber normalerweise nur an Wochenenden.
Chantal Albisser sieht ihre Zukunft in Frankreich. An unserem westlichen Nachbarland schätzt sie vor allem die Weite und den Platz. «In der Schweiz könnte man den Pferden dieses Dasein mit so weitläufigen Weiden wahrscheinlich nicht bieten.»
Fachwissen ausbauen
Woran sich die Landwirtin erst gewöhnen musste: Einige Leute in Frankreich sind sehr unzuverlässig. Die guten, zuverlässigen Leute müssen zuerst gefunden werden – mit diesen kann man dann aber sehr gut zusammenarbeiten. Das Lohnniveau in Frankreich ist um rund zwei Drittel tiefer als in der Schweiz. Entsprechend sind zum Leben notwendige Güter viel günstiger als bei uns – tiefe Löhne also, aber auch tiefere Lebenshaltungskosten.
Qualitätssteigerung und Rationalisierung – das sind die beiden Schlagworte, an denen sich Chantal Albisser bei der zukünftigen Betriebsentwicklung orientieren möchte. Dabei muss sich jede Veränderung positiv auf das Wohl der Pferde auswirken. «Ich möchte auch einfach Spass haben an der Arbeit.
Pferde als Wegbegleiter
Und es sollte möglich sein, zwischendurch vom Betrieb wegzukommen.» Die junge Frau möchte sich in Zukunft noch mehr Wissen aneignen – sowohl im Umgang mit den Pferden als auch in Sachen Betriebsführung.
Pferde gehören seit jeher zum Leben der Landwirtin. Sie sind treue Wegbegleiter und faszinieren Chantal Albisser. Ihr ist wichtig, zu allen ihr anvertrauten Tieren ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und den Pferden ein artgerechtes Leben zu ermöglichen. «Das Glück der Pferde ist das Leben in der Herde. Und das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde», sagt sie lächelnd.