Kaum ein anderes Tier lebt so nahe beim Menschen und hat sich gleichzeitig eine geheimnisvolle Aura bewahrt wie die Hauskatze. Dem auf die Spur kommen möchte die Sonderausstellung «Die Katze. Unser wildes Haustier», die derzeit im Naturmuseum St. Gallen zu sehen ist. Diese wirft zunächst einen Blick zurück auf eine Zeit, als die Katze noch nicht auf dem Sofa herum lümmelte und es im Übrigen noch gar keine Sofas wie heute gab.
Von Mäusen und Ratten angelockt
So beginnt das Zusammenleben von Mensch und Katze vor etwa 11'000 Jahren im Nahen Osten. Grund dafür ist, wie angenommen wird, die landwirtschaftliche Entwicklung in der Gegend der heutigen Länder Türkei, Irak, Syrien und Libanon. Mit dem Aufkommen von Ackerbau und Viehzucht entstanden Getreidevorräte, wodurch Mäuse und Ratten angezogen wurden. Diese wurden wiederum selbst zur fetten Beute, weil sie die in der Gegend lebende Afrikanischen Wildkatze, genannt Falbkatze, anlockten.
[IMG 3]
Archäologische Nachweise und genetische Untersuchungen konnten die Falbkatze als Vorfahrin der Hauskatze identifizieren, welche heute weltweit in nahezu allen vom Menschen besiedelten Gebieten verbreitet ist. Nicht um die Stammmutter der Hauskatze dagegen handelt es sich bei der Europäischen Wildkatze, obwohl diese gemeinsame Vorfahren hat und ähnliche Verhaltensweisen zeigt. Haus- und Wildkatzen können sich jedoch paaren, wobei fortpflanzungsfähige Mischlinge entstehen. In der Schweiz hat laut einer Studie jede fünfte Wildkatze Hauskatzenblut.
Ganz auf die Nacht ausgerichtet
Ein Teil der Ausstellung widmet sich der Biologie der Katze: Zu erfahren ist beispielsweise, dass sie riesige, nach vorne gerichtete und eng beieinanderstehende Augen besitzt, was ihr als Raubtier räumliches Sehen und eine präzise Entfernungsschätzung zur Beute ermöglicht. Fluchttiere wie Hasen dagegen haben Augen, die seitlich am Kopf liegen und somit einen Rundumblick bieten.
Zudem sehen Katzen in der Dämmerung besonders gut. Ihre Augen sind mit sechsmal mehr dafür zuständigen Sinneszellen ausgerüstet als der Mensch. Dazu kommt, dass sich hinter den Sehzellen eine reflektierende Schicht befindet, welche das Licht ein zweites Mal zurückstrahlt. Das erklärt, wieso Katzenaugen leuchten, wenn sie nachts von einem Lichtstrahl getroffen werden.
Die Spezialisierung auf das Nachtleben geht noch weiter: Die Augen der Katze sind im Verhältnis zur Körpergrösse riesig, nachts sind sie kreisrund geweitet und lassen viel Licht hinein. Bei Helligkeit hingegen verengen sie sich schlitzförmig, um sich vor zu viel Licht zu schützen. Eine Besonderheit der Katze ist auch ihre Eigenschaft, beim Fallen immer auf den Pfoten zu landen, indem sie sich um die eigene Achse dreht. Dazu stellt die Ausstellung eine Studie aus dem Jahr 1969 vor, welche dem «Falling Cat Problem» wissenschaftlich auf den Grund ging. Sie definiert die Katze als zwei Zylinder, die sich gegenseitig drehen. Wie dieser Reflex gesteuert wird, konnte sie allerdings nicht erklären. Eine weitere Katzeneigenschaft, die Fragen aufwirft: Beim Schnurren, so weiss man, strömt Luft über die Stimmbänder. Doch was der Zweck dahinter ist, liegt weiterhin im Dunkeln.
[IMG 4]
Achtung, schwindelerregende Tour
Auch spannend: Ein Video nimmt die Zuschauer(innen) mit auf eine nächtliche Tour einer Katze, die mit einer sogenannten «Catcam» am Halsband ausgerüstet ist. Wer sich das Roadmovie anschaut, muss allerdings damit rechnen, dabei seekrank zu werden.
Reflektierende Augen, sichere Landungen auf allen Pfoten, ein eigenständiges Leben im Dunkeln: Kein Wunder umgibt die Katze etwas Geheimnisvolles. Sie gilt in manchen Kulturen als Unglücksbotin (vor allem, wenn sie schwarz ist) oder wird als Gottheit verehrt. In der Schweiz ist die Katze mit 1,6 Millionen Exemplaren das beliebteste Haustier und lebt in jedem vierten Haushalt. Interessant ist auch, dass sich die Katze dem Menschen gegenüber viel häufiger über Laute äussert als bei ihren Artgenossen. Es scheint, dass sie im Lauf der Zeit gelernt hat, mit dem Menschen zu kommunizieren. Dazu sind 16 verschiedene Lautäusserungen bekannt.
[IMG 2]
Die Wanderausstellung, die von den Naturmuseen Thurgau und Olten gemeinsam erarbeitet wurde, bereitet das Thema «Katze» vielfältig auf. Thematisiert werden neben Herkunft und Biologie auch die fernere Verwandtschaft zu anderen katzenartigen Raubtieren. Ein Themenblock richtet sich zudem auf die Rolle der Hauskatze, wobei auch Konfliktpunkte angesprochen werden, wie beispielsweise hohe Haltungskosten oder das Beutespektrum. In Videos kommen Fachleute zu Wort, das eigene Wissen lässt sich verschiedentlich interaktiv testen und es gibt auch für Kinder Möglichkeiten, sich spielerisch mit dem Stubentiger zu beschäftigen.
«Die Katze. Unser wildes Haustier»: Die Ausstellung im Naturmuseum St. Gallen ist bis zum 27. Februar 2022 zu sehen. Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, Mittwoch bis 20 Uhr. Weitere Informationen: www.naturmuseumsg.ch