Rosmarie Saxer lebt zusammen mit ihrem Mann Hermann im wunderschönen Stammheim im Zürcher Weinland. "Unsere Hofparzelle umfasst ausser der Hausfläche nur wenige Aren Land. Dafür sehen wir direkt auf unsere Reben am Südhang über dem Dorf." Stammheim ist ein lang gezogenes Dorf und Saxers wohnen am östlichen Rand, an der Strasse nach Frauenfeld TG.

Exotische Berufswahl

Als Kind wollte Rosmarie Saxer Haushaltmanagerin werden: "Die Vielfalt, vor allem des bäuerlichen Haushalts, und das selbständige Arbeiten haben mich damals schon begeistert. Wohl auch, weil ich zusammen mit meinen Schwestern schon früh Verantwortung übernehmen musste." Die Mutter hatte Polyarthritis und dann auch noch einen schweren Unfall. Dieser zog einen Spitalaufenthalt nach sich. Da schmiss Rosmarie Saxer einfach die Schule. Sie lacht und erklärt: "Früher konnte man das noch, da war die obligatorische Schulzeit kürzer – und schliesslich war das ja nötig. Einen solchen Notfall haben die Schulbehörden höher gewichtet."

Später absolvierte sie die damals einjährige bäuerliche Haushaltlehre, und weil sie schon als Jugendliche nicht nur im Haushalt, sondern auch auf dem Betrieb half, entschied sie sich schliesslich für die Landwirtschaftslehre. In den siebziger Jahren war das noch eher exotisch. Die Lehrjahre nutzte sie ebenfalls, um andere Regionen kennenzulernen. Im Aargauer Fricktal war sie beeindruckt, wie viel die Kinder auf dem Betrieb mithelfen mussten. Das zweite Jahr verbrachte sie im Welschen, allerdings in einer deutschsprachigen Familie.

Das Gelernte anwenden

Mit 19 Jahren entschied sich Rosmarie Saxer dann aber nicht etwa für die Winter- oder Jahresschule als Abschluss der Landwirtschaftsausbildung, sondern für den Besuch der Bäuerinnenschule in Wülflingen ZH. Ein gutes halbes Jahr wohnte und lernte sie im alten Schulgebäude, schlief zusammen mit neun anderen Frauen in einem der grossen Schlafsäle. "Es war eine schöne und lehrreiche Zeit, natürlich trieben wir allerlei Schabernack, hielten uns aber mehr oder weniger an die strengen Vorgaben der Schulleitung", erzählt sie und lacht.

Die junge Bäuerin nutzte ihr neuerworbenes Wissen auf vielfältige Weise. Sie arbeitete als Familienhelferin bei der Ländlichen Familienhilfe und selbständig in verschiedenen Bauernhaushalten. Sie kochte aushilfsweise in einem Pflegeheim und arbeitet Teilzeit im Dorfladen. Und vor allem arbeitete sie auf dem elterlichen Betrieb mit. Ihre Ausbildung schloss sie mit dem eidgenössischen Diplom als Bäuerin ab.

Nach der Heirat zog Rosmarie Saxer auf Hermanns Hof. Schon bald wuchs die Familie: Sohn und Tochter brachten Freude und Abwechslung in den Alltag und in die Arbeit auf dem Acker- und Rebbaubetrieb.

Gleichberechtigte Partner

"Wir sind gleichberechtigte Partner auf dem Betrieb", betont Rosmarie Saxer. Aber auch mit den landwirtschaftlichen Flächen von Rosmaries Vater blieb es bei einem Nebenerwerbsbetrieb.

Die Bäuerin ist häufig in den Reben anzutreffen: Die 62 Aren geben das ganze Jahr über Arbeit. «Im Moment sind wir dabei, die Blätter und Triebe in der Traubenzone zu entfernen, damit die Trauben von der Sonne profitieren können.» Saxers bauen Blauburgunder an. Die Trauben gehen an die Genossenschaft und werden später als Federweiss verkauf.

Nicht bis "Geht-nicht-mehr"

Sich in Organisationen zu engagieren und die Geselligkeit sind Rosmarie Saxer wichtig. Acht Jahre lang hatte sie dann auch das Amt als Schulpflegerin inne und war dort für die Sonderschule zuständig. Seit vielen Jahren amtete sie als Ortsvertreterin der Landfrauen und ist Präsidentin der Trachtengruppe. "Heute singe ich noch im Frauenchor, dieses wöchentliche Treffen ist mir wichtig", erklärt sie. Die Bäuerin ist eine begabte Handarbeiterin: "Ich habe einige Nähkurse besucht und habe mir im Laufe der Zeit drei Trachten genäht." Vor allem als die Kinder klein waren, nähte und flickte sie viel und gerne. «Und ich gehöre zu jenen selten werdenden Frauen, die noch Socken stricken können», erzählt sie mit einem Schmunzeln auf den Lippen.

Rosmarie und Hermann Saxer geniessen regelmässig gemeinsame Ferien. Für sich und Kolleginnen organisiert sie hin und wieder auch Wellness-Tage. "Was soll ich arbeiten bis zum ‹Geht-nicht-mehr› und ruiniere mir dabei die Gesundheit und die Lebensfreude?", meint 59-Jährige lachend.