Diesen Sommer freut sich Sibylle Stadler aus dem oberthurgauischen Dünnershaus über eine ergiebige Aprikosenernte. Die Erntewochen sind zusammen mit der Direktvermarktung im eigens hierfür errichteten Hofladen eine arbeitsintensive, aber auch schöne Zeit im Jahr. Sie sind verbunden mit abwechslungsreichen Gesprächen mit den Hofbesuchern. "Wir haben im Verlauf der Jahre eine treue Stammkundschaft gewonnen. Diese kommt nicht nur aus der Region, sondern reist teils auch von weit entfernt her und tätigt Grosseinkäufe für Familie und Bekannte", erzählt die Bäuerin. Die Kunden seien dabei sehr interessiert, alles darüber zu erfahren, wie es gelingt, in der Ostschweiz erfolgreich Aprikosen zu produzieren. "Mein Mann und ich können bei dieser Gelegenheit die Konsumenten über die Zusammenhänge in der Obstproduktion aufklären."

Junge Generation ist bereit

Die Kultivierung der Aprikosen beschäftigt Sibylle Stadler über mehrere Monate im Jahr: In den ersten frühsommerlichen Tagen verbringt sie beispielsweise sehr viel Zeit in der Aprikosenanlage, um die Bäume auszudünnen. "Die Aprikosen auf unserem Tafelobstbetrieb sind meine Domäne – von der Baumpflege bis zur Vermarktung", sagt Stadler beim Rundgang durch die Anlage. Diese liegt fernab vom Durchgangsverkehr. Deshalb führt sie nur während der Aprikosenernte einen Hofladen. Sie schätzt es sehr, dass sie die Aprikosen, die überreif oder nicht mehr marktkonform sind, sinnvoll für Konfitüren oder Edelbrand verwenden kann.

Sibylle Stadler hat vier erwachsene Kinder im Alter zwischen 18 bis 28 Jahren (drei Söhne und eine Tochter), die allesamt "grüne Beruf" ergriffen. "Wir haben unsere Kinder bei der Berufswahl frei entscheiden lassen. Sie orientierten sich dabei aber offensichtlich an uns", erzählt sie. Anfang Juli schlossen der zweitjüngster Sohn die Zweitausbildung als Obstfachmann mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) ab und der Jüngste seine Lehre als Landwirt EFZ erfolgreich ab. "Wir sind sehr stolz auf sie." Der Jüngste beabsichtige zusätzlich noch eine Ausbildung als Obstfachmann anzuhängen. "Die Chancen, dass alles, was mein Mann und ich in den letzten Jahrzehnten aufbauten, weitergeführt wird, stehen gut", meint Sybille Stadler.

Freude an der Schönheit

Sibylle Stadler lebt mit ihrem Mann Werner Stadler seit bald drei Jahrzehnten in entlegenen Weiler Dünnershaus. Nebst dem Tafelobst mit neun Hektaren Fläche ist die Milchwirtschaft (Laufstall mit 50 Kühen und eigener Aufzucht) ein weiterer wichtiger Betriebszweig. In diesem Frühjahr habe sich der Transport eines Teils der Rinder zur Sömmerung in Urnäsch AR und im Calfeisental SG wegen des langen Winters verzögert. "Wenn die Jungtiere z Alp gehen, ist es für mich vom Gefühl her fast so, wie wenn ich Kinder verabschiede. Ich wünsche ihnen alles Gute und hoffe, dass sie möglichst vollzählig im Herbst auf den Betrieb zurückkehren."

Die Bäuerin wuchs in Weinfelden TG in einem nichtbäuerlichen Elternhaus auf, absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und arbeitete einige Jahre in diesem Beruf. "Obwohl ich mitten in einem Obstbaugebiet lebe und bereits beim Blick aus dem Haus der Blick auf Obstbäume fällt, bin ich jeden Frühling aufs Neue fasziniert von der Schönheit des ‹Blueschts›."

Da Sibylle Stadler die Zeit für einen Garten fehlt, entdeckte sie vor drei Jahren die Anbauform des Hochbeetes und ist davon begeistert. Ausserdem ist es ihr wichtig, sich Zeit für den persönlichen Ausgleich, z. B. für eine Wanderung in den Bergen, zu gönnen.

Botschafterin für Ernährung

Von Frühjahr bis Herbst steht Werner Stadler ein Mitarbeiter zur Seite. "Bei Bedarf helfe ich natürlich auch im Stall mit, ebenso beim Heuet", ergänzt Sybille Stadler. Für das Auspflücken und die Ernte beschäftigt das Ehepaar seit einigen Jahren zusätzlich ein bewährtes Helferteam aus Polen.

Nebst ihrer Arbeit auf dem Hof hat für Stadler der örtliche Landfrauenverein eine grosse Bedeutung: "Ich habe diesen Verein, den es in der heutigen Form seit 20 Jahren gibt, auch schon präsidiert. Mein halbes Leben bin ich bei den Landfrauen und schätze dabei besonders das Zusammengehörigkeitsgefühl."

Seit einem Jahr ist sie im Vorstand des Thurgauer Landfrauenverbands. Dort engagiert sie sich im Ressort Gesundheit und Ernährung. Eine besondere Erfahrung war im Frühling das Schaukochen an einer Publikumsmesse. "Wir vermittelten den Besuchern die Bedeutung saisonaler und regionaler Produkte. Es wurde mir bewusst, wie wichtig es ist, dass wir Bäuerinnen und Bauern mit unseren Anliegen direkt an die Konsumenten gelangen. Öffentlichkeitsarbeit fördert das Verständnis."