Ich und auch viele andere Grünen haben eine Vision. Wir wollen eine regionale und standortgerechte Produktion von Lebensmitteln. So dass wir auch längerfristig den heutigen Netto-Selbstversorgungsgrad erhalten können. Die Versorgungssicherheit wird angesichts der politischen Weltlage und des Klimawandels immer wichtiger. Wir wollen eine möglichst regionale Nahrungsmittelversorgung mit fairen Preisen, so dass die Bauernfamilien davon leben können und für ihre grosse Arbeit anständig bezahlt sind.

Landwirtschaft muss sich Richtung Nachhaltigkeit entwickeln

Dabei ist der Schutz der Umwelt und des Klimas zentral. Deshalb muss sich die Landwirtschaft weiter in Richtung Nachhaltigkeit entwickeln. Der Druck der Gesellschaft nimmt zu, das zeigen die anstehenden Initiativen. Sie fordern eine ökologischere Landwirtschaft, sind aber nicht zielführend. Die Landwirtschaft hat selber bessere Lösungen parat, wie z. B. das Berner Pflanzenschutzprojekt. Diese Fortschritte müssen anerkannt werden. Aber es ist klar, dass weitere Fortschritte nötig sind. Im Bereich Pflanzenschutzmittel werden die Technik und die Digitalisierung weiterhelfen – wichtig ist auch die Forschung für alternative Pflanzenschutzmittel und die Züchtung von resistenten Sorten. Die Forschungsgelder müssen deshalb am richtigen Ort investiert werden. 

Weg von der Hochleistungszucht

Das für mich zentrale Thema sind die Wiederkäuer. Es gibt nichts Sinnvolleres im Grasland Schweiz, als Kühe, Schafe und Ziegen weiden zu lassen. Sogar aus Sicht des Klimaschutzes. Das mag nun erstaunen, da Kühe den Ruf haben, Klimakiller zu sein. Doch das Dauergrünland, insbesondere die Weiden, haben die Fähigkeit Kohlenstoff in den Boden zu speichern – weltweit gesehen ist Grünland der wichtigere Kohlenstoffspeicher als Wald!

Doch es gibt ein grosses Aber: Damit das so stimmt, ist es wichtig, dass die Kühe kein oder nur sehr wenig Kraftfutter fressen. Die Schweiz muss unbedingt wegkommen von der Hochleistungszucht bei den Milchkühen. Auch aus Ernährungssicherheitsgründen. Es kann und darf nicht sein, dass wir Soja aus Brasilien importieren und dieses unseren Kühen füttern. Wir müssen die Milchproduktion deshalb noch konsequenter als heute auf eine graslandbasierte Produktion ausrichten.

Mit Solardächern, Biogasanlagen und Holzheizungen

Wichtig für das Klima ist auch der Bereich erneuerbare Energien: Hier kann die Landwirtschaft eine bedeutende Rolle spielen bei der Umsetzung der Energiestrategie 2050. Mit Solardächern, Biogasanlagen und Holzheizungen. Hier ist sehr grosses Potenzial vorhanden – allerdings müssen wir die Rahmenbedingungen verbessern: Hürden müssen abgebaut und die Finanzierung gesichert werden. Es braucht eine gute Nachfolgelösung für das KEV-System, so dass sich die Produktion für die Bauern lohnt.

Fairer Handel statt Freihandel

Damit die Landwirtschaft nachhaltig sein kann, sind, nebst den Direktzahlungen, zwei Voraussetzungen entscheidend: Grenzschutz und Konsumverhalten. Der Grenzschutz ist zentral. In einem Hochlohnland mit kleinen Strukturen können wir mit Norddeutschland oder Brasilien nie im Leben mithalten. Daneben ist wichtig, dass Importe gewisse Nachhaltigkeitsstandards erfüllen. Wir haben den Artikel 104a Ernährungssicherheit angenommen. Er fordert nachhaltige Importe und muss endlich umgesetzt werden, es braucht fairen Handel statt Freihandel. Auch deshalb werden wir Grünen uns gegen das Mercosur-Abkommen wehren.

Die Konsumenten verändern

Das Wichtigste am Schluss: die Konsumentinnen und Konsumenten. Ich weiss, diese sind oft inkonsequent – aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass wir mit Informationskampagnen ein Umdenken herbeiführen können. Es kann nicht sein, dass Bauernfamilien bereit sind, auf Bio umzustellen und dann ihre Produkte nicht verkaufen können, sei es an Private oder an die Gastronomie, mit der die Landwirtschaft noch enger zusammenarbeiten sollte. Die Grünen setzten sich seit Langem für einen höheren Absatz von Bioprodukten und faire Produzentenpreise ein. Immer wieder wird kritisiert, dass die Lebensmittel in der Schweiz zu teuer seien, dabei machen sie nur gut sechs Prozent des Durchschnittseinkommens aus. Wir können Sozialpolitik nicht über die Kartoffelpreise machen – die Mieten und Krankenkassenprämien sind für die Familien das viel grössere Problem.

Weil der Konsum so wichtig ist, und einen enormen Einfluss auf die Produktion hat, sollten wir in Zukunft nicht eine Agrarpolitik, sondern eine Land- und Ernährungspolitik haben, so dass die gesamte Wertschöpfungskette einbezogen ist – nur so können wir die Ziele erreichen.    

Christine Badertscher ist Nationalrätin der Grünen und Präsidentin des Oberaargauischen Bauernvereins. Der Text ist ein Auszug aus einem Referat am Podium des Berner Bauernverbands.