Oft glauben Bäuerinnen, ihr Leben sei zu wenig interessant, als dass man darüber in der Zeitung schreibt. Dann beginnen sie zu erzählen und ans Licht kommen die erstaunlichsten Geschichten. Das gilt auch für Eva Waser-Teuscher, die zusammen mit ihrem jüngeren Bruder auf der sogenannten «Terrasse» der Berner Gemeinde Reichenbach im Scharnachtal in bescheidenen Verhältnissen auf einem Bauernhof aufwuchs. 

«Bis zu meinem 30. Lebensjahr lebte und arbeitete ich daheim», erzählt sie, «ausser im Winter.» Der Vater erkrankte mit 48 Jahren an Parkinson; ihr Bruder musste mit 18 Jahren den Hof übernehmen. Eva war so stark engagiert auf dem Hof und in der Krankenpflege, dass der Besuch der Sekundarschule nicht in Frage kam. «Obwohl ich so gerne in die Schule ging», wirft sie ein. «Die Sek hätte für mich drei Wochen weniger Ferien bedeutet, das konnte sich unsere kleine Familie nicht leisten. Meine Mitarbeit war verlangt.» 

Jeden Winter woanders arbeiten

Einen Winter lang besuchte Eva Waser an fünf Tagen die Frauenschule Bern – heute Berufs-, Fach- und Fortbildungsschule (BFF) Bern. Das war eine harte Zeit. «Je nach Witterung musste ich um halb sechs Uhr daheim weg», erinnert sie sich, «um rechtzeitig am Bahnhof Reichenbach einzutreffen. Abends kam ich nicht vor halb sieben nach Hause.» In einem anderen Winter besuchte sie die Haushaltungsschule Hondrich; das war eine gute Zeit. Sie wohnte im Internat und pflegte angenehmen Kontakt zur damaligen sogenannten «Frau Direktor» Käthi Gammeter, der Vorsteherin der Haushaltungsschule von 1959 bis 1986. Die zwei darauffolgenden Winter verbrachte Eva Waser erneut auf dem  Hondrich, diesmal als Mitarbeiterin. 

Mehrere Winter arbeitete die junge Frau bei einer Tierarztfamilie in Münchenbuchsee. «Als ‹Mädchen für alles›», meint sie schmunzelnd, «wobei ich dort viel über Teenager gelernt habe, was mir bei meiner späteren ‹Berufung› zugutekam.» – Was diese Berufung ist, dazu kommen wir später. – Einen Winter verbrachte sie in Südamerika und einen in Kanada bei Schweizer Familien. Der Winter an der landwirtschaftlichen Schule Ins habe ihr nicht gefallen. Während im Oberland die Sonne scheine, verharre man im Seeland drei Monate im Nebel. Als sich ihr Bruder auf die Meisterprüfung vorbereitete, blieb sie ganz daheim. 

Die Stellensuche ist nicht einfach

Eva Wasers 30. Geburtstag nahte. Ihre Cousinen und Cousins waren beruflich erfolgreich. «Ich schaute zu ihnen auf, und mir wurde klar, wie wichtig es für Frauen ist, eine Ausbildung zu absolvieren», sagt sie, der nicht gegönnt war, eine Lehre zu machen. Sie gab sich einen Ruck und suchte per Inserat eine Stelle als Haushälterin. Sie lacht laut: «Zum Glück hütete meine Mutter das Telefon und wimmelte die ledigen Bauern ab, die eine Frau suchten.» 

Als sie bereits die Hoffnung auf eine Anstellung aufgegeben hatte, rief ein junges Mädchen aus dem Oberbaselbiet an. Es erzählte, dass es und seine drei Geschwister im Alter von 20, 19, 17 und 13 Jahren erst kürzlich ihre Mutter verloren hätten; der Vater sei 47. Eva reiste nach Eptingen (Baselland), schaute sich auf dem Hof Witwald um, und nahm die Stelle an. Sie dachte, das passe gut. Der Bauer Thadä interessiere sich angesichts des Altersunterschieds sicher nicht für sie. 

Doch erstens kommt es anders und zweitens, als man denkt. 1987 heirateten Eva und Thadä Waser. Und so kam es, dass sie sich von nun an um vier Teenager kümmerte und somit ihre Berufung fand. 1989 kam ihr Sohn Simon zur Welt. Sie wollte ein weiteres Kind, verlor es leider wegen einer Eileiterschwangerschaft. 

Bauernland sollte in Bauernhand bleiben

Das Leben auf dem 49 Hektaren grossen (plus zusätzliche 30 Hektaren Wald) gepachteten Hof gefiel der Ehefrau, Mutter und Bäuerin. «Auch wenn es anfangs nicht einfach war», erwähnt Eva Waser, «haben wir es als Familie gut.» Ihr Mann und später der älteste Sohn betrieben erfolgreich Braunviehzucht. Sie amtete acht Jahre als Gemeinderätin, putzte das Schulhaus und bildete bäuerlich-hauswirtschaftliche Angestellte aus. 

Der Pachtvertrag mit der baselstädtischen Familie endete 2018; der Hof wurde zum Verkauf angeboten. An dieser Stelle wird Eva Waser ärgerlich: «Viele junge, gut ausgebildete Paare interessierten sich ernsthaft für den Kauf des wunderbaren Familienbetriebs. Sie hatten die Kaufsumme von 1,4 Millionen Franken mithilfe ihrer Familien bereitgestellt, aber eine soziale Institution erhielt den Zuschlag.» Die Bäuerin versteht nicht, weshalb sich der Kanton nicht dafür einsetzte, dass «Bauernland in Bauernhand» blieb, wo doch viele Bauernfamilien auf der Suche nach dem eigenen Betrieb seien. 

Engagiert in Vereinen und Organisationen

Wasers zogen ins Dorf in eine Wohnung. Die umtriebige, ­ehemalige Bäuerin ist seit Jahrzehnten für bäuerliche Organisationen in verschiedenen Funktionen tätig: für Braunvieh Baselland, den Schafzuchtverein Baselland, Ziegenzuchtvereinigungen, als Sakristanin der Kirchen Diegten/Eptingen und den Buremärt Sissach. Für letzteren liefert sie, zusammen mit anderen Mitgliedern, seit Ausbruch von Corona freitags die schriftlichen Bestellungen aus. «Mir war und ist nie langweilig», freut sie sich, «mein Leben war und ist kunterbunt.»